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Bürgermeister im Interview

Nach anonymem Hinweis: Denkmalamt besichtigt Hergensweiler Rathaus

Hergensweiler / Lesedauer: 5 min

In Hergensweiler stehen mit dem Neubau von Kindergarten und Rathaus große Herausforderungen an. Bürgermeister Wolfgang Strohmaier berichtet, was sonst noch ansteht.
Veröffentlicht:16.02.2023, 15:00

Von:
  • Schwäbische.de
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In Hergensweiler stehen mit dem Neubau von Kindergarten und Rathaus große Herausforderungen an. Yvonne Roither hat sich darüber mit Bürgermeister Wolfgang Strohmaier unterhalten. Er verrät auch, warum sich das Landesamt für Denkmalpflege das Rathaus noch einmal angeschaut hat.

Der Kindergarten-Neubau ist mit 7 Millionen Euro eine sehr große Investition für Hergensweiler. Ist Ihnen bei dem Projekt auch etwas mulmig zumute?

Es stimmt, das ist für eine kleine Gemeinde schon eine stattliche Größenordnung. Der Umbau der Grundschule oder der Bau der Leiblachhalle waren in der Vergangenheit aber auch unglaubliche Investitionen, die Hergensweiler gemeistert hat. Jetzt freuen sich alle darauf, das Kindergarten-Projekt anzugehen. Die wenigsten haben Bedenken, so viel Geld in die Hand zu nehmen.

Wir müssen überlegen, wo wir die Kinder während der Bauphase unterbringen.

Bürgermeister Wolfgang Strohmaier

Finanziell steht die Gemeinde ja auch gut da ...

Wir bedienen momentan noch einen Kredit aus dem kommunalen Wohnungsförderungsprogramm. Mit dem Neubau des Kindergartens machen wir Schulden, aber die Verschuldung mit 70 Euro pro Person ist nichts gegen unsere Rücklagen. Da macht mir die logistische Herausforderung mehr Kopfzerbrechen. Wir müssen überlegen, wo wir die Kinder während der Bauphase unterbringen.

Es gab verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Warum ist der Kindergarten-Neubau aus Ihrer Sicht die richtige Entscheidung?

Ich bin überzeugt, dass wir mit dem Neubau auf dem alten Gelände für die nächsten Jahrzehnte gerüstet sind. In der zweigeschossigen Kita können wir vier Kindergarten- und zwei Krippengruppen sowie entsprechende funktionale Räume unterbringen. Ich rechne damit, dass die Gruppen nicht gleich ganz voll sind, so dass wir auch für die Zukunft gerüstet sind.

Wie geht es jetzt konkret weiter?

Das ist ein mehrstufiges Verfahren. Wir müssen schon für die Architektenleistungen eine europaweite Ausschreibung vornehmen und brauchen einen Verfahrensbetreuer. Momentan suchen wir nach geeigneten Büros. Wir wollen möglichst bald in diesem Jahr mit der Ausschreibung und Vergabe starten.

Bis wann soll der Kindergarten fertig sein?

Es wäre toll, wenn die Kinder im Kindergartenjahr 2026/2027 einziehen könnten.

Die Gemeinde beschäftigt noch ein zweites großes Projekt, das Rathaus. Sie hatten schon die Baugenehmigung für die Sanierung – und nun soll es doch abgerissen werden. Das gefällt nicht allen Hergensweilerern. Wie erleben Sie die Stimmung im Dorf?

Das Rathaus ist ein Dauerbrenner. Schon 2013 gab es dazu erste Planungen, sie wurden aber immer wieder verschoben, weil es wichtigere Investitionen gab. In der Bevölkerung gibt es aktuell dazu beide Meinungen, die einen befürworten den Neubau, die anderen wollen das alte Rathaus behalten und sanieren.

Viele Bürger fühlen sich mit diesem Gebäude verbunden. Diese Entscheidung hat sich keiner leicht gemacht. Heizung, Elektrik und Sanitäranlagen sind alt. Niemand von uns braucht Luxus, aber ich halte, wie die Mehrheit des Gemeinderats, eine zukunftsgerichtete Lösung für sinnvoll.

Einige Bürger waren überrascht, weil sie das Rathaus für denkmalgeschützt hielten.

Nicht alles, was alt ist, ist auch denkmalwürdig. Am Rathaus wurde immer wieder etwas dazu gebaut, es gibt wenig erhaltenswerte Substanz. Das ist ein gravierender Unterschied zu unserem Bahnhof, der zum Glück unter Denkmalschutz steht und jetzt ein Schmuckstück ist.

Bei einem Neubau können wir das Rathaus durchaus passend zum Dorf gestalten.

Bürgermeister Wolfgang Strohmaier

Was manche nicht beachten: Wenn das Gebäude komplett entkernt wird, sieht es hinterher auch anders aus. Bei einem Neubau können wir das Rathaus durchaus passend zum Dorf gestalten. Auch ein blau-geschindeltes Rathaus ist machbar.

Aber das reicht nicht allen ...

Offensichtlich. Jemand hat sich anonym an das Landesamt für Denkmalpflege gewandt. Deswegen hatte ich erst kürzlich eine Begehung mit dem Amt und warte auf das Ergebnis. Mal sehen, was nun passiert.

Das heißt, die weitere Planung für einen Neubau stoppt momentan?

Nein, wir gehen weiter den Weg und arbeiten im Moment an der Raumplanung.

Was für Herausforderungen warten auf Hergensweiler in diesem Jahr noch?

Wir müssen uns damit beschäftigen, wie wir Wohnungen zu vernünftigen Preisen und seniorengerechtes Wohnen auf den Weg bringen. Wir denken über eine Seniorenanlage nach, noch sind das lose Überlegungen, aber das wird sich im Laufe des Jahres präzisieren.

Außerdem wollen wir die Flächen innerhalb unseres Gemeindegebiets daraufhin prüfen, ob sie für Freiflächenphotovoltaik geeignet sind. Das heißt nicht, dass wir das gleich umsetzen wollen, wir schaffen erst die bauleitplanerischen Voraussetzungen dafür. Außerdem prüfen wir weiterhin, ob wir ein kleines Fernwärmenetz im Ortskern errichten können, an das Grundschule, Kindergarten und Leiblachhalle angeschlossen werden.

In Hergensweiler fehlt schon seit Jahren ein Arzt. Wie ist der aktuelle Stand dazu?

Wir sind nach wie vor dran. Da Hergensweiler von der Kassenärztlichen Vereinigung zum Bereich Lindau gezählt wird und Lindau rechnerisch als überversorgt gilt, sind Neuzulassungen unmöglich.

Es ginge aber, dass ein bereits niedergelassener Arzt bei uns eine Filiale eröffnet. Ich habe auch schon mit Ärzten gesprochen, die sich so etwas in Hergensweiler vorstellen könnten. Ein Arzt braucht aber auch Räumlichkeiten, sonst gibt es keine Perspektiven. Das müssen wir bei der Stadtplanung im Auge behalten.

Sie leben weiterhin in Lindau. Wäre es für einen Bürgermeister nicht von Vorteil, im Dorf zu wohnen?

Ich habe schon im ersten Wahlkampf gesagt, dass ich in Lindau wohnen bleibe, und daran ändert sich auch nichts. Das hat familiäre Gründe. Damals musste ich mich um meine inzwischen verstorbene Mutter kümmern. Inzwischen wohnt meine Frau in Dornbirn, und wir haben zwei Domizile. Das ist kein Nachteil für meine Arbeit.

Ich bin zwar nicht jeden Abend in Hergensweiler und sehe vielleicht nicht jede Laterne, die kaputt ist. Aber wenn etwas passiert, bin ich in kurzer Zeit da. Und auch sonst suche ich den Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern, gehe regelmäßig zu Generalversammlungen wie zum Seniorennachmittag. Das ist alles ganz entspannt.