StartseiteRegionalRegion LindauLindauNach vielen Böllern und Raketen: Feinstaubwerte in Lindau explodieren

Feinstaubwert

Nach vielen Böllern und Raketen: Feinstaubwerte in Lindau explodieren

Lindau / Lesedauer: 5 min

Selbst vor Corona war der Wert der gesundheitsgefährdenden Belastung viel niedriger – Keine Unfälle in der Silvesternacht
Veröffentlicht:02.01.2023, 19:07

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Nach zwei Jahren Pause scheint die Sehnsucht nach Feuerwerk groß gewesen zu sein. Wer in Lindau auf dem Hoyerberg oder direkt am Hafen das Spektakel zum Jahreswechsel beobachtete, hatte den Eindruck, dass das Feuerwerk über Lindau besonders groß ausgefallen ist. Das zeigte sich auch in der Feinstaub-Belastung.

Hier explodierte eine Blume, dort nieselte Sternenregen herunter: In Sekundenschnelle gab es über dem Himmel von Lindau immer wieder Neues zu bestaunen. Von Zurückhaltung war dieses Silvester nicht viel zu spüren: Die Lindauerinnen und Lindauer hatten offensichtlich große Freude daran, endlich wieder Raketen in den Himmel zu schießen und Böller zu zünden.

Die Coronajahre mussten wohl nachgeholt werden, daher wurde am Seehafen intensiv geballert. (Foto: Christian Flemming/Schwäbische.de)

Die gute Nachricht: Während es bei den Silvesterfeiern beim Zündeln mit Feuerwerk in anderen Städten Deutschlands wieder zu schweren Unfällen gekommen ist, gab es in Lindau keine schlimmen Zwischenfälle. „Es gab keinerlei Probleme“, sagte ein Sprecher der Lindauer Polizei auf Nachfrage der Lindauer Zeitung, und auch Lindauer Feuerwehr und Rettungsdienst berichteten von einer friedlichen Silvesternacht.

Zwar sei ein junger Mann wegen Brandverletzungen im Gesicht in die Lindauer Klinik gekommen, sagte der Geschäftsführer der Asklepios Klinik , Boris Ebenthal. Die Wunde sei aber harmlos gewesen, und es gehe ihm schon wieder gut. An sich sei der Silvesterabend ähnlich ruhig verlaufen wie in den vergangenen beiden Corona-Jahren.

Grenzwert in Lindau überschritten

Dass besonders viele Menschen ein Feuerwerke zündeten, zeigte der Feinstaubwert in der Luft. Der war an diesem Neujahr in Lindau außergewöhnlich hoch. Er überschritt den Grenzwert der gesundheitsgefährdenden Feinstaubbelastung von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter im Tagesmittel deutlich. Am Sonntag lag er bei 70.

Raketen sorgten an Silvester für ein buntes Spektakel in der Luft. Die vielen Feuerwerkskörper haben allerdings ihre Nachteile. Sie verpesten die Luft und sorgen für erhöhte Feinstaubwerte. In Lindau waren die in diesem Jahr besonders hoch. (Foto: WOLFGANG SCHNEIDERD-88131 LINDAU/B/Schwäbische.de)

In der Silvesternacht war der Stundenmittelwert kurzzeitig auf Rekordhöhe geklettert und hatte um 1 Uhr sogar 509 Mikrogramm pro Kubikmeter erreicht. Das zeigen Zahlen des bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), das eine Mess-Station in der Friedrichshafener Straße betreibt. Sie zeigen auch: So hoch wie in diesem Jahr kurz nach Mitternacht war die Feinstaubbelastung in Lindau in den vergangenen 18 Jahren an Silvester nicht. Seither wird dieser Stundenmittelwert erhoben.

In Schwaben ist Lindau damit im 24-Stunden-Vergleich an Neujahr Spitzenreiter. An keiner anderen Messstelle wurde an Neujahr ein so hoher Werte gemessen. Lediglich in Neu-Ulm war der Stundenmittelwert um 1 Uhr nachts mit 559 Mikrogramm pro Kubikmeter höher als in Lindau.

Selbst vor Corona war der Wert viel niedriger

Dass der Wert in der Silvesternacht steigt, ist normal. In den vergangenen beiden Corona-Jahren, als noch Einschränkungen galten, lag er in Lindau nur zwischen knapp 50 und 150 Mikrogramm pro Kubikmeter. Aber selbst vor der Pandemie, am 1. Januar 2019, war der Tagesmittelwert nur halb so hoch wie diesen Sonntag.

Auch nach diesem Silvester fiel der Wert im Laufe der Nacht und des darauffolgenden Tages wieder auf Normalniveau. Zu beachten ist laut LfU, dass Wetter und Wind eine wichtige Rolle spielen und die Werte beeinflussen können.

Raketen sorgten an Silvester für ein buntes Spektakel in der Luft. Die vielen Feuerwerkskörper haben allerdings ihre Nachteile. Sie verpesten die Luft und sorgen für erhöhte Feinstaubwerte. In Lindau waren die in diesem Jahr besonders hoch. (Foto: Patrick Pleul/Schwäbische.de)

Auch wenn ein Vergleich mit anderen Städten wegen der unterschiedlichen Bedingungen problematisch ist, fällt auf: So hoch oder höher wie in der 25.000-Einwohner-Stadt Lindau sind die Werte fast nur in größeren Städten wie Nürnberg, München, Ingolstadt oder Würzburg. Nur im ähnlich großen Kulmbach in Oberfranken und in Kelheim in Niederbayern, wo 15.000 Menschen leben, ist der Wert so hoch wie in Lindau.

Kein schöner Anblick: An dieser Wertstoffinsel in Reutin hat offenbar jemand seinen Silvester-Müll nicht ordnungsgemäß entsorgt, sondern die ausgebrannten Feuerwerkskörper einfach neben die Container gelegt. (Foto: privat/Schwäbische.de)

Auch die baden-württembergischen Nachbarn feuerten offenbar außergewöhnlich viele Raketen ab. Friedrichshafen schaffte den landesweiten Negativrekord. Dort wurde der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter im Mittel der vergangenen 24 Stunden am Sonntag um ein Vielfaches überschritten und lag um 13 Uhr noch bei 115 Mikrogramm pro Kubikmeter. In Konstanz hatte die Belastung der Luft mit Feinstaub in der Silvesternacht zeitweise ebenfalls über dem Wert von 100 Mikrogramm pro Kubikmeter gelegen.

Schlecht für die Umwelt und den Mensch

Feinstaub gilt als gesundheitsgefährdend und schlecht für die Umwelt. Beim Abbrennen von Feuerwerk werden laut Umweltbundesamt im Jahr mehr als 2000 Tonnen Feinstaub freigesetzt – ein großer Teil davon in der Silvesternacht. Das sei knapp ein Prozent der insgesamt in Deutschland freigesetzten Feinstaubmenge pro Jahr. Das Einatmen von Feinstaub gefährde die Gesundheit und beeinträchtige die Atemwege.

Deshalb wird der Feinstaubanteil in der Luft überwacht. Wie ein Sprecher aus dem Landesumweltamt in Augsburg im Gespräch mit der LZ erklärt, darf nur an 35 Tagen im Jahr der Grenzwert überschritten werden. „Erst wenn das der Fall ist, schreiten wir ein“, so der Sprecher.

Auch wenn die Luftwerte sich wieder verbessert haben, geblieben ist der Müll dieser Silvesternacht. Kartons von Feuerwerksbatterien stapeln sich beispielsweise in Reutin vor den Wertstoffinseln. Der Kommentar einer Nutzerin auf Facebook: „2 Tage Durch-Knallen - alles möglich.“ Nur Aufräumen gehe nicht.

Böllerei ist anstregend für die Tiere

Bleibt zu hoffen, dass sich die Tiere inzwischen beruhigt haben. Für sie bedeutete das Feuerwerk Stress. Während draußen die Böller knallten, verkrochen sich verängstigte Haustiere oder suchten in Panik das Weite.

Die Tierarztpraxis von Barbara Zaltenbach berichtete auch dieses Silvester von ausgerissenen Hunden. Tiere, die durch Raketen verletzt wurden, musste sie in dieser Nacht aber nicht behandeln.