Informationsabend
Schaltet die Gier das Gehirn aus?
Tettnang / Lesedauer: 3 min

Schwäbische.de
Zu einem Informationsabend mit anschließender Diskussion über Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), einem alternativen Wirtschaftsmodell in dem „das Wohl des Menschen und der Umwelt zum obersten Ziel des Handelns und Wirtschaftens werden soll“, haben „Bündnis 90/Die Grünen“ ins Hotel Rad eingeladen. Das Thema sprach an diesem Abend hauptsächlich männliche Zuhörer an, der Frauenanteil war mit drei Personen gering. Martin Rösler, Vorstand der Tettnanger Grünen, begrüßte die Anwesenden und übergab das Wort an Kajo Aicher und Thomas Henne von der Regionalgruppe Bodensee Oberschwaben GWÖ.
Zwischen Wirtschaft und zwischenmenschlichen Beziehungen gebe es ein „Werte-Paradoxum“, sagte Kajo Aicher. Während private Beziehungen auf Vertrauen, Wertschätzung und Kooperation aufbauen, gelten in der Wirtschaft völlig andere Werte, wie Gier, Geiz, Rücksichtslosigkeit und Ausbeutung von Mensch und Umwelt. Doch dieses Handeln verursache weltweit Krisen. Erwiesenermaßen sind zwei Drittel der Menschen ohne „Herzblut“ bei ihrer Arbeit, Millionen hungern, Großkonzerne beherrschen die Welt und die Umwelt wird ausgebeutet.
Wie kann man Unternehmen und Gemeinden zum Umdenken bewegen? Hier machen sich die Idee und Vision der Gemeinwohl-Ökonomie auf den Weg. Ethisches Handeln sollte für Unternehmen lohnenswert werden. Die Unternehmen erstellen eine Gemeinwohl-Bilanz, als Management Tool dient eine Matrix. Dort werden zum Beispiel Werte wie Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, Ökologische Nachhaltigkeit mit Punkten gemessen.
Lizenzierung angestrebt
Was bringt das? Erreicht das Unternehmen die GWÖ-Ziele, soll es Steuervorteile, niedrige Zölle, günstigere Bankkredite, Vorrang bei Forschung und Wirtschaftsförderung erhalten. Erkennbar als GWÖ-Unternehmen wird es an einem Code und einem Label. Marktwirtschaft bleibt vorrangig, nur eben mit Gemeinwohl-Ökonomie-Punkten.
Laut Aicher und Henne gibt es schon viele Unternehmen, die eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen, wie zum Beispiel der Outdoor-Ausrüster Vaude in Obereisenbach und Elobau Technology in Leutkirch. Alois Holitsch aus Hiltensweiler meinte, er sei an dem Thema schon lange brennend interessiert und die Mitarbeiter seiner Schreinerei stünden ebenfalls dahinter. Für die Zukunft würde eine Zertifizierung der teilnehmenden Unternehmen angestrebt. Es sei jedoch noch viel Pionierarbeit nötig, um diese Ziele zu verwirklichen. Man orientiere sich an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung.
Richtlinien für Kommunen
Thomas Henne sagte, dass auch Gemeinden, die entsprechend handeln wollen, angesprochen werden sollten, die Matrix zu nutzen. Für Kommunen gäbe es Beschaffungsrichtlinien, nach denen sie nicht billig einkaufen müssten, sondern nachhaltig produzierte Dienstkleidung bevorzugen könnten, wie beispielsweise für die Feuerwehr. Essen für Kindergärten und Schulen solle hochwertig und regional hergestellt sein und nicht über lange Anfahrtswege angeliefert werden.
Bei der abschließenden Diskussion ging es vorrangig um die Frage, wie man die Dinge in Gang bekommt. „Wie wird kommuniziert? Hat der Städte- und Gemeindetag das auf dem Schirm? Ist es schon im Gemeinderat Tettnang vorgebracht worden?“, fragte Stefan Wortmann aus Hiltensweiler. Peter Brauchle aus Tettnang wollte wissen, ob Universitäten, wie die Zeppelin-Universität, schon involviert seien. „Bürgermeister und Unternehmensvorstände müssen mit ins Boot genommen werden, sonst wird es schwierig,“ sagte Hans Steitz aus Kressbronn.
Thomas Henne und Kajo Aicher sagten dazu: „Diese große Idee muss sensibel gehandhabt werden, wer ja zu GWÖ sagt, wird nicht gleich festgenagelt. Jeder kann sich langsam darauf einlassen, wir beraten und helfen dabei.“ Silvia Queri aus Kressbronn sprach den Schlusssatz: „Da so viele Menschen mit ihrer Arbeit unzufrieden sind und sich Veränderungen wünschen, sehe ich die Sache sehr positiv.“