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Das Auswärtige Amt dreht Lindauer Friedensstiftung den Geldhahn zu

Lindau / Lesedauer: 5 min

Bund streicht Förderung – Zweifel an Stellenwert von Religion in der Außenpolitik
Veröffentlicht:02.11.2022, 19:00

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Computer und Möbel sind zum Teil schon ausgeräumt. An der Tür klebt ein Zettel – das Büro ist geschlossen. Die Lindauer Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft existiert nur noch auf dem Papier. Offiziell ruht ihr Betrieb. Doch ob sie ihre Arbeit je wieder aufnimmt, ist völlig unklar. Das Auswärtige Amt überweist kein Geld mehr. Nun werden Befürchtungen laut, dass das Thema Religion in der Ampel-Koalition an Bedeutung verliert.

Das letzte Geld aus Berlin kam 2021. Seitdem habe die Stiftung, die unterschiedliche Religionen zum Austausch zusammenbringen will, alle Kosten selbst getragen. Bis vor Kurzem auch die Löhne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wie Ulrich Schneider , ehemaliger Geschäftsführer der Stiftung, auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“ schreibt. In diesem Jahr habe das Auswärtige Amt noch keine Mittel bewilligt – „im Gegensatz zu den schriftlich zum Ausdruck gebrachten Absichten“.

Wegen einer nicht abgeschlossenen Prüfung des Bundesrechnungshofs und des Obersten Bayerischen Rechnungshofs seien für eine weitere Förderung enge Grenzen gesetzt, heißt es dazu aus dem Auswärtigen Amt. Bei der Prüfung gehe es "um eine ausstehende Rückzahlung der Stiftung an den Bund und Freistaat Bayern im sechsstelligen Bereich". Die Rückzahlung bezieht sich auf 2019.

Die Prüfung blockiere die Stiftungsarbeit, schreibt der ehemalige Geschäftsführer Schneider. „Bisher ist nicht absehbar, ob und wann das Auswärtige Amt zu einer Klärung bereit ist." Die Stiftung habe keine andere Wahl gehabt, „als die Stiftungsarbeit ruhen zu lassen und das Büro in Lindau zu schließen“.

2019 beginnt alles vielversprechend

Dabei begann alles so vielversprechend: Vor drei Jahren organisierte die damals frisch gegründete Lindauer Stiftung das zehnte Welttreffen von Religions for Peace (deutsch: Religionen für Frieden). Die Nicht-Regierungsorganisation hat ihren Sitz in New York, frühere Welttreffen fanden im japanischen Kyoto, im australischen Melbourne oder in Vatikanstadt statt.

Seit 2019 steht die große Holzskulptur des Ring for Peace auf der Hinteren Insel. (Foto: Christian Flemming/Schwäbische.de)

Dass Religionsführer aus der ganzen Welt für ihr Jubiläumstreffen nach Lindau kamen, ist maßgeblich dem Vorsitzenden der Lindauer Stiftung, Wolfgang Schürer, zu verdanken. Er hatte den Kontakt zu Religions for Peace geknüpft und Lindau als Tagungsort vorgeschlagen. Im August 2019 reisten 900 Vertreter unterschiedlicher Religionen aus mehr als 100 Ländern an den Bodensee. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt eine Rede, Medien berichteten aus der ganzen Welt. Eine große Holzskulptur, der Ring of Peace (deutsch: Ring des Friedens), ist seitdem Teil des Lindauer Stadtbildes.

In den vergangenen zwei Jahren organisierte die Stiftung Friedensdialog zwei weitere, kleinere Religionstagungen. Auch in diesem Jahr war im Tagungskalender der Lindauer Inselhalle für Oktober schon ein Termin für eine Konferenz fest vorgesehen. Doch sie wurde kurzfristig abgesagt.

Keine Zusage für langfristige Förderung

Die Lindauer Stiftung sei von 2019 bis 2021 mit großzügigen Mitteln auf Projektbasis gefördert worden, heißt es aus dem Auswärtigen Amt auf Nachfrage. 2020 seien rund 1,62 Millionen, 2021 rund 1,3 Millionen Euro geflossen.

Eine Zusage für eine langfristige institutionelle Förderung habe es nicht gegeben. Projektförderungen wie diese seien in der Regel auf eine Spanne von wenigen aufeinanderfolgenden Jahren begrenzt.

Bilder wie dieses vom Welttreffen von Relgions for Peace in Lindau gehen 2019 um die Welt. (Foto: Christian Thiel/Schwäbische.de)

Die Lindauer Stiftungsverantwortlichen Schürer und Schneider hingegen fürchten einen „Perspektivwechsel“ im Auswärtigen Amt. „Es gibt eine erkennbare Zurückhaltung im Amt, das Thema Friedensverantwortung der Religionen mit ähnlicher Intensität weiterzuverfolgen“, schreiben sie. Und das, obwohl der Koalitionsvertrag sogar eine „Intensivierung des Themas“ vorsehe.

Pater Nikodemus Schnabel teilt diese Sorge. Der aus Stuttgart stammende Benediktinermönch der Dormitio-Abtei auf dem Berg Zion in Jerusalem war von 2018 bis 2019 Berater für „Religion und Außenpolitik“ im Auswärtigen Amt. Bundespräsident Steinmeier hatte den Vorgänger dieses Referats in seiner Zeit als Außenminister ins Leben gerufen. „Ich beobachte mit großer Sorge, dass das gesamte Thema Religion und Außenpolitik an Bedeutung verliert“, sagt Schnabel.

Mit den Lindauer Tagungen geht ein „Juwel“ verloren

Mit der Lindauer Stiftung und den Religionstagungen in der Inselhalle gebe man ein „Juwel“ auf. Denn Deutschland habe damit binnen weniger Jahre weltweit hohes Ansehen erworben. „Das ist wirklich tragisch.“ Schnabels Ansicht zufolge wird im Auswärtigen Amt gerade „lautlos abgewickelt“, was nicht mehr für wichtig erachtet werde.

Das Referat „Religion und Außenpolitik“ sei weiter zuständig für die „Pflege von Kontakten zu religiösen Persönlichkeiten und Institutionen der mono- und polytheistischen Religionen“, heißt es dazu aus dem Auswärtigen Amt.

Als er 2019 die Welttagung von Religions for Peace in Lindau eröffnete, bezeichnete Bundespräsident Steinmeier die Arbeit des Weltbunds als „eine politische Arbeit an der Verbesserung der globalen Lebensbedingungen aller Menschen“. Es sei selbstverständlich, dass Deutschland diese Arbeit besonders unterstütze.

Doch wie soll das in Zukunft aussehen? „Nach unserem Wissensstand gibt es keinen aktuellen Dialog zwischen dem Auswärtigen Amt und Religions für Peace International“, schreibt der frühere Stiftungs-Geschäftsführer Schneider. Die Lindauer Stiftung hat keine Angestellten mehr. Schneider selbst ist schon seit Ende September nicht mehr als Geschäftsführer tätig. Er hilft nur noch dabei, das Büro aufzulösen.