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Welche Risiken das Handy für Eltern und Babys birgt

Lindau / Lesedauer: 6 min

Psychologin Beate Priewasser spricht in Lindau über ihre Forschung zum Thema Säuglinge und Smartphones. Was Eltern beachten müssen.
Veröffentlicht:02.06.2023, 17:00

Von:
  • Julia Baumann
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Handys und Smartphones gehören zu unserem Alltag dazu. Doch wie wirken sich die Geräte auf die Kleinsten unserer Gesellschaft, die Säuglinge, aus? Die Psychologin Beate Priewasser forscht zu diesem Thema an der Paracelsus Medizinischen Universität in Salzburg. Für die Kinder– und Jugendpsychotherapietagung in der Lindauer Inselhalle ist sie nach Lindau gekommen.

Im Interview mit LZ–Redaktionsleitung Julia Baumann spricht sie darüber, die Smartphones die Beziehung zwischen Eltern und Säuglingen beeinflussen — und erklärt, warum es einen bewussten Umgang mit den Geräten braucht.

Frau Priewasser, Sie forschen zum Thema Smartphones und Säuglinge. Warum ist das überhaupt nötig?

Die Smartphones gibt es seit etwa 20 Jahren und sie haben ständig an Funktionen gewonnen. Viele werden mit dem Handy geweckt, dann schauen sie nach dem Wetter, lesen Zeitung und Arbeits–Mails.

Das Gerät ist in jeder Familie angekommen und ständig präsent. Es hat verschiedene Merkmale, die es von anderen Geräten unterscheidet, und die es problematisch machen für die Nutzung im Beisein von Kindern.


Sie haben an einer Studie gearbeitet, die genau das untersucht hat. Gibt es daraus bereits erste Erkenntnisse?

In der Studie wurde untersucht, was es genau bei den Babys auslöst, wenn die Eltern am Handy sind. Wir haben das im Labor nachgespielt mit Eltern und Babys, die zwischen null und einem Jahr alt waren. Die Eltern haben mit den Babys gespielt. Dann haben sie ein Signal bekommen, nachdem sie das Kind für zwei Minuten lang ignorieren sollten.

Danach haben sie mit dem Baby wieder ganz normal interagiert, und nach einem weiteren Signal sollten sie am Handy ein Kreuzworträtsel lösen. Wir haben die Herzfrequenz der Kinder und der Eltern verglichen. Tatsächlich war die Herzrate der Babys, wenn die Eltern am Handy waren, ähnlich hoch wie in dem Szenario, in dem die Babys von ihren Eltern ignoriert wurden.

Was bedeutet das?

In der Entwicklungspsychologie ist bekannt, dass es ein sehr großer sozialer Stressor ist, wenn ein Säugling von seiner Bezugsperson nicht mehr beachtet wird. Stresshormone werden ausgeschüttet und die Herzfrequenz steigt. Wir interpretieren unsere Beobachtungen so, dass der Stress, den die Babys empfinden, wenn die Eltern das Handy in der Hand haben, ähnlich ist, wie wenn sie ignoriert werden.

Was uns jetzt noch interessiert, ist die Frage, wie sich das im Verhalten der Kinder äußert. Wir wissen noch nicht, ob sich Kinder irgendwann daran gewöhnen oder ob das langfristige Auswirkungen hat. Da gibt es noch keine Langzeitstudien. Was feststeht, ist, dass die Kinder in den meisten Fällen ihr Verhalten ändern, wenn Mutter oder Vater das Smartphone in die Hand nehmen.

Die Psychologin Beate Priewasser, 47, leitet das Institut für Easy Life Care an der Paracelsus Medizinischen Universität in Salzburg. (Foto: Julia Baumann)

Inwiefern?

Zunächst versuchen die Kinder, die Aufmerksamkeit der Eltern wiederzubekommen. Das nimmt dann immer mehr ab, und das Kind zieht sich dann vielleicht zurück. Die Stimmung wird immer schlechter. Manche fangen an zu weinen, andere fangen an, sich selbst zu regulieren, indem sie zum Beispiel an der Hand saugen.

Eigentlich brauchen Babys in dem Alter aber ein Gegenüber, das sie bemerkt, wenn sie in Stress geraten und sie dabei unterstützt, diesen zu regulieren. Weil sie das nicht alleine können.

Ihre Studie wurde natürlich unter Laborbedingungen durchgeführt. In der Fußgängerzone ist es kein ungewohntes Bild, dass Eltern ihr Baby im Kinderwagen schieben und dabei aufs Handy schauen. Vermutlich ist Ihnen gar nicht bewusst, dass sie damit ihr Kind gerade ignorieren.

Ganz genau, das ist die große Frage, die unsere Studie aufwirft. Wenn die Eltern ihre Kinder bewusst ignorieren müssen und danach wieder ins Spiel gehen, machen sie das aktiv. Sie kommentieren ihr Verhalten und gehen mit dem Kind wieder bewusst in Beziehung.

Weil sie gemerkt haben, welchen Stress sie bei ihrem Kind ausgelöst haben. Mit dem Handy in der Hand bemerken sie das nicht. Weil es so alltäglich ist und ständig benutzt wird.

Was raten Sie Eltern?

Wir müssen lernen, mit dem Handy richtig umzugehen. Es bewusst zu verwenden und sich dessen bewusst zu sein, dass es ein Stressfaktor sein kann. Handys haben die Eigenschaft, dass sie unsere Aufmerksamkeit stark absorbieren. Ganz anders, als das ein Buch oder eine Unterhaltung mit einer anderen Person tut. Ein Buch drängt sich nicht auf, es vibriert nicht.

Jeder kennt das: Man will nur kurz etwas nachschauen, sieht dann neue Nachrichten, die aufploppen, man geht von einer Anwendung zur nächsten und bleibt hängen. Man kann versuchen zu reflektieren, wann diese Absorbierung durch das Handy passiert. Vielleicht ist es manchmal gescheiter, bei einem Problem jemanden anzurufen und nicht im Internet nach der Lösung zu suchen. Einfach, weil diese Suche endlos ist.

Wir müssen Gewohnheiten hinterfragen und darüber nachdenken, was dazu führt, dass wir am Ende lange am Handy sind — und dies dann unterbinden. Was man allerdings nicht vergessen darf: Handys können für Eltern auch positive Effekte haben.

Die echte Interaktion bietet Kindern so viel mehr an Informationen und Lernmöglichkeiten, das kann man später gar nicht mehr nachholen.

Beate Priewasser

Welche denn?

Manche fühlen sich isoliert und können übers Handy in Kontakt mit anderen gehen. Wenn sie eine überfordernde Situation erleben, kann es helfen, schnell eine Whatsapp zu schreiben, die Erleichterung verschafft und wieder ausgeglichener macht.

Das Handy bietet auch Möglichkeiten, den Alltag gut zu bewältigen. Doch auch das sollte keine Strategie sein, die zu oft genutzt wird.

Warum finden Babys Handys denn so spannend?

Babys verstehen natürlich nicht, was ein Handy ist. Aber sie sehen, dass Mama oder Papa darauf reagieren. Die Eltern unterbrechen die Interaktion mit dem Kind und kommen dann vielleicht in einer ganz anderen Stimmung zurück. Das ist irritierend für Kinder und löst ihr Interesse aus.

Wie sollte man mit diesem Interesse umgehen?

Es ist wichtig, ihnen die Möglichkeit zu lassen, das Gerät als Gegenstand zu erkunden. Aber die Frage, ab wann Kinder über Bildschirme Medien konsumieren sollten, ist eine ganz andere. Da lautet die Antwort: je später, desto besser.

Die echte Interaktion bietet Kindern so viel mehr an Informationen und Lernmöglichkeiten, das kann man später gar nicht mehr nachholen.