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Ärger wegen offener Stelle

Hergensweilers Bürgermeister platzt wegen Stiftung Liebenau der Kragen

Hergensweiler / Lesedauer: 7 min

Bei den „Lebensräumen für Jung und Alt“ ist eine Stelle seit Monaten unbesetzt, sehr zum Leidwesen älterer Menschen. Der Bürgermeister erhebt Vorwürfe. Was die Stiftung dazu sagt.
Veröffentlicht:15.09.2023, 12:28

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Emotionales Ende der Bürgerversammlung in Hergensweiler: Vor rund 80 Bürgern macht Bürgermeister Wolfgang Strohmaier seinem Ärger über die Zusammenarbeit mit der Stiftung Liebenau Luft.

Denn bei den „Lebensräumen für Jung und Alt“ läuft es offenbar nicht so, wie es sollte. Welche Vorwürfe der Bürgermeister erhebt — und was die Stiftung Liebenau dazu sagt.

Das Thema liege ihm sehr am Herzen und sei zugleich ein „Riesenärgernis“, so der Bürgermeister am Montagabend. Die „Lebensräume für Jung und Alt“ sind eine generationsübergreifende Wohnform für Senioren, für Alleinstehende, Paare, Alleinerziehende oder junge Familien. Neben Hergensweiler gibt es das Konzept noch in vielen anderen Kommunen.

Als „Herz“ der Wohnanlage bezeichnet die Stiftung auf ihrer Internetseite die so genannten Gemeinwesenarbeiter. Sie sollen Bindeglied sein zwischen den Bewohnern, gemeinsame Aktivitäten sowie die Nachbarschaftshilfe fördern, Ehrenamtliche einbinden und sich um die Vernetzung in diesem Wohnquartier kümmern.

Stelle nicht besetzt — aber finanzielle Beteiligung gewünscht

Darüber hinaus sollen sie im Sozialraum Kurse und Veranstaltungen für alle älteren Bürger der Gemeinde zu verschiedenen Themen anbieten — und sich auch mit der Gemeinde, insbesondere mit der Seniorenbeauftragten, vernetzen. Aber wo keiner ist, könne auch niemand etwas vernetzen, so Strohmaier. Das Problem: Die Stelle ist in Hergensweiler nicht besetzt.

Gerade die älteren Leute, die in das Haus gezogen sind, weil sie sich Unterstützung im Alltag erhofft hatten, seien völlig auf sich allein gestellt, so der Bürgermeister.

Rund 80 Menschen kommen zur Bürgerversammlung in Hergensweiler. (Foto: Susi Donner)

Die letzte, die am 1. Februar dieses Jahres die Stelle als Gemeinwesenmitarbeiterin angetreten hat, hatte in einer Gemeinderatssitzung im März, in der sie sich und ihre Pläne hätte vorstellen sollen, das Konzept „Lebensräume für Jung und Alt“ in Hergensweiler für gescheitert erklärt — und das Fehlen jeglicher Unterstützung seitens der Stiftung Liebenau beklagt. Sie war danach sehr schnell wieder verschwunden. Eine Nachfolgerin kam bislang nicht.

Grundsätzlich sei die Stelle in den vergangenen 24 Jahren sehr wechselhaft und selten zufriedenstellend besetzt gewesen, so Strohmaier. Die Anwesenheit mancher Gemeinwesenarbeiter sei überhaupt nicht zu spüren gewesen.

Ich bin der Meinung, dass dies ein gemeindlicher Raum ist.

Bürgermeister Wolfgang Strohmaier

Im Gegenzug habe die Stiftung Liebenau bereits 2014 den Antrag gestellt, dass sich die Gemeinde Hergensweiler am Defizit, das diese Stelle verursache, finanziell beteilige. Schon damals hätten er und der Gemeinderat gesagt: „Wir können gern darüber reden, wenn Sie uns sagen, was diese Person grundsätzlich, und was sie für die Gesellschaft macht. Nur dafür, dass sie im Büro sitzt, muss die Gemeinde Hergensweiler nichts bezahlen.“ Schließlich sei im Grundlagenvertrag sogar vereinbart worden, dass die Bewohner einen 24–Stunden–Service bekommen.

Erst kürzlich habe die Stiftung wieder nach einer finanziellen Beteiligung der Gemeinde gefragt. In Anbetracht der Tatsache, dass die Stelle aktuell überhaupt nicht besetzt ist, sei das eigentlich eine Frechheit, so der Bürgermeister.

Ein Problem sei auch der Sozialraum, der zu den „Lebensräumen für Jung und Alt“ gehört und über die Stiftung Liebenau vermietet werde. „Wir sind vom Bewohnerbeirat der Lebensräume angesprochen worden, der möchte, dass der Raum der Gemeinde frei zur Verfügung steht, weil er meist abgeschlossen vor sich hin kümmert“, so Strohmaier.

Die diesbezügliche Nachricht an die Stiftung Liebenau sei unbeantwortet geblieben. „Ich habe den Bewohnern aber gesagt, sie sollen dort ruhig ihre Geburtstage feiern“, erklärt der Bürgermeister. „Ich bin der Meinung, dass dies ein gemeindlicher Raum ist.“ Schließlich gehöre das Gebäude der Gemeinde. „Für uns ist jeder Veranstaltungsraum wertvoll und wir wollen, dass er genutzt wird.“

Er kenne andere Gemeinden, in denen es mit der Stiftung Liebenau gut laufe. „Aber wir sind eine der kleinsten ihrer Einrichtungen und es scheint, dass wir für sie nicht mehr interessant sind, sondern nur noch ein Klotz am Bein.“

Ab November soll die Stelle wieder besetzt sein

Günther Knaus wohnt seit etwa eineinhalb Jahren in den „Lebensräumen für Jung und Alt“. Im Gespräch am Rande der Bürgerversammlung sagt auch er, dass es in der Wohnanlage keine Hilfe vonseiten der Stiftung Liebenau gebe.

Er erzählt von einer Bewohnerin, die 88 Jahre alt ist, und die ihren 96–jährigen Mann dort zu Hause versorgt. Die Frau brauche Unterstützung bei Anträgen. Und Ratschläge, wie es mit der Pflege weiter gehen könnte, weil sie es kaum mehr schaffe. „Es wäre sehr wichtig, dass wir eine Sozialarbeiterin im Haus hätten“, sagt Knaus. „Die Leute werden ja immer älter. Aber die Bewohner sind wirklich auf sich gestellt.“

Der relativ geringe Stellenumfang für die Betreuung der 15 Wohneinheiten erleichtert jedoch nicht die Suche.

Ulrich Dobler, Stiftungssprecher

Die Stiftung Liebenau antwortet auf Anfrage der LZ ausführlich. Die Stelle in Hergensweiler sei nicht schwieriger zu besetzen als andere Fachkräftestellen in anderen Gemeinden, schreibt Pressesprecher Ulrich Dobler. „Der relativ geringe Stellenumfang für die Betreuung der 15 Wohneinheiten erleichtert jedoch nicht die Suche.“ Die Gemeinwesenarbeit in Hergensweiler habe einen Stellenumfang von acht Wochenstunden, so Dobler auf Nachfrage der LZ.

Doch er habe eine gute Nachricht: „Ab Anfang/ Mitte November wird eine neue Kollegin die bislang vakante Stelle der Gemeinwesenarbeit voraussichtlich wieder besetzen.“

Stiftung Liebenau: Alle Standorte gleich wichtig

Grundsätzlich entstehe durch die Gemeinwesenarbeit durchaus ein Mehrwert für die jeweilige Kommune, so Dobler, der allerdings auch einräumt: „Voraussetzung hierfür ist eine enge Kooperation mit den Kommunen sowie eine kontinuierliche Besetzung der Stelle. Dies ist uns in Hergensweiler in den vergangenen Monaten aufgrund von zwei Personalwechseln nicht gelungen.“

Dobler betont, dass vonseiten der Stiftung keine Unterschiede in der Wichtigkeit einzelner Standorte gemacht würden. „Der unglückliche Eindruck, den Herr Strohmaier fälschlicherweise gewonnen hat, kann möglicherweise durch den Doppelwechsel bei der Gemeinwesenarbeit entstanden sein.“

Bereits vor einigen Wochen habe es einen Austausch vor Ort gegeben, „um die aktuelle Situation gemeinsam anzuschauen und einen Weg für die Zukunft zu finden“. Eingeladen und beteiligt gewesen seien die Gemeinde Hergensweiler, Eigentümer und Mieter aus der Wohnanlage.

Was die Finanzierung der Gemeinwesenarbeit anbelangt, erhoffe sich die Stiftung tatsächlich eine Beteiligung der Gemeinde. Denn die Finanzierung sei „seit Beginn an einen sogenannten Sozialfonds der Wohnanlage gekoppelt“, erläutert Dobler. In diesen hätten die Gemeinde und die Stiftung Liebenau entsprechende Mittel eingebracht. „Doch die Erträge aus dem Sozialfonds waren und sind leider auch weiterhin nicht kostendeckend. Insbesondere die Zinssituation in den vergangenen Jahren sei hierfür ein wesentlicher Grund.

24–Stunden–Service sei nie vorgesehen gewesen

Die Stiftung Liebenau schultere das Defizit bislang allein. Doch das sei künftig nicht mehr leistbar. „Daher gibt es derzeit Gespräche mit Partnerkommunen, inwieweit eine gemeinsame Lösung zum Beispiel über ein Abschmelzen des Sozialfonds möglich wäre“, so Dobler. „Hier würden sich beide Kooperationspartner angemessen am Defizit beteiligen.“ Es gebe bereits Kommunen, die sich am Minus beteiligen oder Kosten der Gemeinwesenarbeit gar ganz übernehmen.

Ein 24–Stunden–Service sei im Konzept der „Lebensräume für Jung und Alt“ allerdings nicht vorgesehen. „Es sieht vor, dass die Mieter, beziehungsweise in der Anlage lebenden Eigentümer, ihre Selbständigkeit so lange als möglich erhalten können“, so Dobler. „Hier trägt das nachbarschaftliche Netzwerk innerhalb der Wohnanlage sowie die Vernetzung mit dem umliegenden Quartier — zum Beispiel mit Angeboten lokaler Vereine und Organisationen — durch die Gemeinwesenarbeit bei.“

Der Sozialraum stelle eine Verbindung zwischen den Lebensräumen und dem ganzen Quartier dar. Daher sei dessen Nutzung bewusst Aufgabe eines Gemeinwesenarbeiters. Dass der Sozialraum in Hergensweiler teilweise ungenutzt blieb, könne eine Folge der Personalwechsel und der zeitweisen Nichtbesetzung der Stelle gewesen sein.

„Wir denken, dass hier mit Blick nach vorne eine gute Lösung in Kooperation mit der Gemeinde oder auch einem aktiven Beirat der Wohnanlage gefunden werden kann.“