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Warnstreik bei der Bahn: Erste Züge sollen in Lindau am Abend wieder fahren

Lindau / Lesedauer: 7 min

Das große Chaos bleibt am Montag aus. Auf einige hatte der Streik aber trotzdem Auswirkungen und bedeutete einen Kraftakt.
Veröffentlicht:27.03.2023, 19:00

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Die digitalen Anzeigen am Reutiner Bahnhof halten am Montagmorgen nicht, was sie versprechen. Die angekündigten Züge kommen nicht. Von Chaos ist aber keine Spur.

Berufspendler und Reisende haben frühzeitig umorganisiert. So auch die Schulen — denn am Montag stehen bei manchen Prüfungen an. Der Warnstreik wird teilweise zum Kraftakt.

Verkäufer Karoly Kelemen ist der Einzige, der sich an diesem Morgen am Reutiner Bahnhof beklagt. Er wird seine Brötchen und Brezeln nicht los.


Die Auslage in dem kleinen Container der Bäckerei Dopfer ist um 7.30 Uhr noch voll. „Es ist eine Katastrophe“, sagt der Verkäufer. 80 Prozent seiner Kunden seien Bahnfahrer. In der vergangenen Stunde waren gerade einmal drei da.

Viele konnten sich vorbereiten

„Der kommt nicht“, wird kurz nach 7.30 Uhr auch einem Lindauer Schüler am Bahnhof Reutin klar. Er ist der Einzige am Gleis und zeigt auf das Schild über seinem Kopf: „Lindau–Insel 7.29 Uhr“. Dort müsse er in die Schule. Vom Streik wisse er nichts. Jetzt will er schnell nach Hause und seine Mutter fragen, ob sie ihn fährt.

Am Inselbahnhof musste man am Montagmorgen nach Menschen suchen. Unterwegs war fast keiner. Der Buchhandel und die Bahnhofsbäckerei hatten trotzdem offen. Los war aber nichts. 
Am Inselbahnhof musste man am Montagmorgen nach Menschen suchen. Unterwegs war fast keiner. Der Buchhandel und die Bahnhofsbäckerei hatten trotzdem offen. Los war aber nichts.  (Foto: Ronja Straub)

Anstatt in den Fahrerkabinen zu sitzen, gehen Lindauer Lokführer und Lokführerinnen in Kempten auf die Straße. Auch in Lindau protestieren sechs Eisenbahnerinnen und Eisenbahner mit einem EVG–Banner im Inselbahnhof.

Die Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn– und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatten schon Tage vorher zum Warnstreik aufgerufen.

Eine kleine, gut gelaunten Gruppe von Eisenbahnerinnen und Eisenbahner der EVG streikt am Montag am Bahnhof Lindau-Insel.
Eine kleine, gut gelaunten Gruppe von Eisenbahnerinnen und Eisenbahner der EVG streikt am Montag am Bahnhof Lindau-Insel. (Foto: Karl Schweizer)

Für manche war die Organisation trotzdem eine Herausforderung. „Das eigentliche Chaos hatten wir am Sonntag“, sagt Marion Zobel, Schulleiterin der Mittelschule Lindau. Denn dort stehen am Montag um 8 Uhr Prüfungen an. „Wir haben befürchtet, dass wir nicht an unseren beiden Standorten pünktlich starten können“, sagt sie.

Deshalb seien am Sonntag alle in Kontakt gewesen, um Alternativen zu organisieren: Schüler, Lehrer und Eltern. „Lehrer haben angeboten, Schüler abzuholen, so weit waren wir schon“, sagt Zobel. Ihr sei ein Stein vom Herzen gefallen, als sie um kurz nach 7 Uhr gesehen hat, dass am ZUP in der Anheggerstraße doch die Stadtbusse stehen.

Busse fahren planmäßig

Die Lindauer Stadtbusse sowie die Busse der Regionalbus Augsburg GmbH fahren am Montag planmäßig. Die Schülerin Lola Lewis ist trotzdem vom Bus aufs Fahrrad umgestiegen und von der Insel zum Bodensee–Gymnasium geradelt.

Wegen des Streiks radelt Lola Lewis am Montag vorsichtshalber in die Schule.
Wegen des Streiks radelt Lola Lewis am Montag vorsichtshalber in die Schule. (Foto: Barbara Baur)

Dalia Landmann wohnt in Kressbronn und nimmt normalerweise den Zug nach Lindau, wo sie auf das Valentin–Heider–Gymnasium geht. Doch diesmal musste sie sich mit dem Auto zur Schule bringen lassen, erzählt sie noch, bevor sie in den Unterricht muss. Sie ist schon etwas spät dran.

Auch Emsa Aygün steigt aufs Auto um. Normalerweise fährt sie mit dem Zug von Aeschach nach Friedrichshafen ans Berufsschulzentrum, erzählt die 18–Jährige. Der einseitigen Sperrung auf der B 31 dürfte die Berufsschülerin noch zuvorgekommen sein. Auf dem ersten Teil der Umleitungsstrecke kommt es tagsüber phasenweise zu Rückstaus.

Go–Ahead sieht sich als „Opfer des Streiks“

Obwohl die Lokführer des bayerischen Unternehmens Go–Ahead nicht mitstreiken, stehen auch die blauen Züge in den Bahnhöfen. „Wir sind Opfer des Streiks“, sagt Go–Ahead–Sprecher Winfried Karg. Denn das Stellwerkpersonal von Netze DB beteilige sich am Streik.

Mitarbeiter habe man auf Fortbildung oder in Urlaub geschickt. Andere seien in Bereitschaft. Sollten Zugfahrten am Nachmittag wieder möglich sein, wäre man bereit, so Karg am Vormittag.

Froh, dass ein Schienenersatzverkehr fährt: Ruben Werjefelt will nach Sonnenkopf am Arlberg zum Skifahren. Der Schwede ist schon am Sonntag mit Flugzeug und Zug nach Lindau gereist. Am Montag ging es dann mit dem Bus weiter.
Froh, dass ein Schienenersatzverkehr fährt: Ruben Werjefelt will nach Sonnenkopf am Arlberg zum Skifahren. Der Schwede ist schon am Sonntag mit Flugzeug und Zug nach Lindau gereist. Am Montag ging es dann mit dem Bus weiter. (Foto: Ronja Straub)

Ruben Werjefelt ist währenddessen froh, dass vom Inselbahnhof aus nach Österreich der Schienenersatzverkehr rollt. Er will zum Skifahren und eilt zum Bus, der am Busbahnhof wartet.

Im Bus ist er der Einzige. „Am Morgen habe ich 30 Schüler von Lochau nach Lindau gebracht“, berichtet der Busfahrer. Sonst sei wenig los.

In Tettnang und Friedrichshafen ist Situation unterschiedlich

Auch in Tettnang haben die Kinder am Montag keine Probleme, in die Schule zu kommen. Die Schulbusse kommen regelmäßig. Der gesamte Busverkehr in und um Tettnang läuft normal.

Ganz anders in Friedrichshafen. Nicht nur die Züge, auch die Busse des Verkehrsverbunds Bodensee–Oberschwaben (Bodo) stehen still. Viele zeigen Verständnis mit den Streikenden. Am Morgen stehen rund 50 Lokführer und Busfahrer vor dem Stadtbahnhof.

Der Einzige, der sich am Montagmorgen am Reutiner Bahnhof beklagt, ist Verkäufer Karoly Kelemen. Denn er wird seine Brötchen nicht los. Die vielen Bahnreisenden, die sonst jeden Morgen bei ihm reinschauen, kommen am Montag nicht.
Der Einzige, der sich am Montagmorgen am Reutiner Bahnhof beklagt, ist Verkäufer Karoly Kelemen. Denn er wird seine Brötchen nicht los. Die vielen Bahnreisenden, die sonst jeden Morgen bei ihm reinschauen, kommen am Montag nicht. (Foto: Ronja Straub)

Auf der A 96 bei Lindau rollt der Verkehr am Montag. Mitarbeiter der Autobahnmeisterei streiken allerdings. Auswirkungen auf den Verkehr habe das nicht, sagt Tobias Ehrmann, Außenstellenleiter in Kempten der Autobahn GmbH des Bundes, im LZ–Gespräch.

Man habe mit der Gewerkschaft Verdi eine Notdienstvereinbarung getroffen. Wenn Unfälle passieren, dann werde geholfen, sagt er.

Erste Züge fahren am Nachmittag wieder

Nicht alle Eisenbahner streiken an diesem Montag. Am Lindauer Inselbahnhof steht ein Lokführer. Er sei im Dienst, weil er als Beamter nicht streiken dürfe, erzählt er. Auf Gleis 6 steht schon sein Zug für den nächsten Tag.

Dort will er jetzt Wartungsarbeiten machen und ihn vorbereiten. „Nicht, dass er am Dienstag dann kalt ist und nicht funktioniert“, sagt er. Und am Dienstag — davon geht er fest aus — sollte ja alles wieder laufen.

„Fern- und Regionalverkehr eingestellt‟: Wegen des EVG-Streik standen am Montag auch in Lindau die Bahnen still.
„Fern- und Regionalverkehr eingestellt‟: Wegen des EVG-Streik standen am Montag auch in Lindau die Bahnen still. (Foto: Ronja Straub)

Andere Züge fahren an den Lindauer Bahnhöfen am Montagabend dann doch noch. Go-Ahead teilt mit, dass manche Züge zwischen Lindau, dem Allgäu und München wieder unterwegs sein könnten.

Laut DB werden erste Stellwerke nicht mehr bestreikt, sagt Sprecher Winfried Karg im LZ-Gespräch. Der erste blaue Zug solle noch am Abend aus dem Inselbahnhof in Richtung Memmingen fahren.


Auswirkungen des Streiks auf Verwaltungen

Verdi fordert in der laufenden Tarifrunde für die Angestellten von Bund und Kommunen 10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr im Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Die Arbeitgeber wollen keinen Mindestbetrag. Sie bieten fünf Prozent mehr Lohn über 27 Monate.

Die Mitarbeiter der kommunalen Verwaltungen streiken diesen Montag nicht. Laut Manuel Büttner, Verdi–Gewerkschaftssekretär im Bezirk Allgäu, bestreiken Verdi und die EVG am Montag nur die Infrastrukturen, also Bahn, Busse und Autobahnen.

Obwohl bei den Tarifverhandlungen noch keine Einigung erzielt ist, stellen sich die Verwaltungen auf eine Steigerung ein. „Im Haushalt wurde wie in jedem Jahr eine gewisse Steigerung der Personalausgaben angenommen“, schreibt Patricia Herpich, Sprecherin der Stadt Lindau, auf Anfrage. Ob der Ansatz ausreicht, werde sich erst zeigen. „Es bleibt zunächst der Ausgang der Tarifvertragsverhandlungen abzuwarten.“

Auch der Landkreis Lindau hat Tarifentwicklungen eingeplant. „Kalkuliert haben wir im Haushalt 2023 fünf Prozent“, schreibt Landratsamtssprecherin Sibylle Ehreiser. „Nun bleibt es abzuwarten, wie die Tariferhöhung tatsächlich ausfallen wird.“ (bbb/roi)