Bundesweiter Vorlesetag
Warum die Oberbürgermeisterin abends mit Gorillas loszieht
Lindau / Lesedauer: 7 min

Zum Kuscheln abends im Bett, als Ablenkung beim Kinderarzt oder um die Geschichten selbst nochmal zu entdecken: Die Lindauer Oberbürgermeisterin, ein Stadtrat, der GTL-Chef und die Museumsleiterin erzählen wann und was sie ihren Kindern am liebsten Vorlesen.
Buch und Bär sind immer dabei
Wenn sie nach dem Toben ausruhen oder am Wochenende morgens im Bett von Mama und Papa kuscheln will: Ihren Bär und ein Buch hat die zweijährigen Tochter von Claudia Alfons immer dabei. Sie liebt es, wenn Mama oder Papa mit ihr Bücher anschauen oder vorlesen.
„Kinderbücher mit Reimen, aber auch Bilderbücher sind gefragt“, verrät die Oberbürgermeisterin. Ganz hoch im Kurs steht momentan „Gute Nacht Gorilla“ . Und so freut sich die Kleine immer wieder aufs Neue darüber, dass der kleine Gorilla den Schlüssel gestohlen hat. Und sie begleitet die Tiere des Zoos, vom Elefant bis zum Gürteltier, mit Begeisterung dabei, wie sie dem müden Wärter bis ins Schlafzimmer folgen.
Aber auch Bücher mit vielen Bildern von Tieren oder Gegenständen liebt die Zweijährige. Dass sie nebenbei ihre Sprachfähigkeit ausbaut, indem sie neue Wörter lernt, ist ein positiver Nebeneffekt ‐ der die Mama freut, der Kleinen aber noch egal ist.
Ein paar Worte auf Französisch
Manchmal purzeln sogar französische Wörter aus ihrem Mund. „Oui, je dors“ (Ja, ich schlafe) singt die Zweijährige gern, sagt Alfons lachend. Schuld daran seien Gäste aus Chelles, die ihr ein Kinderbuch mit französischen Liedern geschenkt haben. Ein Druck auf die entsprechende Taste im Buch genügt, und das Lied wird vorgespielt.
„Bücher sind ihr Hauptspielzeug“, sagt Claudia Alfons. Sie freut sich über die Begeisterung der Kleinen, weil sie selbst auch sehr gern liest. Doch leider fehle ihr oft die Zeit dafür. „Für mich sind Weihnachtsferien, wenn ich es schaffe, ein Buch zu lesen“, sagt die Oberbürgermeisterin. Dann beginne die Entschleunigung. „Man taucht in eine andere Welt ein.“
Beispielsweise in die Welt des Zoos und des Gorillas. Das Baby von Claudia Alfons findet Bücher übrigens auch schon zum Anbeißen toll ‐ vor allem, wenn sie rascheln.
Rapunzel hat es Marc Hüblers Tochter angetan
In der Spielecke der Zweijährigen findet man jede Menge Bücher. „Es müssen welche da sein“, sagt Papa Marc Hübler. Auch wenn die Tochter des Lindauer Stadtrats sich erst seit ein paar Wochen so richtig für Bücher interessiert, hat sie bereits ihre Lieblingsexemplare.

Besonders angesagt sei das Märchenbuch der Gebrüder Grimm. „Rapunzel hat es ihr angetan“, erzählt Hübler. Bei dieser Geschichte habe die Zweijährige zum ersten Mal „ganz aufmerksam zugehört.“ Die Bilder der abgeschnittenen Haare faszinierten sie vor allem. Und auch die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten kommt gut an.
„Seit dem ersten Kinderfest, das sie erlebt hat, und nach einem Besuch beim Eishockey mag sie Trommeln.“ Eine solche Trommel spielt nämlich auch der Esel in der Geschichte. Oft mache die Zweijährige beim Vorlesen dann alle möglichen Geräusche nach.
Das Buch vom Zahnarztbesuch
Hoch im Kurs steht bei der Zweijährigen „Mein Besuch beim Kinderarzt“. Denn im echten Leben sei der oft mit viel Negativem verbunden, erzählt Marc Hübler. Das Buch zeige seiner Tochter, dass es beim Arzt doch eigentlich gar nicht so schlimm ist. „Und es funktioniert.“ Wird der Arztbesuch mal wieder unangenehm, schauen die beiden das Buch an.
Als Gute-Nacht-Ritual kommen die Bücher bei Familie Hübler allerdings nicht zum Einsatz. Vorlesen vor dem Schlafen sei gar nicht nötig. „Unsere Tochter schläft nach dem Gute-Nacht-Sagen immer sofort ein“, sagt der Vater. Fast klingt er darüber etwas traurig.
Ein festes Vorleseritual am Abend
Barbara Reil ist Zuhause eine gefragte Vorleserin. „Zum Glück mögen meine Kinder das gern“, sagt die Leiterin des Lindauer Museums. Denn sie selbst liest leidenschaftlich gern.

Die beiden, ein Mädchen und ein Bub, sind fünf und zwei Jahre alt. Und beide mögen Bilderbücher. Vor allem dann, wenn sie zum Entdecken einladen, weil sich etwas aufklappen oder anfassen lässt.
Die Fünfjährige liebt aber auch die „Geschichten vom Franz“ von Christine Nöstlinger, erzählt Barbara Reil. Die Abenteuer des kleinen Jungen mit den blonden Ringellocken und der Piepsstimme hat sie als Kind selbst schon gelesen. „Das sind einfache, lebensnahe Geschichten“, sagt sie ‐ und freut sich, dass sie mit ihrer Tochter jetzt neue Geschichten vom Franz entdecken darf.
Streicheleinheiten für das kleine Hasenkind
Beliebt ist bei ihrer Großen auch ein schön illustriertes Liederbuch. „Das ist zauberhaft, auch wenn man nicht singen will“, sagt Reil. Hoch im Kurs stehen aber auch die Bücher vom Hasenkind. Ganz egal, ob es ins Bett gebracht oder getröstet werden will: Streicheleinheiten bekommt das Hasenkind von den Kleinen genug ‐ ihre Liebesbeweise seien am Buch schon gut sichtbar.
Barbara ReilMeist liest mein Mann Kinderbücher aus seiner eigenen Kindheit und Jugend vor.
Abends gibt es ein festes Einschlafritual. „Meist liest mein Mann Kinderbücher aus seiner eigenen Kindheit und Jugend vor“, sagt Reil. Auch wenn sie sich nicht sicher sind, ob ihre Kinder die Texte schon verstehen. Aber vor dem Einschlafen gehe es ohnehin mehr ums „berieseln lassen“.
„Extrem gut gealtert“ seien die Bücher von Erich Kästner. Aber auch die Geschichten von Astrid Lindgren hat Barbara Reil in „allerbester Erinnerung“. Allen voran Ronja Räubertochter und das Doppelte Lottchen.
Barbara Reil weiß schon genau, was sie ihren Kindern vorliest, wenn sie größer sind: „Die wunderbare Reise der kleinen Sofie“von Els Pelgrom. Eine traurige, aber auch lebensbejahende Geschichte, die „mich gewissermaßen fast mein ganzes Leben begleitet“.
Pius Hummler liest vom Maulwurf und andere Klassiker vor
„Neumodisches Klump“ liest Pius Hummler seinen Kindern nicht vor. Er setzt eher auf die Klassiker. „Da sind wir noch old school unterwegs“, sagt der Leiter der Garten- und Tiefbaubetriebe Lindau.
Pius HummlerDas ist ein festes Ritual.
Seine beiden Buben sind vier und sieben Jahre alt. Und auch wenn der Große jetzt als Zweitklässler schon selber liest, genießt er es, wenn Mama oder Papa ihm und dem kleinen Bruder abends vorlesen. „Das ist ein festes Ritual“, sagt Hummler. „Wir versuchen, das Vorlesen jeden Tag unterzubringen.“

Wenn Pius Hummler keine Abendtermine hat, dann wechselt er sich mit seiner Frau ab. Manchmal kommen aber auch alle vier Hummlers zum Lesen zusammen.
„Ich lese gern vor“, sagt Hummler und setzt dabei auf die Klassiker. Pettersson und Findus beispielsweise oder die Janosch-Abenteuer von Tiger und Bär. Auch die Lausbubenstreiche von Michel von Lönneberga dürften nicht fehlen.
Wenn der Papa den Kindern die eigenen Bücher vorliest
Das Lieblingsbuch seiner Jugend ist auch bei seinen Kindern beliebt: „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat.“ Heute begleitet Pius Hummler mit seinen Jungs den kleinen Maulwurf auf der Suche nach dem Bösewicht. Er fragt bei den Vögeln, bei den Tieren des Bauernhofs, er fragt den Hasen ‐ aber niemand will für das Missgeschick verantwortlich gewesen sein.
Er selbst hat das Buch als Kind geliebt. „Es sieht auch dementsprechend aus“, sagt Hummler. Und auch seine Kinder „finden es witzig“.
Wenn die Kinder mal mit „neumodischem Klump“ daherkommen, wie Paw Petrol oder Super Wings, dann streikt er. „Das lese ich dann nicht vor“, sagt er. Aus Überzeugung.
Der Große könnte es schon selber lesen. Aber im Moment steht er auf die „Drei Fragezeichen Kids“. Deren Abenteuer hat Pius Hummler auch geliebt ‐ allerdings als Hörspiel auf Kassette.