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Energiewende

Werden auf dem Bodensee irgendwann Wasserstoffschiffe fahren?

Lindau / Lesedauer: 7 min

Grüner Wasserstoff gilt als ein Hoffnungsträger der Energiewende. Wie ist der Stand im Landkreis Lindau? Und werden auf dem Bodensee irgendwann Wasserstoffschiffe fahren?
Veröffentlicht:20.08.2023, 08:00

Von:
  • Julia Baumann
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Grüner Wasserstoff gilt als ein Hoffnungsträger der Energiewende. Wie ist der Stand im Landkreis Lindau? Und werden auf dem Bodensee irgendwann Wasserstoffschiffe fahren? Julia Baumann hat sich mit Winfried Hamann und Werner Tillmetz unterhalten, die vor vier Jahren das Lindauer Netzwerk H2Connect gegründet haben.

Herr Tillmetz, was überzeugt Sie an Wasserstoff als Energieträger?

Ohne Wasserstoff gibt es keine Energiewende. So einfach ist das. Energiewende bedeutet, dass künftig unsere Energie von Sonne und Wind erzeugt wird, oder von Wasserkraft für diejenigen, die an das Vorarlberger Stromnetz angeschlossen sind. Das Problem ist: Der Wind weht nicht immer, gerade am Bodensee. Und die Sonne scheint auch öfters nicht, vor allem nachts. Mit Wasserstoff, den man zu Zeiten und an Orten mit zu viel Strom aus Sonne und Wind erzeugt hat, muss man dann die Zeiten ohne Sonne und Wind überbrücken.

Vor vier Jahren haben Sie, Herr Hamann, das Netzwerk H2Connect gegründet. Warum?

Ich bin Toyotafahrer und die Firma sendet mir regelmäßig ihren Newsletter, in dem sie ihr Wasserstoffauto Mirai vorgestellt hat. Wenn man so ein Auto fahren möchte, braucht es auch eine Wasserstofftankstelle, so meine Überlegung. Eine sehr gut besuchte Veranstaltung, bei der die Wasserstoffautos von Hyundai, Mercedes und Toyota präsentiert wurden, war das Ergebnis. Kurz vorher sagte jemand zu mir: Du hast aber hoffentlich auch Werner Tillmetz eingeladen. Das ist der deutsche Brennstoffzellen–Papst und der wohnt hier in Lindau. Er hat gleich zugesagt. Bald darauf haben wir dann H2Connect gegründet.

Wie groß ist das Interesse zum Thema Wasserstoff im Landkreis Lindau?

Hamann: Wir haben viele Kontakte zu interessierten Firmen, wie beispielsweise Speditionen. Walter Müller von der Spedition Max Müller zum Beispiel gehört zu den Treibern. Aber auch im regionalen Nahverkehr kommt der batterie–elektrische Antrieb oft an seine Grenzen. Gibt es viele Steigungen, ist der Strombedarf bei Bussen sehr hoch.

Inwiefern arbeiten Sie mit Stadt und Landkreis zusammen?

Hamann: Ich habe schon kurz vor der Veranstaltung „Eine Wasserstofftankstelle für Lindau“ mit Landrat Elmar Stegmann gesprochen. Er hat mir gesagt, dass ich bei ihm offene Türen einrenne. Da ist die Zusammenarbeit intensiver als mit den Stadtwerken, was wir natürlich bedauern.

Welche Erfolge kann H2Connect denn aus den vergangenen vier Jahren vorweisen?

Tillmetz: Das beste Beispiel ist das Klärwerk in Kempten. Mit modernsten Technologien produziert es Überschussstrom. Mit diesem Überschussstrom soll in einem aktuellen Projekt Wasserstoff erzeugt werden. Dafür werden etwa 15 Millionen Euro investiert, die zum größten Teil über Förderprojekte finanziert werden. Wir haben mitgeholfen, die richtigen Leute zusammenzubringen und zu unterstützen.

Hamann: Wir bekommen viele Einladungen von Unternehmen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, wie beispielsweise ein Firma, die emissionsfreie Wohnmobile herstellen will. Im vergangenen Jahr hatten wir ja auch eine tolle Veranstaltung mit Nobelpreisträgern. Gemeinsam mit dem Forschungsleiter von Toyota haben wir mit jungen Wissenschaftlern und Nobelpreisträgern über Wasserstoff diskutiert. Drei Wochen später hat die Internationale–Bodensee–Konferenz ihre 50 Jahr–Feier dem Thema Wasserstoff gewidmet.

Tillmetz: Und dabei kam die Idee auf, dass wir uns mal um eine klimafreundliche Bodenseeschifffahrt kümmern sollten. Die bayerische Staatskanzlei hat uns dann beauftragt, eine Machbarkeitsstudie zu diesem Thema zu machen.

Wie genau sieht diese Studie aus?

Tillmetz: Es geht um die generelle Frage, wie die Bodenseeschifffahrt klimaneutral werden kann. Ob mit Wasserstoff oder irgendeinem anderen klimaneutralen Kraftstoff. Es hat sich herausgestellt, dass die größten CO2–Emissionen nicht von den Fähren, sondern von den schnellen Motor–Sportbooten stammen. Erst kürzlich haben wir mit den Interessensvertretern die ersten Ergebnisse diskutiert. Natürlich gibt es auch Gegenstimmen, vor allem, wenn es um reduzierte Geschwindigkeiten zur Reduktion des Verbrauches von fossilen Kraftstoffen geht. Das ist die gleiche Diskussion wie auf der Straße.

Wann werden die Ergebnisse der Studie veröffentlicht?

Tillmetz: Es gibt bereits vorläufige Ergebnisse, die wir im September in den verschiedenen Gremien diskutieren werden. Im Dezember wird es die offiziellen Ergebnisse geben.

Am Energieträger Wasserstoff gibt es auch Kritik. Zum Beispiel, dass er sehr teuer ist.

Tillmetz: Das Thema Preise ist mit der CO2–Gesetzgebung verknüpft. Ein wunderschönes Beispiel, wie man das ganz einfach regeln kann, zeigen unsere Schweizer Kollegen. Sie erheben eine hohe LKW–Maut auf ihren Autobahnen. Wer einen emissionsfreies Laster fährt, muss diese Maut aber nicht bezahlen. Allein dadurch wird der emissionsfreie Transport mit Wasserstoff zum gleichen Preis wie mit fossilem Diesel möglich.

Aber die Produktion von Wasserstoff braucht sehr viel Strom.

Tillmetz: Der Preis vom Wasserstoff hängt vom Strompreis ab, das stimmt. Wenn ich den Wasserstoff aber dort produziere, wo ich sehr viel billigen Strom im Überschuss habe, also zum Beispiel an den windreichen Küsten, dann werden die Preise für Wasserstoff schnell attraktiv.

Was viele Leute vergessen: Wenn ich die Batterie in meinen E–Auto laden möchte und kein Strom von Sonne oder Wind verfügbar ist, dann muss dieser in einem Gaskraftwerk erzeugt werden. Wenn dieser klimafreundlich sein soll, dann kann es in Zukunft nur mit grünem Wasserstoff betrieben werden, der dann nicht mehr teuer sein wird.

Hamann: Es geht ja um grünen Wasserstoff aus grünem Strom. Heute importieren wir 70 Prozent unserer Energie in Form von Erdgas und Erdöl. Und deshalb macht es ja auch Sinn, den Strom billig in sehr sonnen– oder windreichen Regionen zu produzieren. In Form von Wasserstoff lässt sich die grüne Energie dann zu uns transportieren.

Thema Pipeline: Wie sind wir da angebunden?

Tillmetz: Die Betreiber der Erdgas–Pipelines in ganz Europa sind extrem aktiv, wenn es darum geht, künftig Wasserstoff aus energiereichen Regionen wie der Nordsee, der Ostsee, Portugal oder Nordafrika hierher zu transportieren. Eine Pipeline führt tatsächlich zu uns, und zwar von Nordafrika über Italien, Wien und Ingolstadt bis nach Lindau. Da haben wir in der Bodensee–Region eine echte Vorrangstellung. Ab 2035 soll es bei uns in Lindau Wasserstoff aus der Leitung geben.

Wird Wasserstoff irgendwann auch regional produziert werden?

Tillmetz: Das ist sogar sehr wichtig. Hierzu lohnt ein Blick ins Hinterland. Die Landwirte würden alle liebend gerne in Photovoltaik investieren, weil das ein gutes Geschäft ist. Doch die Netzbetreiber schließen diese immer häufiger nicht ans Netz an, weil es einfach zu wenig Leitungen gibt und auch niemand den Strom braucht — überall gibt es an sonnigen Tagen gleichzeitig sehr viel Strom aus Photovoltaik. Darum beschäftigen sich einige Landwirte gerade intensiv mit der Frage, wie sie vor Ort aus Photovoltaik–Strom direkt Wasserstoff produzieren können, um diesen dann in Erdgasleitungen einzuspeisen oder als Kraftstoff für Fahrzeuge zu nutzen.

Zu den Personen

Werner Tillmetz leitete von 2004 bis September 2018 als Vorstandsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie– und Wasserstoff–Forschung den Geschäftsbereich elektrochemische Energietechnologien und gehört der Fakultät für Naturwissenschaften der Universität Ulm an. Er promovierte 1984 an der TU München in Elektrochemie. Mit „Neuen Energietechnologien für die Raumfahrt“ beschäftigte er sich in Forschung und Entwicklung bei Dornier. Danach folgten Brennstoffzellen für die Elektromobilität bei der DaimlerBenz AG und bei Ballard Power Systems. Bei der Südchemie AG leitete er das globale Katalysatorgeschäft im Umwelt– und Energiebereich. Tillmetz gehörte zahlreichen Gremien an, unter anderem dem Beirat der Nationalen Organisation Wasserstoff– und Brennstoffzellentechnologie.

Winfried Hamann ist privat an der Wasserstoff–Technik interessiert. 2019 organisierte er in Lindau eine H2–Vernetzungsveranstaltung mit Fachleuten und Akteurinnen und Akteuren aus Industrie, Gesellschaft und Politik. Daraus entstand dann das Netzewrk H2Connect.