Luxus-Reisen
Ein Tettnanger will Kreuzfahrten nachhaltig machen
Tettnang / Lesedauer: 5 min

Mark Hildebrandt
Der Tettnanger Marcus Hirsch hat nicht weniger als eine Tourismus–Revolution vor. „Mein Anspruch ist, die Kreuzfahrt, wie sie ist, komplett abzulösen“, sagt er im Gespräch. Nachhaltig sollen Kreuzfahrten werden, wenn es nach Hirsch geht. Kein Leben auf riesigen Schiffen, sondern eine richtige Reise, ein Eintauchen in eine andere Kultur.
Die bisherige Kreuzfahrt–Szene sieht Hirsch nicht unbedingt zukunftsfähig. Er verweist auf Orte wie Venedig oder Bora–Bora: „Die haben die Kreuzfahrtschiffe bei sich reduziert, weil es keine Wertschöpfung durch die Besucher vor Ort gibt.“ Hinzu kämen weitere Punkte wie das Ablassen von Fäkalien auf hoher See oder der Treibstoff Schweröl.
Flotten mit drei Katamaranen
Die Zukunft sieht der Tettnanger, der mittlerweile auf Zypern lebt, dementsprechend auch in kleineren, CO2–neutralen Einheiten: „Wir planen Flotten aus jeweils drei Katamaranen.“ Hinter dem Begriff „Wir“ steht das zypriotische Unternehmen 3Ship.cruises, bei dem der Reiseexperte Hirsch CEO ist.

An Hirschs Seite steht auch der Mathematiker und Blockchain–Experte Jörg–Peter Frey. Der wiederum spielt bei der Idee der Finanzierung eine Rolle. Wie Marcus Hirsch im Gespräch erläutert, ist die erste Flotte mit drei Schiffen und Planung. Einer der Katamarane kostet schätzungsweise 6,5 Millionen Euro, so der Tettnanger. Weiter sollen rasch folgen.
Erforderliche Mittel sollen per Blockchain fließen
Um die erforderlichen Startmittel zu erhalten, kommt eine eigene NFT–Kryptowährung zum Einsatz. 5000 Anteile zu 5000 Euro können Investoren erwerben. Wobei die 25 Millionen Euro dann auch noch weitere Kosten etwa für die Mannschaften abdecken sollen.
Die NFT–Besitzer sollen im Gegenzug zwischen 5,6 und 7,6 Prozent Jahresrendite erhalten — bereinigt um eine angenommene durchschnittliche Inflation von fünf Prozent. Auf die Frage, woher dieser Optimismus rührt, antwortet Hirsch, dass der Markt auf jeden Fall da sei.
Auf der Boot in Düsseldorf war Nachfrage groß
Insbesondere gehe es ums Hochpreissegment. Und da gelte dann: „Wir brauchen nicht viele Gäste.“ Hier bezieht er sich auf die Relation zum Kreuzfahrtriesen. Und sagt: „Auch da kann man am Ende sehr viel Geld ausgeben.“
Hirsch zufolge drehten sich die Planungen Anfang des Jahres noch ausschließlich um den deutschen Reisemarkt. Bei der Düsseldorfer Messe „Boot“ im Januar sei dann anhand der starken Resonanz die Entscheidung gefallen, mit Blick aufs Ziel größer zu denken.
Am Ende acht Flotten je Sprachraum
Nun soll es am Ende für den deutsch–, französisch–, italienisch– und spanischsprachigen Reisemarkt am Ende je acht Katamaran–Flotten geben. Heißt: 96 Luxus–Yachten der 80–Fuß-Klasse. Immer im Dreierverbund. Und da auf jedem Schiff bis zu zehn Gäste und sechs Crew–Mitglieder unterkommen, könnten am Ende bei voller Auslastung 960 Gäste zugleich unterwegs sein. Betreut von einem Team von 576 Mitarbeitern allein auf den Schiffen.

Zum Vergleich: Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt, die „Wonder of the Seas“, bietet fast 7000 Passagieren Platz und hat fast 2400 Crew–Mitglieder. Vor der Pandemie waren 2019 laut Statistischem Bundesamt weltweit 7,4 Millionen Passagiere unterwegs. Insofern ist klar, dass Hirschs Unternehmen 3Ship.Cruises eine bestimmte Nische bedient.
„König von Tonga ruft einmal im Quartal an“
Aber die will er mit Blick auf Nachhaltigkeit sehr konsequent ausfülle, wie er deutlich macht. Das sei mitunter gar nicht leicht: Ist ein Segel nachhaltiger, das aus recycelten PET–Flaschen besteht, aber eine begrenztere Nutzungsdauer hat? Oder das eines anderen Anbieters, der nicht mehr laminiert, aber kein recyceltes Material nutzt — wo die Segel aber länger halten. Dabei will er auch Hersteller vom Bodensee einbinden.
Marcus HirschDer König von Tonga ruft mich einmal im Quartal an.
Für die Reisenden sieht Hirsch auch eine hohe Qualität: „Es ist einfach eine Gruppengröße, wo man vor Ort auch mal in kleine Gaststätten kann. Wo man auch mit den Menschen vor Ort richtig in Kontakt tritt.“ Zugleich soll auch die Versorgung vor Ort laufen. Das komme auch vor Ort sehr gut an, weil das Geld dort bleibe, sagt Hirsch: „Der König von Tonga ruft mich einmal im Quartal an.“
Auch ein Lastenfahrrad ist an Bord
Die Gäste, so das Konzept, werden sich jeweils vor Ort bewegen und können dann Wassersport machen oder auch Tauchspots anfahren, die nur in kleineren Gruppen möglich sind. Die Versorgung soll lokal laufen, ein Lastenfahrrad ist bei jeder Flotte dabei. Und abends sei man dann gemeinsam in der Bucht, sagt Hirsch.
50 Prozent des Gewinns einer Flotille sollen an die Mitarbeiter ausgeschüttet werden sollen, die restlichen 49 Prozent an die Halter der NFTs. Crew–Familien können nicht gebuchte Plätze belegen. So illustriert er, dass er auch einen starken sozialen Aspekt sieht.
Kein einfaches Konstrukt
Veranstalter sind die Reisebüros, der Tettnanger Verein MMC (bei dem Hirsch Vorsitzender ist) chartert die Schiffe und übernimmt bestimmte Verwaltungsaufgaben. Ein nicht ganz einfaches Konstrukt, gibt Hirsch zu. Aber es ist eben auch ein großes Vorhaben.