Aus Sicherheitsgründen
Zu gefährlich? Historische Ufermauern bekommen Geländer
Lindau / Lesedauer: 4 min

Yvonne Roither
Die Stadt muss dringend sparen. Jetzt gibt sie außerplanmäßig 235.000 Euro aus, um Lindaus Ufer abzusichern. Über ein Gutachten, das zum Handeln drängt.
Das Thema sollte ursprünglich gar nicht öffentlich im Stadtrat diskutiert werden. Erst nachdem einige Stadträte darauf bestanden hatten, kam es auf die Tagesordnung.
Zur Vorgeschichte: Die Stadt hatte ein Gutachten in Auftrag gegeben, das überprüfen sollte, wie sicher Lindaus Badestellen sind. Auslöser waren wohl „mehrere Vorfälle“, wie Pius Hummler, Chef der Garten– und Tiefbaubetriebe Lindau (GTL), sagt.
Einer davon war ein Unfall auf der Hinteren Insel, als ein Badegast auf den Stufen ausrutschte und sich dabei schwer an der Hand verletzte.
Dieses Urteil schreckt Kommunen auf
Dass so etwas schwerwiegende Folgen haben kann, zeigte ein Unfall in Hessen, der die Kommunen in ganze Deutschland aufschrecken ließ: Nachdem drei Kinder in einem Dorfteich ertrunken waren, wurde der Bürgermeister wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen verurteilt. Denn die Kommune hat eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht.
In Lindau haben die Gutachter den gesamten Uferbereich unter die Lupe genommen und Handlungsempfehlungen ausgesprochen, wie man diesen sichern kann, berichtete Hummler.
Geländer zur Absturzsicherung an der historischen Ufermauer und zusätzliche Grünstreifen als trennendes Element seien unter anderem vorgeschlagen worden. Kostenpunkt: 235.000 Euro. Geld, das die Stadt nicht eingeplant hat.
Alles nur Panikmache?
Die große Frage war nun: Können die Stadträte es riskieren, diese Empfehlungen zu ignorieren, wo die Schwachstellen nun Schwarz auf Weiß festgehalten sind? Im Werkausschuss hatte sich nur eine knappe Mehrheit mit 7:6 für die Sicherung des Ufers ausgesprochen. Auch im Stadtrat waren die Maßnahmen umstritten.

Claudia Mayer (CSU) ärgert sich darüber, dass mit der Haftungsfrage „Angst und Schrecken“ verbreitet werde. Sie würde es auf einen Rechtsstreit ankommen lassen, anstatt „Absperrgitter“ anzubringen. Ulrich Schöffel (BU) will die Maßnahme aufschieben. Weil sie viel Geld koste und die historischen Ufermauern irgendwann ohnehin saniert werden müssten.
Das vorab zu machen, sei „reiner Blödsinn“. Auch Max Strauß (BL) bezweifelt den Sinn: Selbst wenn überall Geländer wären, hieße das nicht, dass Kinder nicht reinfallen. „Man kann doch auf eigene Gefahr an dieser Ufermauer vorbeigehen.“
Da hilft der „gesunde Menschenverstand“ nicht weiter
Ulrike Lorenz–Meyer (BL) erinnerte ausdrücklich noch einmal an den Stadtratsbeschluss bei der Verabschiedung des Haushalts, dass alles übrige Geld in die neue Mittelschule fließen solle. Auch Günther Brombeis (FB) würde das Geld lieber in die Schulen investieren — es gebe dort „viele Projekte, wo es um die Sicherheit der Kinder geht“, sagt er. Oberbürgermeisterin Claudia Alfons hielt dem entgegen, dass die Verkehrssicherung eine Pflichtaufgabe der Stadt sei.
Jürgen Müller (LI)Durch das Gutachten sind wir in eine dumme Geschichte reingeraten, die nicht nötig war.
Wird die Stadt nun die Geister, die sie rief, nicht mehr los? Jetzt, wo es vorliege, sei man „gut beraten, sich auf das Gutachten zu verlassen“, mahnte die Juristin und Hauptamtsleiterin Tanja Bohnert. Sonst würde man sich „wider besseren Wissens“ über Experten hinwegsetzen. Das sieht auch Angelika Rundel (SPD) so: „Man kann das nicht nur mit dem gesunden Menschenverstand betrachten, sondern muss es nach den rechtlichen Vorschriften beurteilen.“
Tragischer Unfall auf dem Waldspielplatz als abschreckendes Beispiel
„Durch das Gutachten sind wir in eine dumme Geschichte reingeraten, die nicht nötig war“, meinte Jürgen Müller (LI). Und auch Günther Brombeis sagte, dass man zukünftig „viel vorsichtiger“ sein sollte, wenn Gutachten in Auftrag geben werden.
GTL–Chef Hummler sieht das anders: Die Stadt sei in der Pflicht, „ob wir nun ein Gutachten haben oder nicht“. Es gehe dabei nicht um irgendwelche Versicherungsfragen, stellte Alfons nochmal klar: „Da geht es um die persönliche Haftung.“
„Ich bin dafür verantwortlich, meine Mitarbeiter zu schützen“
Matthias Kaiser (BL) erinnerte an den tragischen Unfall 2010 auf dem Waldspielplatz in Lindau. Damals war ein 14–Jähriger von einem umstürzenden Baum erschlagen worden, an dem ein Kletternetz befestigt war. „Da waren die Stadtgärtner vor Gericht“, sagte Kaiser. Pius Hummler will so etwas nicht erleben: „Ich bin dafür verantwortlich, meine Mitarbeiter zu schützen.“
Am Ende stimmen die Stadträtinnen und Stadträte 15:12 für die Sicherungsmaßnahmen.