Meckenbeuren

Theater ohne Worte — Ein Stück in Gebärdensprache

Meckenbeuren / Lesedauer: 3 min

In Meckenbeuren kamen Hörgeschädigte in den Genuss eines besonderen Theaterstücks: Bei „Herr Metitsch“ gibt es nur fliegende Hände, Gestik und Mimik.
Veröffentlicht:05.06.2023, 08:00

Von:
  • Karin Schütrumpf
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(scht) Er schlurft in Filzpantoffeln und grünem Pullunder auf die Bühne und er kommuniziert Angst, Wut, Verzweiflung, Ausgrenzung, aber auch die Freude an der eigenen, kleinen Welt ohne Worte — nur mit Gebärden, Gesten, Körpersprache und Mimik. 120 hörgeschädigte Zuschauer aus ganz Baden–Württemberg trafen sich im „Kultur am Gleis 1“ zu „Herr Metitsch“, einem Theaterstück in Gebärdensprache.

„Herr Metitsch“ ist ein Gehörloser, der sich in seiner Wohnung eine eigene kleine, hermetisch abgeschlossene Welt geschaffen hat. Er kann nichts wegwerfen. Seine Betreuer vermuten, er sei ein Messie, weil er alles sammelt und sorgfältig sortiert. Im Verlauf des Stückes erfahren die Zuschauer, welche traumatischen Erlebnisse einen Hörgeschädigten dazu gebracht haben, sich seine eigene Welt zu schaffen.

So funktioniert das Stück

Den Monolog, den die Hauptfigur „Herr Metitsch“ in seiner Wohnung führt, erzählt Gebärdendarsteller Rolf Puttrich–Reignard mit den Händen. Er unterstützt, was er ausdrücken will, mit lebhafter Mimik und dem gestenreichen Einsatz seines ganzen Körpers. Regisseurin Ute Sybille Schmitz („Billa“) übersetzt die Gebärdensprache simultan in Lautsprache.

„Meine Eltern waren beide hörgeschädigt. Ich bin mit Gebärdensprache aufgewachsen“, erklärt Schmitz ihrem Bezug zur Welt der Tauben. Der Darsteller Rolf Puttrich–Reignard ist taub geboren. Viele der Situationen, in die die Hauptfigur „Herr Metitsch“ gerät, „erzählen auch von meinem eigenen Leben“, erklärt er, warum er sich sofort mit dem Stück identifizieren konnte. Ein Jahr lang hat es gedauert, das ursprünglich für Hörende geschriebene Theaterstück in Gebärdensprache zu übersetzen und zu inszenieren.

Meckenbeuren ist Treffpunkt für Hörgeschädigte

„Gebärdensprache hat eine ganz andere Grammatik als Lautsprache. Dass der gebärdete Monolog auf der Bühne zusätzlich in Lautsprache übersetzt wird, kommt nicht nur den Hörenden zugute, die an diesem Abend in Meckenbeuren nur eine kleine Minderheit sind. „Bei der Gebärdensprache gibt es auch Dialekte und viele Hörgeschädigte haben noch einen Hör–Rest, so dass ihnen die Lautsprache helfen kann“, erklärt „Billa“.

Organisiert hat den Theaterabend das Hörgeschädigtenzentrum Bodensee–Oberschwaben–Allgäu (BAO). „Für die Mitglieder des Vereins ist Meckenbeuren meistens der Treffpunkt“, erzählt Holger Nagel, der beim BAO für „Theater, Poesie und Video“ zuständig ist.

Weil die Schussengemeinde mittendrin im Einzugsgebiet des Vereins liegt und einen häufig angefahrenen Bahnanschluss hat, finden die Vereinstreffen der BAO häufig im bahnhofsnahen, evangelischen Gemeindehaus in der Lindberghstraße in Meckenbeuren statt.

So äußern sich die Zuschauer

Auch Kathrin Schütz von der Bürgerservice Meckenbeuren, die den Kulturschuppen verwaltet, freut sich, „dass erstmals ein Theater für Gehörlose und Hörgeschädigte angeboten werden kann“. Sie wolle „für möglichst viele Bevölkerungsgruppen kulturelle Angebote zur Verfügung stellen“.

Die Zuschauer, die zum Theaterabend nach Meckenbeuren gekommen sind, tauschen sich nach der Vorstellung rege aus. Hörende Zaungäste dieser mit fliegenden Händen und wenigen Lauten geführten Dialoge gibt es nicht. Wer der Gebärdensprache nicht mächtig ist, kann nicht „mitreden“. Eine kurze Kommunikation gelingt, wenn Fragen und Antworten auf dem mitgebrachten Tablet notiert werden.

Eine Gruppe von sieben Leuten ist zusammen mit der Bahn aus Richtung Stuttgart gekommen, notieren sie für die Berichterstatterin — eine zweistündige Fahrt. Eine Frau tut kund, dass sie aus Schwäbisch Gmünd anreiste. Der Mann neben ihr kommt aus dem Raum Ravensburg.

Mit Hilfe von „Billa“ als Gebärdendolmetscherin fällt die Kommunikation leichter. Ein junges Paar, das aus der Nähe von Biberach kommt, erzählt, dass ihnen nicht nur das Theaterstück gut gefallen habe. Die Reise nach Meckenbeuren sei für sie auch die Möglichkeit, neue Kontakte mit anderen Hörgeschädigten zu knüpfen und sich mit Bekannten auszutauschen.