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Erinnerung wachhalten

Claudia Alfons erinnert am Volkstrauertag an die Opfer der Kriege

Lindau / Lesedauer: 5 min

Lindaus Oberbürgermeisterin ruft „historische Verantwortung“ ins Gedächtnis. Simeon und Nathan vom Bogy haben das Schicksal vieler junger Ukrainer vor Augen.
Veröffentlicht:19.11.2023, 18:00

Von:
  • Christian Flemming
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„Wir müssen die Erinnerung wachhalten, damit die Opfer nicht in Vergessenheit geraten“, mit dieser Mahnung hat Oberbürgermeisterin Claudia Alfons bei der Gedenkstunde zum Volkstrauertag vor der Peterskirche dazu aufgerufen, was schon der Schriftsteller Erich Kästner dereinst gesagt hat: „Die Vergangenheit muss reden, und wir müssen zuhören. Vorher werden wir und sie keine Ruhe finden.“

Wie wahr diese Sätze sind, zeigen laut Alfons einerseits die erfolgreichen Partnerschaften ‐ etwa zwischen Lindau und der französischen Stadt Chelles, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Freundschaft zwischen zwei vorher verfeindeten Völkern gebracht hatte. Andererseits die aktuellen Kriege in der Ukraine und nun auch noch im Nahen Osten.

„Deutliches Zeichen gegen das Vergessen“

Letzterer hat auch hierzulande Folgen. Claudia Alfons mahnte daher an, „dass wir für den Schutz jüdischen Lebens eintreten. Das ist unser aller Pflicht und Verantwortung“. Es sei unerträglich, dass Jüdinnen und Juden heute in Deutschland wieder in Angst leben müssten.

Wir alle, die wir hier in der Sicherheit des deutschen Staates leben, stehen in der historischen Verantwortung, dass Jüdinnen und Juden in den Städten und Straßen unseres Landes nie wieder Leid widerfahren darf, 

so die Oberbürgermeisterin, die damit diesen Satz, den sie bei der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht schon so gesagt hatte, noch einmal wiederholte.

Mit der Gedenkfeier zum Volkstrauertag „setzen wir ein deutliches Zeichen gegen das Vergessen. Ein Zeichen und Ansporn zugleich, dass wir uns für eine friedliche und gerechte Welt einsetzen“, so Alfons weiter.

Nicht an die Anwesenheit von Krieg gewöhnen

Ins Gedenken an die Opfer beider Weltkriege schloss sie all die unschuldigen Opfer des russischen Überfalls in die Ukraine, in Israel, im Gazastreifen und überall auf der Welt mit ein, „denn der Krieg war nie weg, in den letzten Jahren wird er nur für uns wieder präsenter“. Der Krieg zeige „seine hässliche Fratze, und wir dürfen uns nicht an seine Anwesenheit gewöhnen. Wir müssen immer sehen, was Krieg ist ‐ ein Verbrechen gegen die Menschheit“, so Claudia Alfons.

Seit vielen Jahren ist es Tradition, dass vom Bodenseegymnasium Textbeiträge zum Volkstrauertag verfasst und vorgetragen werden. In diesem Jahr fiel dem Siebtklässler Simeon Kojic und Nathan Dziurawiec diese Aufgabe zu, Gedanken zum Thema Teilhabe vorzutragen, an denen Franz Wernecke maßgeblich als Autor mitgearbeitet hat.

Ziel: Ausgrenzung, Hass, Rassismus vorbeugen

So beschrieben sie Teilhabe, wie sie am Bodenseegymnasium (Bogy) leben und ermöglichen am Beispiel vieler junger Menschen, die nach dem Überfall Russlands in die Ukraine als Geflüchtete nach Lindau gekommen sind und damit auch ans Bogy. „Der plötzliche Verlust von vertrauten Menschen und ihrer liebgewonnenen Heimat hatte sie entwurzelt. Daher haben sich schnell Patinnen und Paten gefunden, die die ukrainischen Kinder beim Einleben in unsere Gemeinschaft unterstützt haben“, berichten die beiden.

Viele von ihnen wollten baldmöglichst Deutsch lernen, um ihre Isolation zu überwinden und an der Schulgemeinschaft, aber auch an der Gesellschaft teilhaben zu können. „Wir sehen das noch immer als unsere Aufgabe, diesen Prozess zu unterstützen.“ Wobei nicht wenige es mittlerweile geschafft hätten, „mit uns den Unterricht in den Regelklassen zu besuchen“. Viele in der Schule hätten sich bemüht, durch eine Willkommenskultur die ukrainischen Mitschülerinnen und Mitschüler an der Schulgemeinschaft teilhaben zu lassen ‐ ein probates Mittel, Ausgrenzung, Hass und Rassismus vorzubeugen.

Sorge um eine neuerliche „dunkle Zeit“

Denn genau diese Faktoren hätten 1933 zum bisher größten Völkermord der Geschichte geführt: Deutschland und das Dritte Reich. „Wenn wir es zulassen, dass immer mehr rechtsextreme Gruppierungen aus dem Boden schießen und vehement zur Abschiebung von Schutzsuchenden aufrufen“, oder es auch Parteien im deutschen Bundestag gäbe, die konsequent alle Ausländer loswerden wollten, führe es genau wieder in eine solche dunkle Zeit.

Am Bogy fand Ende des vergangenen Schuljahres ein großes Fest der Kulturen statt, so die beiden, „das uns die große Vielfalt in den Herkunftsländern unserer Mitschülerinnen und Mitschüler schillernd vor Augen geführt hat. Wir durften alle an der kulturellen Vielfalt, die an unserer Schule herrscht, teilhaben und uns daran freuen“, geben Simeon und Nathan weiter.

Kennenlerntage als guter Anfang

Auch für die Teilhabe der Schülerinnen und Schülern der fünften Klassen werde viel getan. „Es gibt Tutorinnen und Tutoren, aber auch Patinnen und Paten, die alle dabei helfen, dass die Neuen sich schnell in unsere Schule einfinden und teilhaben können an dem, was wir an unserer Schule schätzen.“ Dabei halfen auch Kennenlerntage.

Grundgesetz wird demnächst 75

„Es sollten aber noch mehr Begegnungsmöglichkeiten im Schulalltag und auch außerhalb der Schule geschaffen werden, denn nur im Austausch, in vertrauensvoller Kommunikation, im gemeinsamen Spiel entsteht ein Zugehörigkeitsgefühl, ein echtes Miteinander“, so die beiden Bogyaner, die daran erinnerten, dass nächstes Jahr „unser Grundgesetz seinen 75. Geburtstag feiert und das Bogy in vielfältigen Aktionen und Ausstellungen daran erinnern wird, um den Wert unserer großartigen Verfassung für die ganze Schulgemeinschaft erfahrbar zu machen. Im Artikel 1 heißt es: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieses Manifest ist uns Aufruf und Mahnung zugleich.“

Die Feierstunde wurde vom Musikverein Reutin stimmungsvoll umrahmt. Bei der anschließenden Kranzniederlegung am Grab des unbekannten Soldaten in der Peterskirche erfreute die Eintracht Liederhort mit einer gelungenen Darbietung und Liedauswahl, Pfarrerin Margit Walterham sprach ein Friedensgebet des katholischen Frauenbundes.