Rechter Ex-Verfassungsschützer
Maaßen in Lindau: Das würde er machen, wenn er im Kanzleramt säße...
Lindau / Lesedauer: 5 min

Dass in Lindau am Dienstagmittag ein Politiker zu Gast ist, der polarisiert, das ist schon vor den Toren der Inselhalle nicht zu übersehen. Während am Eingang knapp 150 Menschen mit Transparenten und Bannern gegen ihn demonstrieren, applaudieren etwa genauso viele Personen im großen Saal der Halle, als Hans–Georg Maaßen (CDU) die Bühne betritt. Ebenfalls richtig laut war es vor der Halle, als Maaßen kurz vor Veranstaltungsbeginn die Treppe hinauf ging. Es ertönten Buh–Rufe, Maaßen winkte der Menge fröhlich zu.
„Meine Fans vor der Halle sind heute also auch wieder da“, sagt Maaßen ironisch zu Beginn der Veranstaltung, die die Stiftung „Ärzte für Aufklärung“ organisiert hatte. Der ehemalige Chef des Verfassungsschutzes und derzeitige Vorsitzende der Werteunion — einer konservativen Gruppierung innerhalb der CDU — ist deutschlandweit bekannt.
Maaßen eckt insbesondere mit seinen Aussagen zur Migrationspolitik oder Meinungsfreiheit seit Jahren immer wieder heftig an. Seine politischen Gegner werfen ihm mangelnde Abgrenzung zur AfD, zu Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen vor.
Darum ist er nicht mehr Verfassungsschutz–Chef
In seiner Rede geht Maaßen direkt darauf ein, warum er im November 2018, nach sechs Jahren als Chef des Verfassungsschutzes, in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde. „Merkel hatte damals genug von mir“, behauptet Maaßen. Hauptgrund für seinen Rauswurf durch die damalige CDU–Bundeskanzlerin waren Äußerungen, in denen Maaßen bezweifelt hatte, dass es nach der Tötung eines Deutschen in Chemnitz 2018 durch drei Asylbewerber zu „Hetzjagden“ auf Ausländer gekommen war.
Verschiedene Politiker werteten Maaßens Aussagen als Verharmlosung der Vorfälle. „Die Meldungen und Analysen, die mir als Verfassungsschutzchef vorlagen, kann man nicht als Hetzjagd bezeichnen — so wie es die ,Tagesschau‘ beispielsweise gemacht hat“, betont Maaßen auch in Lindau nochmals.
War es eine Hetzjagd?
Vieles drehte sich damals um die Verwendung des Wortes „Hetzjagd“. Das sächsische Landeskriminalamt kam unabhängig von Diskussionen um bestimmte Begrifflichkeiten zu der Einschätzung, dass es „eine hohe Gewaltbereitschaft gegenüber den eingesetzten Polizeibeamten, Personen mit tatsächlichem oder scheinbaren Migrationshintergrund, politischen Gegnern, sowie Journalisten“ gegeben habe. Sein Rauswurf als Chef des Verfassungsschutzes „war eine Zäsur für mich“, sagt Maaßen in Lindau. „Ich wollte nach dieser Erfahrung politisch aktiv bleiben, weil ich den Eindruck hatte, dass in Deutschland einiges schief läuft.“

Dann beginnt Maaßens wenig überraschender, aber großer politischer Rundumschlag, von dem er weiß, dass er bei seinem Publikum gut ankommt: linke Medien, fehlende Meinungsfreiheit, ideologisch getriebene Politik. Der 60–Jährige sieht die Rechtsstaatlichkeit bedroht, weil Gesetze gerade in der Migrations– und Klimapolitik aus ideologischen Gründen angepasst würden. „Da muss der Tier– und Umweltschutz für das neue Windrad weichen. Da wird Recht passend gemacht“, sagt er.
Klimaschutz ohne Maß für Maaßen
Klimaschutz werde in Deutschland nicht mit Augenmaß betrieben. „Im Ausland lachen sie über uns, weil wir hier so eine Art ,Klima–Scharia‘ haben“, so Maaßen. Für ihn sei zudem die Unterwanderung Deutschlands durch Linksextremisten das größte Problem hierzulande. Maaßens Nachfolger als Chef des Verfassungsschutzes, Thomas Haldenwang, hat in seinem jüngsten Verfassungsschutzbericht 2022 allerdings eine Zunahme rechter Straftaten festgestellt — während die Zahl linker Straftaten gesunken ist.

Seine Zuhörer feiern Maaßen in der Inselhalle immer wieder mit tosendem Applaus und bejubeln ihn. Es ist ein gemischtes Publikum, das sich seinen Vortrag in der Inselhalle anhört. Eine Gruppe aus besorgten Bürgern, einigen AfD–Anhängern, aber auch ein paar junge Leuten hören dem Ex–Verfassungsschutzchef gespannt zu. Ein Mann trägt ein „Querdenken“-Tattoo auf dem Arm.
Demo vor der Halle
Draußen vor der Halle hatten sich Maaßens Gegner schon eine Dreiviertelstunde vor Veranstaltungsbeginn versammelt — auch hier sind die erwartbaren Gruppen anwesend. Die Omas gegen Rechts sind mit einem großen Transparent gekommen, ebenso die Lindauer Parents for Future. Daneben weht die Regenbogenfahne. Angemeldet hatte die Kundgebung der Lindauer Karl Schweizer, Mitglied bei der Partei „Die Linke“. Mit organisiert haben die Demo zehn Gruppierungen aus Lindau und vom Bodensee, darunter die Grüne Jugend und die Lindauer Jusos.

„Maaßen ist in Deutschland derzeit eines der intellektuellen Bindeglieder zwischen dem rechen Flügel in der CDU und den politisch deutlich noch weiter rechts stehenden Kreisen“, sagt Karl Schweizer. Durch ihn gelange „ausländerfeindliches, antidemokratisches, autoritäres und auf Überwachung zielendes Gedankengut“ in die gesellschaftliche Mitte. „Wir wollen keinen Rechtsruck. Weder durch die AfD, noch durch deren Sympathisanten“, sagt Mathilde Recksiek von Omas gegen Rechts Bodensee.
Maaßen bleibt in der CDU
Dass er sich von der AfD nicht distanzieren will, macht Maaßen in Lindau nochmals deutlich: „Man muss mit allen Parteien reden — auch mit der AfD.“ Diese Haltung wird auch innerhalb der Union heftig kritisiert. CDU–Chef Friedrich Merz sieht in seiner Partei keinen Platz mehr für Maaßens Gedankengut. Deswegen hat das CDU–Präsidium im Februar dieses Jahres ein Parteiausschlussverfahren gegen den Vorsitzenden der Werteunion eingeleitet — allerdings ohne Erfolg. Das CDU–Kreisparteigericht in Thüringen hat Anfang Juli den Ausschluss in erster Instanz abgelehnt.
In Lindau spielt Maaßen zum Ende seines Vortrags mit dem Gedanken, im Kanzleramt zu sitzen. Dann „würde ich sofort alle Grenzen in Deutschland schließen“. Außerdem würde er deutlich mehr Asylbewerber abschieben und das Gendern in allen Behörden verbieten. Applaus im Saal.