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Generationenkonzert

Generationenkonzert reißt die Zuhörer aus den Sitzen

Lindau / Lesedauer: 3 min

Volles Haus, voller Klang und ganz viel Gefühl: 115 Menschen machen Musik aus 159 Jahren
Veröffentlicht:29.04.2015, 16:44

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Wenn sich aus dem ruhigen Strom alter Stimmen plötzlich der glockenhelle Chor der Kinder herausschält, wenn sein Klang mit zarten Tönen das volle Lindauer Stadttheater magisch berührt, dann kann der geneigte Zuhörer ein seltenes Phänomen an sich beobachten: wie sich eine Gänsehaut auf einer bereits vorhandenen Gänsehaut bildet.

Beim außergewöhnlichen Generationenkonzert am Dienstagabend, dem vermutlich ersten seiner Art in Deutschland, gab es solche Augenblicke reichlich: 115 Laien-Musiker aus sämtlichen Altersschichten zwischen 6 und 94 Jahren haben die Bühne im Stadttheater zu einem Ort nicht nur der musikalischen Begegnung gemacht, sondern auch zur Brücke zwischen sehr Jung und sehr Alt – und allem, was dazwischen liegt, 20-köpfiges Orchester inklusive.

Senioren singen Michael Jackson,Junge singen vom Wiesengrunde

Der Abend war das Ergebnis von zehn Wochen intensiver Vorbereitung. Die Keimzelle der Idee liegt bei Facebook, wie die Heimleiterin Anke Franke vom Maria-Martha-Stift in ihrer Rede erklärte. Sie hatte ein Video von der populären Senioren-Rockband „The Zimmers“ gepostet und gefragt, ob das nicht auch etwas für Lindau sein könne – denn im Maria-Martha-Stift gebe es genügend musikalische Senioren mit Ambitionen auch für modernere Musik. Die Lindauer Lucius Brombeis und Mario Hamann haben die Idee dann zum Generationenkonzert weiterentwickelt. Bereits seit Oktober arbeiteten auch die Musikstudenten Vanessa Schick, Janik Hollaender und Antonia Efinger in Kooperation mit dem Maria-Martha-Stift am Projekt. Über den gelungenen Kraftakt staunte auch ihre Professorin aus Freiburg, Mechthild Fuchs, die eigens für ein heiteres Grußwort angereist war.

Die Mühe der jungen Menschen hat sich gelohnt, wie das Musikprogramm aus mehr als hundert Jahren zeigte, an dem die Initiatoren als Moderatoren und Dirigenten sowie Instrumentalisten großen Anteil hatten. Ein Dutzend Lieder aus verschiedenen Stilrichtungen von 1851 bis 2010 waren der musikalische Kanon, auf den sich die Musiker hörbar gut verständigt haben. Für das Konzert bedeutet das, dass 94-Jährige Michael Jackson sangen und Sechsjährige inbrünstig „Im schönsten Wiesengrunde“ schmetterten. Somit brachte das Konzertprojekt Menschen mit Musikstilen in Berührung, die ihnen sonst verborgen bleiben.

Ein besonderes Solo ruft Gänsehaut hervor

Der Abend war auch die Sternstunde berührender Solisten, die Lindau so noch gar nicht kannte: Das wirklich herzergreifende Duett aus dem Klavierspiel der hochbetagten Elisabeth Mayer und den Geigenklängen der blutjungen Teresa Zimmermann trieb nicht wenigen Zuhörern einen feuchten Schimmer in die Augen, als das Titelthema des Filmklassikers „Schindlers Liste“ wieder einen dieser Gänsehautmomente provozierte.

Dass Musik als Jungbrunnen wirkt, bewies Matthias Meßmer, der mit seiner reifen Stimme den Schlager „Marina“ so charmant verkaufte, dass ihm nicht nur die Herzen der reiferen Damenwelt zuflogen. Auch Dietmar Stoller zeigte mit dem Schmachtfetzen „Heimweh“ von Freddy Quinn, wie schön doch die Zeit war. (So schön, schön war die Zeit...) Chor und Orchester trugen seine Stimme, gereift wie altes Holz, in sehnsuchtsvolle Höhen.

Aber ganz egal, ob gerade Musik von den Beatles, Unheilig oder den Comedian Harmonists den Saal füllte – immer war da dieses besondere Gefühl von Berührtsein, das auch Schirmherr Oberbürgermeister Gerhard Ecker spürte. Für die jungen Studenten ist die Mission mit dem Konzert vorerst zu Ende. Aber Mario Hamann hofft hoffentlich nicht umsonst, dass ihre Initiative nur „das Samenkorn“ für künftige Generationenkonzerte ist. Die stehenden Ovationen am Schluss waren jedenfalls der Beleg, dass Projekte dieser Art nicht nur gebraucht werden, sondern tatsächlich auch ankommen. Denn Gänsehäute lügen nicht!