Podiumsdiskussion

Können autonome Autos ethisch denken?

Salem / Lesedauer: 4 min

ZF-Vorstand Jürgen Holeksa und Wolfgang Huber sprechen beim Dialogforum auch über die Zukunft des Autos
Veröffentlicht:20.04.2018, 18:37
Aktualisiert:22.10.2019, 20:00

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Bald wird die ZF auf den Straßen von Friedrichshafen Autos mit autonomer Technologie testen. Da hat eine Podiumsdiskussion zum Thema der unternehmerischen Verantwortung im Zeitalter der Digitalisierung besondere Brisanz. Vor allem, wenn in Person von Jürgen Holeksa ein Mitglied des ZF-Vorstands Gesprächsgast ist. Im Betsaal des Schloss Salem diskutierte er mit dem „bedeutendsten Intellektuellen des deutschen Protestantismus“, wie Codekan Gottfried Claß in seiner Eigenschaft als Moderator den zweiten Podiumsgast vorstellte: Wolfgang Huber, bis 2009 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Maschinen sind nicht moralisch

Die Frage des autonomen Fahrens dominierte gut die Hälfte dieses Dialogforums, zu dem die evangelischen Kirchenbezirke Überlingen, Stockach, Konstanz und Ravensburg, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt Baden und Württemberg sowie der Arbeitskreis evangelischer Unternehmer eingeladen hatte. Schlüssig brachte Huber seinen vom Menschen her gedachten Standpunkt vor: „ Autonomer Umgang mit der digitalen Technik statt der Behauptung, die Systeme seien als solche autonom – das ist die Aufgabe, um die es geht.“

Ein Auto, das selbst fährt, während der Passagier Zeitung liest, ist für Huber keine Option: Eine Technik, die sich zunehmend selbst steuere, dürfe über die Rolle des Assistenzsystems für menschliche Tätigkeiten nicht hinauswachsen. Für das Auto von morgen bedeutet dies: Die digitale Technik könne durch den Ausbau der Assistenzsysteme helfen, fatale menschliche Fehler zu vermeiden. Sie solle aber nicht an die Stelle des Menschen treten, indem sie die Rolle des Fahrers übernimmt. Für Huber ist das eine Frage des ethischen Handelns: Die Idee, digitaler Technik eine Moral einzuprogrammieren, sei verheerend, warnt Huber, weil der Mensch ein verantwortungsbewusstes Wesen sei – das programmierte System aber nicht. Die Idee einer autonomen Maschine, die moralisch handle, sei deshalb ein „schwerer Kategorienfehler“ mit gleichwohl fatalen Konsequenzen: Er entlasse den Menschen aus der Verantwortung für sein Handeln und übergebe sie der nicht verantwortungsfähigen Maschine. Huber warnte vor einem weiteren Fehlschluss. Er lautet: Weil wir eine neue Technik haben, brauchen wir eine neue Ethik. Es gälte umgekehrt, eine begründete Ethik auf die neuen Technologien anzuwenden. „Dabei mag es sein, dass wir durch die Verbindung aus ethischer Reflexion und technischer Entwicklung auch auf neue ethische Ideen kommen. Aber wir kommen auf diese Ideen nicht deshalb, weil die Technik uns vorgibt, neue Ideen zu haben.“

Jürgen Holeksa teilte viele von Wolfgang Hubers Bedenken und sprach unabhängig von ihm teils dieselben Punkte an. „Ethik zu programmieren sollte das Letzte sein, was wir tun“, sagte er dann im direkten Gespräch. Und: „Aktuell fürchte ich mich vor dem Zeitpunkt, an dem mit dem heutigen Stand der Technik voll autonom gefahren wird.“ Wo allerdings Huber fordert, ein automatisiertes, aber eben kein autonomes Fahren zu entwickeln, schränkte Holeksa ein: „Das wäre eine ganz wichtige Umkehr in der aktuellen Entwicklung, von der ich fürchte, dass sie nicht erreichbar sein wird.“ Als Grund dafür führte Holeksa auch eine „Euphorie der Technikgläubigkeit“ ein, die er durchaus kritisch sieht. Holeksa sprach von Plänen für Busse, in denen gar kein Fahrer mehr vorgesehen sei und warf einen Blick in die nicht so ferne Zukunft. Man werde dann abwägen und erkennen, dass Assistenzsysteme insgesamt zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitrügen. „Man wird uns vorrechnen, dass die Zahl der Unfallopfer insgesamt durch teilautonomes und autonomes Fahren abgenommen hat.“ Huber konterte, es sei das eine, die Wahrscheinlichkeit des Ausgangs einer Diskussion über autonomes Fahren vorwegzunehmen und etwas anderes, sich dieser Diskussion tatsächlich zu stellen.

Digitalisierung betrifft aber nicht nur die Produkte, sondern auch die Bedingungen der Produktion. Holeksa warf einen Blick aufs eigene Unternehmen, in dem aktuelle Technologie auf neue Technologie trifft. Die ZF versuche, den Wandel zur Digitalisierung so zu gestalten, dass diejenigen Mitarbeiter, die mit der aktuellen Technologie beschäftigt sind, sich nicht als Verlierer fühlen – und auch nicht als diejenigen, die das Geld erwirtschaften, das dann in die neue Technologie investiert wird. „Es war für das Unternehmen noch nie so wichtig wie heute, ganz nah bei den Beschäftigten zu sein“, schloss der ZF-Personalvorstand.