StartseiteRegionalBodenseeTettnangDiese längst vergessene Technik lebt in Tettnang wieder auf

Bei Führungen zu sehen

Diese längst vergessene Technik lebt in Tettnang wieder auf

Tettnang / Lesedauer: 4 min

Das Elektronikmuseum hat den sogenannten Teletex oder Fernschreiber wieder in Betrieb. Wie das ganze funktioniert und warum es gar nicht so einfach zu nutzen ist.
Veröffentlicht:18.08.2023, 05:00

Von:
  • Olaf E. Jahnke
Artikel teilen:

Jüngere Generationen dürften nicht einmal mehr wissen, was ein Fernschreiber überhaupt ist — doch um genau diese einst weit verbreitete Technik wieder etwas bekannter zu machen, hat sich das Elektronikmuseum Tettnang etwas einfallen lassen.

Mit einem Fernschreiber, auch Teletex genannt, können Nachrichten — überwiegend Texte — übermittelt werden. Das war in früheren Zeiten Standard, denn verschiedenste Informationen, sowohl Nachrichten als auch Wetter oder Bestellungen, konnten auf diesem Weg abgerufen oder gesendet werden, weiß Thomas Fecker vom Elektronikmuseum. Mit raschen, stakkatoartigen Rattergeräuschen wird dabei sowohl der versendete als auch der empfangene Text auf Papierrollen geschrieben.

Für Firmen war das im Geschäftsbereich für die Kommunikation entscheidend, offiziell und schnell sowie mit Urkundencharakter. Denn die Verbindung war relativ sicher, die Fernschreiber und Anschlüsse ließen sich gut zuordnen. Thomas Fecker freut sich, dass es nach einigen Anläufen live mit dem Telex funktioniert und kündigt an: „Bei Führungen werden wir die Fernschreiber in Betrieb nehmen und auf Wunsch vorführen.“

Bedienung erfordert Übung

Die Bedienung erfordere Know–how sowie die eine oder andere besondere Steuerzeichen–Anwendung. Für manche Besucher sei das Ganze spannend, weil es „wie früher“ sei — jüngere Besucher dagegen geraten ins Staunen. In Betrieb sind die Modelle Siemens–T100 aus den 1970ern. Die Geräte haben eine große mechanisch–elektrische Tastatur und keinen Bildschirm. Viele Sonderzeichen fallen auf, Umlaute fehlen dafür und es gibt nur Kleinschreibung und Zahlen.

Das Telex-Team im Elektronikmuseum: Thomas Fecker, Heiko Dobslav, Gerhard Spohn und Richard Kurz (von links). Nichtauf dem Foto, aber ebenfalls aktiv mit dabei sind Peter Schweighart und Rainer Specker. (Foto: Olaf E. Jahnke)

Thomas Fecker hat sich inzwischen eingearbeitet — echtes Multitasking mit Tastatur und Wählscheibe. Zunächst soll eine Verbindung hergestellt werden, um schließlich das Telex zu tippen und loszuschicken.

„Technisch gesehen arbeitet das Telex zwar schon digital — aber nach einem uralten und sehr langsamen Standard“, erklärt Rainer Specker vom Förderverein des Elektronikmuseums. Man habe hier 50 Bit pro Sekunde, während man heute bei Datendimensionen im Mega– oder Gigabereich liege, etwa bei Glasfaserkabeln millionenfach mehr.

Es dauert also seine Zeit. Noch schwieriger ist es aufgrund der Zeitverschiebung, wenn man per Teletex Adressen beispielsweise in Australien oder den USA erreichen will. Schließlich klappt es beim Deutschen Wetterdienst: Die notwendigen Papierrollen seien kein Problem — die habe man noch in großen Lagerbeständen verfügbar, heißt es.

Für die Nutzung braucht es diverse Einzelteile

Vor drei Jahren hat Richard Kurz den Wunsch geäußert, die alte Technik auch als Kommunikation wieder aufleben zu lassen. Museumsleiter Rainer Specker war gleich Feuer und Flamme. „Auf der vorletzten HAM–Radio–Messe konnten wir dann die nagelneue Technik erwerben“, berichtet Kurz. Wer heute noch einen Teletex betreiben will, braucht einen speziellen Router und eine Art Wandler, um von der alten Technik ins Internet zu kommen.

Das ist reine Geschichtsbewahrung,

Richard Kurz

Das alles sei allerdings nicht als fertiges Gerät, sondern nur in Einzelteilen zu bekommen gewesen. „Glücklicherweise haben wir unseren Gerätespezialisten, Peter Schweighart. Der hat mit viel Know–how und Geduld das Spezial–Gerät fertiggestellt“, so Specker. Schließlich galt es noch, Netzwerkkabel und -stecker anzupassen und einen Router einzurichten.

Allerdings habe es immer noch Verbindungsprobleme gegeben, die Fecker mit Hilfe des Forums der Internet–Telexfreunde schließlich lösen konnte. Statt Fernschreiberverbindung übers Telexnetzkabel funktionieren Sendung und Empfang nun über das Internet und einen entsprechenden Server.

Technik wurde 2007 abgeschaltet

Das alte Telexkabelnetz wurde übrigens zum 31. Dezember 2007 außer Betrieb gesetzt. Tatsächlich liefen erste Telextexte über das Internet schon seit 2010 wieder mit spezieller TelexPhone–Technik. Die wurde von einem speziellen Telexserver abgelöst. Dabei blieb die Zahl der Nutzer letztlich doch überschaubar.

Nachdem man es in Tettnang geschafft hatte, die Geräte untereinander per Kabel zu verbinden und zum Laufen zu bringen, sollte das „ernsthaft museal“ werden, also „echtes Fernschreiben“ möglich sein.

Zu den Montagen, an denen sich die Ehrenamtlichen treffen, kamen nun diverse Extra–Schichten. „Das ist reine Geschichtsbewahrung“, so Kurz. Auf der i–Telex–Seite gebe es Informationen über die besondere Technik, ebenso wie ein Verzeichnis, wer sie alles nutzt sowie Daten für die Teilnehmerliste. Die Tettnanger warten noch darauf, bis sie ebenfalls eingetragen sind.

Bei ersten Probeläufen sei die Idee, diese Technik für die Zukunft zu bewahren, sehr gut angekommen. „Für uns Museumsleute gibt es nichts Schlimmeres, als wenn ein Gerät nicht funktioniert“, sagt Kurz. Darüber hinaus sehe man einen pädagogischen Auftrag: Kinder oder jungen Erwachsenen einen Eindruck der früheren Technik zu vermitteln.

Was als nächstes Projekt ansteht, sei noch nicht sicher, jedoch denken die Museumselektroniker über einen akustischen Modemzugang übers Telefon ins Web nach, wie er noch vor 30 Jahren Standard war. Mit ebenfalls unvergleichlicher Geräuschkulisse.