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Jobmarkt

Wie Gemeinden in der Region um neue Mitarbeiter buhlen

Meckenbeuren / Lesedauer: 4 min

Vom Jobrad bis zu Kita-Betreuungskosten: Die Gemeinde will Mitarbeiter mit einem Benefitprogramm locken. Warum man sich abheben will und wie der Stand in anderen Gemeinden ist.
Veröffentlicht:21.11.2023, 15:00

Von:
  • Roland Weiß
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„Wir buhlen mit größeren Städten und Landratsämtern um Personal.“ Mit seinem einleitenden Satz hat Hauptamtsleiter Jens Hulbert im Gemeinderat die Ausgangslage geschildert, die das Meckenbeurer Benefitprogramm zur Personalbindung und -gewinnung angestoßen hat.

Um gute Karten in dem sich verschärfenden Wettbewerb zu haben, nimmt die Gemeinde ab 2024 knapp 130.000 Euro je Jahr in die Hand. Einhellig stimmte das Gremium dem zu.

Deutlich mehr für den Kilometer

Ein „großes Thema“, so Hulbert, ist es, qualifiziertes Fachpersonal in den unterschiedlichen Bereichen zu gewinnen ‐ mehrfache Ausschreibungen für Stellen (jüngst: Ordnungsamtsleitung) künden davon. „Wir wollen uns abheben von anderen Arbeitgebern in der Region“, ist die Vorgabe. Der Plan dazu fand allgemeine Anerkennung in Ratsreihen.

Satte neun Punkte umfasst er ‐ von der Einführung von Jobticket und Jobrad bis zu Firmenfitness, der laut Hulbert „eine riesengroße Flexibilität“ erlaubt und für den 24.700 Euro angesetzt sind. Zudem soll die Wegstreckenentschädigung von 35 auf 45 Cent je Kilometer aufgestockt werden.

Lange gefordert: Betreuungskosten übernehmen

Den größten „Batzen“ macht die Übernahme der Kita-Betreuungskosten aus ‐ hierfür sind 66.000 Euro eingeplant. Der Anreiz (auch für Teilzeitkräfte) soll dem Amtsleiter zufolge dazu beitragen, „Fachkräfte bald wieder in Arbeit zu bringen“, zumal: 55 der 300 Mitarbeiterinnen in der Verwaltung haben Kinder in diesem Alter.

Mit 22.000 Euro ist die Aufstockung vermögenswirksamer Leistungen veranschlagt, während die Teilnahme am „Corporate Benefits Vorteilsportal“ für die Gemeinde kostenfrei sein soll. Limitiert ist das maximale Benefitbudget auf 100 Euro je Mitarbeitendem und Monat. Als monetär nicht bezifferbar gelten zwei zugesagte Leistungen ‐ die Einführung eines leistungsbezogenen Stufenaufstiegs und die Stufenlaufmitzeitnahme aus anderen Häusern. Auch das Budget, mit dem die Betriebsgemeinschaft gefördert wird, fließt nicht in die 100 Euro je Monat ein.

Spannend: Die betriebliche Krankenversicherung

Mit so manchem Anreiz geht ein Eigenanteil einher. Jonathan Wolf sah es einerseits als wichtig an, dass „viele Bausteine“ enthalten seien. Zudem gab der SPD-Rat der Hoffnung Ausdruck, dass diese künftig auch ältere Mitarbeiter stärker einbeziehen. Da es sich um einen „ersten Aufschlag“ handle, sagte Hulbert dies gerne zu: „Wir machen uns weiter Gedanken.“ Was ohne Neueinstellung vor sich gehen soll. Mit dem jetzigen Personal will die Verwaltung die Neuerung abdecken, so der Hauptamtsleiter.

Nicht fehlen darf der SZ-Blick in die Nachbarschaft ‐ so beispielsweise nach Eriskirch, wo Hauptamtsleiterin Elke Müller um die „Herausforderung für alle Gemeinden“ weiß und sagt: „Finanziell lässt uns der TVöD kaum Spielräume, daher versuchen wir ganz bewusst, die ,weichen Faktoren’ zu fördern und zu stärken.“

Ausgleichsbewegung muss und soll sein

Geboten werde den Mitarbeitern „in Teilen betriebliches Gesundheitsmanagement, indem wir Ausgleichsbewegung fördern“. Dazu zählt freier Eintritt ins Strandbad und Leasen eines Jobrads, aber auch, dass alle Büro-Arbeitsplätze mit höhenverstellbaren Schreibtischen ausgestattet sind.

„Soweit es das jeweilige Aufgabengebiet zulässt, bieten wir die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit und zum mobilen Arbeiten“, hebt Müller hervor. Ganz neu im Portfolio sei das Thema Kommunalrente und betriebliche Krankenversicherung. Start soll am 1. Dezember sein.

Weit über die Kinderbetreuung hinaus

Ein großes Thema werde sein, „Quereinsteiger“ für die Arbeit zu begeistern samt der Beobachtung: „Quereinsteiger, die nicht per se Verwaltung gelernt haben, haben ganz andere Bedürfnisse für Einarbeitung, Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen.“

Auch bei der Gemeinde Oberteuringen hat die SZ angefragt. „Immer mehr zum Thema auch für öffentliche Verwaltungen“ werde die Personalgewinnung, bestätigt Rainer Groß aus der Hauptverwaltung. Sei in der Vergangenheit hauptsächlich die Kinderbetreuung betroffen gewesen, hat der Fachkräftemangel längst auf andere Verwaltungsbereiche übergegriffen.

Das Oberteuringer Budget

Um sich attraktiver zu positionieren, können Arbeitgeber im öffentlichen Dienst auf steuerbegünstigte Alternativen zurückgreifen. Groß: „Hierfür hat der Gemeinderat im Zuge der Haushaltsberatung für das Kalenderjahr 2023 insgesamt zusätzlich ein Budget von 30.000 Euro (dies entspricht etwa 40 Euro pro Monat und Vollzeitstelle) für alle Mitarbeitenden bei der Gemeinde Oberteuringen zur Verfügung gestellt.“ Als Gehaltsextra kämen seit diesem Jahr steuerfreie Sachleistungen hinzu. Konkret: „Die Abwicklung erfolgt über eine wiederaufladbare Prepaidkarte für Sachbezüge, die mit Guthaben beladen wird und die Mitarbeitende regional zum Einkaufen, Tanken usw. nutzen können.“

Und: Auch Oberteuringen fördert die Betriebsgemeinschaft. Für Weihnachtsfeier, Betriebsausflug, Grillfest und anderes sind jährlich rund 15.000 Euro verfügbar.

Die Meckenbeurer Begründung

Zum Hintergrund heißt es seitens der Verwaltung: „Die Suche nach qualifiziertem Fachpersonal für die unterschiedlichsten Stellenbereiche der Gemeinde Meckenbeuren gestaltet sich zunehmend schwerer am Arbeitsmarkt. Dies ist zum einen bedingt durch die geographische Lage zwischen Ravensburg und Friedrichshafen mit den großen Stadt- und Landkreisverwaltungen, die sich als attraktive Arbeitgeber für mögliche Stellenbewerber anbieten. Zum anderen zeigt aber auch die demographische Entwicklung aktuell und in den nächsten Jahren einen altersbedingten Wegfall von vielen Fachkräften durch Ruhestand auf. Die geburtenschwächeren Jahrgänge können diese Abgänge nicht kompensieren, sodass viele Arbeitgeber um wenig zur Verfügung stehendes Personal ringen. Arbeitgeber müssen sich immer mehr in ihrer Attraktivität steigern, um bestehendem sowie zu gewinnendem Personal Anreize zu schaffen, sich für einen bestimmten Arbeitgeber zu entscheiden.“


Homeoffice ist in Meckenbeuren seit Juni 2023 für alle Mitarbeiter möglich – beispielsweise auch im Kita-Bereich für die Dokumentation.