Rücktritt
Achbergs Bürgermeister erklärt die Hintergründe seines Rücktritts
Lindau / Lesedauer: 6 min

Schwäbische.de
Seit 23 Jahren ist Johannes Aschauer Bürgermeister der Gemeinde Achberg . Jetzt hat er auf der jüngsten Gemeinderatssitzung am Donnerstag überraschend seinen Rücktritt bekannt gegeben und erklärt, warum er sich zum 1. November dieses Jahres in den Ruhestand versetzen lässt. Dies tut er aus gesundheitlichen Gründen und ein halbes Jahr, bevor seine dritte Amtszeit zu Ende gewesen wäre.
Die Fassungslosigkeit steht ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. Als Johannes Aschauer am Donnerstag auf der Gemeinderatssitzung dazu ansetzt, seinen Rücktritt öffentlich zu begründen, um, wie er sagt, bereits kursierenden Gerüchten und Mutmaßungen entgegenzutreten, hängt in der Achberghalle der bedrückende Schleier einer unschönen Stimmung.
Auslöser war die Sammelaktion nach dem Großbrand
„Auslöser ist der Brand der Zimmerei Trautwein am 9.4.2020 und die anschließende Sammelaktion auf den vom Ruß verunreinigten Flächen“, liest Johannes Aschauer von einem vorbereiteten Blatt, und wird bis zur letzten Zeile seiner zwei Seiten umfassenden Erklärung mit keiner Silbe von seinen Aufzeichnungen abweichen.
Darin erläutert er, dass acht Achberger eine anonyme Dienstaufsichtsbeschwerde beim Landratsamt Ravensburg eingereicht hätten, worin sie Aschauer vorgeworfen haben „in einer absolut wahnsinnigen Aktion 250 Helfer beim Sammeln von Rußklumpen einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt zu haben“.
Doch die Vorwürfe gehen noch weiter. Die Ankläger behaupten, dass der Bürgermeister dabei die Corona-Sicherheitsregelungen missachtet habe und nicht nur das Leben der 250 Sammler, sondern auch das deren Familien und sogar das von allen Achbergern, gefährdet habe. Zur Erinnerung: Einen Tag nach dem Brand bei der Zimmerei hatte Aschauer über die sozialen Medien um die Hilfe der Achberger gebeten. Daraufhin hatten 250 Bürger geholfen, die mutmaßlich belasteten Rußklumpen von den angrenzenden Futterwiesen einzusammeln.
Aus Dienstaufsichtsbeschwerde hätte eine Strafanzeige werden können
Grundsätzlich, so erklärte Aschauer weiter, hätte es wegen der Schwere der Vorwürfe nicht bei einer Dienstaufsichtsbeschwerde bleiben dürfen. Vielmehr hätte daraus eine Strafanzeige werden müssen. Allein die Tatsache, dass die Ankläger ihre Namen nicht nennen wollten, habe dies verhindert. „Die Anonymität wird damit begründet, dass meine Reaktionen bekanntermaßen impulsiv und unangemessen seien und zu Ausgrenzung und Repressalien gegenüber meinen Kritikern führen würden“, sagte Aschauer weiter.
Landratsamt sieht kein Fehlverhalten
Mittlerweile habe das Landratsamt die Vorwürfe geprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass „weder für die Durchführung der Sammelaktion noch für die Einhaltung der Corona-Verordnung ein mir persönlich vorwerfbares Fehlverhalten festzustellen ist.“
Bürgermeister Johannes AschauerIch gehe davon aus, dass den anonymen acht Beschwerdeführern diese Konsequenzen bewusst waren und dass diese Konsequenzen auch gewollt waren. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern offensichtlich um Personen, die mich extrem verachten und meine Existenz ruinieren wollen.
Wäre diese Überprüfung jedoch anders ausgefallen, hätte dies ein disziplinarrechtliches Verfahren und ein Strafverfahren zur Folge gehabt, deren negativer Ausgang Aschauer seine Altersbezüge gekostet hätte. „Ich gehe davon aus, dass den anonymen acht Beschwerdeführern diese Konsequenzen bewusst waren und dass diese Konsequenzen auch gewollt waren. Es handelt sich bei den Beschwerdeführern offensichtlich um Personen, die mich extrem verachten und meine Existenz ruinieren wollen“, zieht Aschauer daraus sein Fazit.
Diese Vermutung wiederum rufe bei ihm „erhebliche seelische Probleme“ hervor, die sich in körperlichen Reaktionen niederschlügen. Zudem kämpfe er mit der Angst um die Frage, was diese Gruppe als nächstes mit ihm vorhabe.
Bürgermeister Johannes AschauerDie Angelegenheit totschweigen und ein Jahr so weitermachen, als wäre nichts geschehen, das würde mich innerlich zerfressen.
Deswegen, und weil er auch das Vertrauen in die Mitbürger verloren habe, könne er sein Amt nicht mehr uneingeschränkt ausüben. „Ich kenne mich selbst nicht mehr.“ Verschiedene Auseinandersetzungen während seiner gesamten Amtszeit hätten bereits seine Gesundheit stark strapaziert, weswegen er jetzt die Reißleine ziehen müsse. Denn: „Die Angelegenheit totschweigen und ein Jahr so weitermachen, als wäre nichts geschehen, das würde mich innerlich zerfressen.“
Wahl eines neuen Bürgermeisters am 6. September
„Das ist also die Geschichte. Ich bin nach wie vor fassungslos“, sagte Aschauer in freier Rede am Ende seiner Begründung und kündigte den Termin für die Wahl eines neuen Bürgermeisters für den 6. September an. Sollte es eine Stichwahl geben, würde diese am 20. September stattfinden.
Der Ausschreibungstermin ist der 29. Juni. Von da an bis zum 11. August läuft die Bewerbungsfrist. „Ich hoffe, dass sich trotz dieser Situation genügend fähige Bewerber melden“, sagte Aschauer und versicherte, dass er bis zum 1. November zusammen mit dem Gemeinderat und der Verwaltung den Amtswechsel vorbereiten werde. Sollte sich allerdings kein Nachfolger finden, so machte Aschauer deutlich klar: „Ich stehe als Amtsverweser nicht zur Verfügung.“
23 Jahre lang Bürgermeister
Mit seinem Rücktritt beendet Aschauer seine reguläre Amtszeit ein halbes Jahr vor der eigentlichen Wahl im März 2021. Insgesamt wird der 64-Jährige dann 23 Jahre lang Bürgermeister der Gemeinde gewesen sein. Und er wird ein Bürgermeister gewesen sein, der polarisiert hat, auch weil er anders ist als andere Bürgermeister. Vielleicht haben ihn aber genau deshalb vor sieben Jahren knapp 72 Prozent der Wähler zum dritten Mal zu ihrem Bürgermeister gewählt.
Und das, obwohl sie mit Klaus Wirthwein als Gegenkandidaten eine Alternative gehabt hätten. Wirthwein war es denn auch, der für Aschauers Rücktritt „kurz vor dem Ende ihrer Amtszeit“ kein Verständnis hatte. Er appellierte an Aschauer, diese auslaufen zu lassen und seine Gesundheit zu schützen, indem er sich vom Tagesgeschäft zurückziehe und diese seinen Stellvertretern übergebe. „Das Martin-Grieser-Haus ist eine Riesenbaustelle. Das ist wie ein Davonlaufen für mich“, sagte Wirthwein und ergänzte: „Das letzte halbe Jahr geht auch noch rum. Überlegen Sie es sich nochmal.“
Kein Zweifel an seiner Entscheidung
Aschauer ließ allerdings keinen Zweifel an seiner Entscheidung. Als Antwort verlas er noch einmal den Satz: „Die Angelegenheit totschweigen und ein Jahr so weiter machen als wäre nichts geschehen, das würde mich innerlich zerfressen.“
Abgesehen von den bedauernden Reaktionen des vorab informierten Gemeinderates, kam es bereits am Freitagmorgen zu ersten Reaktionen höherer Stellen.
So erreichte ein Schreiben die Redaktion, worin Landtagsabgeordneter Raimund Haser Aschauer zwar sein Verständnis ausdrückt, ihm Respekt für seinen Entschluss zollt, ihn als Mensch und Bürgermeister würdigt, gleichzeitig aber auch einen Trend anspricht, dem nicht wenige Politiker in ganz Deutschland ausgesetzt sind. Nämlich den unschönen Umgang der Bürger mit ihren Kommunalpolitikern.