Rassismus
Hunderte demonstrieren in Lindau gegen Rassismus
Lindau / Lesedauer: 4 min

Schwäbische.de
In ganz Deutschland haben sich viele Menschen zusammengetan, um am Samstag still und friedlich gegen Rassismus zu protestieren. Auch die Fridays-For-Future-Ortsgruppe Lindau hat in Solidarität zur Bewegung Black Lives Matter (zu deutsch: „Schwarze Leben zählen“) eine stille Demonstration vor dem Alten Rathaus organisiert. Der Andrang dort war so groß, dass die Kundgebung schließlich geteilt werden musste, die Hälfte der gut 350 Teilnehmer dann vor der Inselhalle gegen Rassismus demonstrierte.
Auslöser für die sogenannten Silent Demos war der gewaltsame Tod des Afroamerikaners George Floyd , der in Minneapolis (USA) bei einem Polizeieinsatz starb. Genau 8 Minuten und 46 Sekunden lang wurde Floyd von dem Polizisten zu Boden gedrückt und genauso lange schwiegen in vielen deutschen Städten die Demonstranten, auch in Lindau.
Doch vor Allem wollten die Protestierenden darauf aufmerksam machen, dass Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe nicht nur in den USA stattfindet, sondern ein globales Problem ist – ein Problem, dass auch in Deutschland und sogar in Lindau existiert.
„Ja Lindau, es wird Zeit, dass wir uns verändern, dass wir auch hier anerkennen, dass Rassismus ein Teil unserer deutschen Kultur ist und sich in allen Strukturen und Institutionen versteckt.“, sprach die studierte Soziologin und Lindauerin Charlotte Frierson vor den Demonstranten in ihr Megafon.

Sie sprach im Namen der schwarzen Lindauer Gemeinschaft – die bei der Demo sichtbar vertreten war – über ihre Erfahrungen mit Rassismus in ihrer Heimatstadt. Sie zeigte an handfesten Beispielen auf, in welchen Situationen sie und andere schwarze Menschen hier in Lindau aufgrund ihrer Hautfarbe benachteiligt wurden und führte den größtenteils weißen Demonstranten vor, dass Weißsein als Privileg und Rassismus in Deutschland auch hier am Bodensee existieren.
Um als weißer Mensch etwas gegen Rassismus unternehmen zu können, müsse man sich erst einmal darüber bewusst werden, dass Rassismus existiert und ihn sichtbar machen. „Du musst damit anfangen, aus der Blase deiner weißen Privilegien zu treten und uns zuzuhören und zu glauben.“, appelierte Frierson an die Menge, „Also lern dazu! Und das musst du nicht mal allein tun.
Du kannst dir helfen lassen. Die deutschsprachige Black Community, die bereits seit Jahrzehnten so viel politische Arbeit in Deutschland leistet, ist viel größer als du denkst. Kaufe ihre Bücher, hör dir ihre Podcasts an, folge ihnen auf Social Media. Und lies‘ auch mal ein Buch über unsere koloniale Vergangenheit.“
Insgesamt nahmen rund 350 Menschen an der Silent Demo in Lindau teil. Da die Mindestabstände bei so vielen Leuten auf dem Bismarckplatz kaum eingehalten werden konnten, wanderte eine Hälfte der Gruppe zur Inselhalle, um dort weiter zu demonstrieren. Dass so viele Menschen hier in Lindau Solidarität zur Black Lives Matter Bewegung zeigen, freute auch den Politik-Studenten Rohat Akcakaya, der aus Friedrichshafen herfuhr, um an den Protesten teilzunehmen.
Friedlicher Widerstand wichtig
„Auch wenn soziale Netzwerke eine große Stahlkraft haben, ist es wichtig, das Bekenntnis zu unserem vielfältigen Einwanderungsland auch präsent und lautstark auf die Straße zu tragen. Das haben heute glücklicherweise vor allem viele junge Menschen getan“, antwortete Akcakaya auf die Frage hin, was ihn dazu bewegt hat nach Lindau zu kommen und zu demonstrieren. Für die Black-Lives-Matter-Bewegung wünsche er sich außerdem, dass das Momentum der Bewegung länger anhalte und insbesondere Nicht-Betroffene die Möglichkeit nutzen, um weiter zuzuhören und Perspektiven kennenzulernen, welche wir in unserer Gesellschaft nicht sähen und auch manchmal nicht wahrhaben wollen würden.
In einer Zeit zorniger und gewaltsamer Proteste sei es wichtig, dass auch friedlicher Widerstand stattfinde. Das haben die jungen Organisatoren der Demonstration auf der Insel Lindau innerhalb kürzester Zeit geschafft. Der friedvolle und emotionale Protest endete mit Live-Gospelgesang, einer afroamerikanischen Musikstilrichtung, nach fast einer Stunde vor Rathaus und Inselhalle.