Dokumentarfilm
Ungewöhnliches Gipfeltreffen am Kilimandscharo: Warum dieser Dokumentarfilm begeistert
Lindau / Lesedauer: 6 min

Eigentlich war eine Doku von 30 Minuten geplant, herausgekommen ist ein spannender Dokumentarfilm in Spielfilmlänge: Der Beitrag von Michael Scheyer war die große Überraschung bei den Filmtagen Oberschwaben. Warum der Film des Bodolzer Regisseurs „Wie man auf den Kilimandscharo steigt – mit und ohne Krücken“ nicht nur Bergfreunde begeistert.
Die Luft ist dünn, der Atem schwer. Nur noch ein paar Schritte, dann ist der Gipfel erreicht. Dann hat Thomas Lämmle viel mehr geschafft, als den höchsten Berg Afrikas zu besteigen – und Hansi und seine Freunde aus Oberschwaben ihr größtes Abenteuer erlebt.
Im großen Saal des Lindauer Parktheaters ist es still. Die Zuschauer halten den Atem an, sie sind den sechs Menschen auf der Leinwand so nah, als wäre sie mit ihnen auf der Gipfeltour gewesen. Einige Zuschauer wischen sich Tränen aus dem Gesicht. Der Filmemacher Michael Scheyer hat sie auf eine unglaubliche Reise mitgenommen, die verschiedene Geschichten erzählt, aber nie den roten Faden verliert. Die manchmal zum Lachen, aber auch zum Weinen ist, die inspiriert und viel fürs Leben lehrt.
Nach dem Unfall noch einmal auf den geliebten Kilimandscharo
Alles rankt sich um den Kilimandscharo, diesen sagenumwobenen Traum aller Bergbegeisterten. Er ist es, der den einstigen Extrembergsteiger Thomas Lämmle mit Hansi, Hubert, Peter, Jens und Julia zusammenbringt. Thomas Lämmle hat noch eine Rechnung offen, mit dem Berg, den er schon zigmal bestiegen hat, und sich selbst.

Nach einem schweren Unfall mit dem Gleitschirm landete der Waldburger im Rollstuhl – mit dem Verdacht, nie wieder laufen zu können. Doch damit konnte er sich nicht abfinden. Er fing an, hart zu trainieren und setzte sich ein Ziel: noch einmal den geliebten Kilimandscharo besteigen. Die Gruppe, die er mitnimmt, war zuvor noch nie in diesen Höhen.
Zu ihr gehört auch Michael Scheyer, der über Lämmle und sein Schicksal als ehemaliger Reporter für die Schwäbische Zeitung berichtet hatte. Natürlich wollte er auch diese Tour dokumentieren. Eine Kamera, ein Objektiv, ein Filter, ein Mikrofon, 14 Akkus und zwei mobile Ladegeräte mussten reichen, um rund 30 Minuten Filmmaterial zusammenzubekommen. So dachte der 42-Jährige anfangs. Am Ende wurden es 108 kurzweilige Minuten.
Premiere bei den Filmtagen Oberschwaben
Der Film feierte am 14. Oktober in Ravensburg bei den Filmtagen Oberschwaben Premiere. Weil er so gut ankam, läuft er seitdem dort täglich im Kino. Am Donnerstag stellte ihn die Lindauer Zeitung im Parktheater vor.
Obwohl Michael Scheyer den Film schon unzählige Mal gesehen hat, sitzt er im Publikum. Er will sich das Heimspiel nicht entgehen lassen – und erleben, wie er auf die rund 50 Zuschauer wirkt.
„Pole, pole“: immer langsam
Unter ihnen sind einige erfahrene Bergsteiger, die selbst schon auf dem Kilimandscharo waren. Sie kennen die Route, aber auch die Höhen und Tiefen eines solchen Abenteuers. Für sie gibt es auch ein Wiedersehen mit einer atemberaubenden Landschaft, die von tropischem Regenwald bis hin zu karger Felslandschaft reicht.
Der Film macht aber auch denen Mut, die sich bisher noch nicht an so eine Herausforderung gewagt haben. Er zeigt, dass es jeder auf den Kili schaffen kann. Wenn man sich akklimatisiert, die richtige Atemtechnik nutzt und vor allem langsam macht: „Pole, pole“, eben.

Doch der Film fasziniert nicht nur Bergfreunde. Er lebt von den Menschen, die Scheyer mit feinem Gespür skizziert. Da ist Thomas Lämmle, der mit einer ungeheuren Kraftanstrengung dem Schicksal trotzt, sich Schritt für Schritt auf den Berg und in sein altes Leben kämpft.
Wenn der Mann, der noch 2016 im Alleingang den Mount Everest bezwungen und zwei Jahre später die zwei 8000er Makalu und Lhotse in einer Woche ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen hat, nun auf dem Po den Berg hinunterrutscht, zeigt das auch die Verletzlichkeit eines Menschen, der nicht mehr „der Behinderte“ sein will.
Über die Oberschwaben-Gang
Und dann sind da die anderen, Menschen wie Du und ich: Hansi, der auch auf der Tour nicht von der Zigarette lassen kann, Hubert, Peter, Jens. Die Gang aus Oberschwaben vertraut dem Mann hinter der Kamera so sehr, dass sie offen und ehrlich über das Abenteuer ihres Lebens erzählt.
So bekommen die Zuschauer das Gefühl, die Männer schon ewig zu kennen. Eine dürfte ihnen tatsächlich bekannt gewesen sein: Die einzige Frau in der Gruppe ist Julia Baumann, die Redaktionsleiterin der Lindauer Zeitung.
Doch Michael Scheyer gibt auch denen eine Stimme, ohne die solche Touren unmöglich wären: den Guides. Und erzählt, wie Thomas Lämmle die Menschen in Tansania mit seinen Touren und dem Verein „Friends of Extrek-Africa“ unterstützt.
Was nach der Dokumentation bleibt
Der Dokumentation gelingt das Kunstwerk, spannend zu unterhalten, aber auch zum Nachdenken anzuregen. Über das, was Willenskraft schafft, über Ziele im Leben, Freundschaft und Zusammenhalt, aber auch, wie Einzelne die Welt im Kleinen verändern können.

Als der Film endet, gibt es Applaus. „Der Film kann einem Mut machen für viele Lebensbereiche“, sagt ein Zuschauer. Eine Frau ergänzt „Es war keine Sekunde langweilig.“ Kinobesitzer Peter Basmann lobt Ton und Bild. „Hollywood macht das nicht besser.“ Eigentlich wollte er sich den Film gar nicht bis zu Ende anschauen. Doch dann konnte er nicht mehr gehen.
Der Kilimandscharo ruft wieder
Nach einem kurzen Talk mit LZ-Redakteurin Ronja Straub nutzen die Kinobesucher die Gelegenheit, mit Michael Scheyer ins Gespräch zu kommen. Er erzählt von der „richtig coolen Truppe“ und der euphorischen Stimmung, die sie befiel, nachdem sie endlich auf dem Gipfel waren. Doch auch wenn der Film so „leichtfüßig“ daher komme: Thomas Lämmle musste bei seinem Leidensweg auch viele Frustphasen durchstehen, betont der Filmemacher. Nachdem Lämmle mit Krücken den Kilimandscharo bestiegen hatte, sei er in eine schwere Depression gefallen.
Der Bergsteiger hat den Film im Kino noch nicht gesehen. Er plant gerade seine nächste Reise nach Tansania. Den Kilimandscharo hat er inzwischen schon drei Mal wieder bestiegen.