Medienkompetenz
„Werde schlauer als dein Kind“- Tag der Medien als Nachhilfe für Eltern
Lindau / Lesedauer: 4 min

- Falk Böckheler
Die Medienwelt entwickelt sich immer schneller. Eltern sind mit dem Umgang teilweise überfordert oder verunsichert. Wie der Tag der Medien helfen soll.
Cybermobbing, Cybercrime, Sexting oder Sucht sind Sorgen von Eltern im Zusammenhang mit digitalen Medien. Die Kinder sind den Elten in der digitalen Welt oft einen Schritt voraus. Das sorgt bei Eltern für Verunsicherung.
Früher konnte man den einzigen Computer im Haus einfach kontrollieren. Mittlerweile nutzen laut einer Studie knapp die Hälfte der unter 14-Jährigen täglich ein Smartphone. Dadurch verlieren Eltern die Kontrolle über die Mediennutzung ihrer Kinder.
Viele Eltern empfänden somit das Handy als Kontrollverlust, wie Literaturpädagogin und Leiterin des Kinderschutzbundes Lindau Christine Wörsching erzählt. Sie würden das Handy als Portal in eine gefährliche digitale Welt sehen, vor dem sie das Kind schützen möchten. Der Grund für die Unsicherheit sei oftmals zu wenig Aufklärung.
Nachhilfe am Tag der Medien
„Diese Unsicherheit wollen wir den Eltern nehmen“, sagt Wörsching und spielt auf den Tag der Medien an. Unter dem Motto „Werde schlauer als dein Kind“ bietet der Kreisjugendring Lindau gezielt Nachhilfe für Eltern an. Unterstützung kommt auch von zwei Sozialpädagogen, die sich in ihrer täglichen Arbeit mit dem Thema beschäftigen. Agnes Zimmerer und Stefan Fürhaupter arbeiten an der Grund- und Mittelschule Reutin.

Am Tag der Medien bekommen Eltern die Gelegenheit, sich mit Referenten aus ganz Bayern zu unterhalten. Dafür laden die Veranstalter in die Mittelschule Reutin ein, wo es verschiedene Angebote geben soll. Eine Kinderbetreuung und ein Elterncafé sollen für einen angenehmen Rahmen sorgen.
Herausforderungen für Eltern
Stände, Vorträge und Gespräche sollen Eltern dabei helfen, ein besseres Verständnis über die digitale Welt ihrer Kinder zu bekommen. „Da ist für jeden was dabei“, sagt Wörsching. Die Themenbereiche sind vielseitig und treffen den Nerv der Zeit.

So wird auch über „Erziehung in Zeiten von 4.0“ und den damit verbundenen Herausforderungen für Eltern gesprochen. Die Eltern sollen die digitale Welt der Kinder kennenlernen, um sie besser einschätzen zu können. Manche Eltern würden ihren Kindern den Zugang zu digitalen Medien nämlich komplett verbieten, sagt Fürhaupter. Das sei oft auf Unwissenheit oder Verunsicherung zurückzuführen.
Digitale Kommunikation für Kinder wichtig
Strikte Verbote sieht Daniel Süss kritisch. Er ist Professor für Medienpsychologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und für Kommunikationswissenschaft an der Universität Zürich. Er verweist auch auf die positiven Seiten digitaler Medien.

Oft seien Kinder mit ihren Freunden vernetzt. „Das ist ähnlich wie früher über das Telefon“, meint Süss. Nur hätte sich das Leitmedium geändert. Er betont auch, dass strikte Verbote viele Probleme mit sich bringen könnten.
Überwachung
Eine klare Abgrenzung von der digitalen und der natürlichen Welt sei problematisch, da „die Welten hybrid vernetzt sind“, sagt Süss. Das könne sogar dazu führen, dass Kinder aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen werden, ergänzt Wörsching.
Eine andere extreme Verhaltensweise von Eltern sei die Beschattung. Das ginge von Sperr-Apps über Überwachung der Konten in sozialen Medien, bis hin zu Trackern, die jederzeit den Standort des Kindes verraten, so Süss. Da Kinder ihren Eltern aber im digitalen oft einen Schritt voraus sind, sei die vollständige Überwachung keine gute Lösung.
Kontrollverlust
Süss berichtet von Kindern, die den Eltern teilweise nur Zweitaccounts zeigen, um diese zu beruhigen. Ihre richtigen Accounts würden die Eltern dann nie zu Gesicht bekommen. Andere würden die Tracker Mitschülern mitgeben und so ihren Standort vor den Eltern verheimlichen. So entstehe eine „Illusion von Kontrolle“, sagt er.
Außerdem sieht Süss in einer Vollüberwachung Persönlichkeitsrechte und die Autonomie des Kindes gefährdet. „Wenn das Kind ein Tagebuch schreibt, würde man das auch nicht einfordern.“ Deswegen spricht sich Süss für eine offene Kommunikation und nachvollziehbare Regeln aus.
Vorbildfunktion der Eltern
Die Organisatoren des „Tag der Medien“ sehen einen Lösungsansatz in einem Medienvertrag, den das Kind unterschreibt. „Man sollte dem Kind auf Augenhöhe begegnen“, sagt Wörsching.
Außerdem müssten sich die Eltern auch über ihren eigenen Medienkonsum Gedanken machen, sagt Zimmerer. „Wenn ich mit meinem Kind nicht spreche, sondern nur ins Handy schaue, muss ich mich nicht wundern.“ Deshalb sei es auch in der digitalen Welt wichtig, Vorbild für das Kind zu sein. Ansonsten sei das so ähnlich „wie Fahrradfahren ohne Helm“, ergänzt Fürhaupter.