Systemregel
Modell der Zukunft heißt Gemeinwohl-Ökonomie
Meckenbeuren / Lesedauer: 3 min

Schwäbische.de
Kooperation statt Konkurrenz, Solidarität statt Egoismus, Lebensqualität statt Burnout, Gerechtigkeit und Teilen statt Macht- und Gewinnstreben. „In der Gemeinwohl-Ökonomie sollen die Systemregeln der Wirtschaft künftig von diesen positiven Werten geleitet werden“, sagt Christian Felber und hat am Mittwoch in Kultur am Gleis 1 vor rund 170 Besuchern das Wirtschaftsmodell der Zukunft vorgestellt. „Globalisierung ist gut, aber wir müssen sie anders gestalten“, sagte Werner Langenbacher zur Begrüßung seitens der Veranstalter aus Kontakt-Café, Familienkreis, Katholischem Frauenbund, Betriebsseelsorge, Erwachsenenbildung und Agenda 21. „Mit der Gemeinwohl-Ökonomie geht eine richtige Bewegung durchs Land“ , kündigte Langenbacher Felbers Vortrag an.
„88 Prozent der Deutschen und 90 Prozent der Österreicher sind der Meinung, dass wir ein anderes Wirtschaftsmodell brauchen“, verweist Christian Felber als Globalisierungskritiker, Autor, Mitbegründer von attac Österreich und Mitinitiator der Demokratischen Bank auf eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Nur wohin soll die Reise gehen? Als Lösungsansätze nennt Felber eine sozialere Wirtschaft mit geringerer Ungleichheit, Ökologie, De-Globalisierung, solidarische Ökonomie, Wirtschaftsdemokratie und Menschenwürde als oberste Ziele. „Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl“, zitiert Felber aus der Bayrischen Verfassung und fordert, dass dieser Verfassungsinhalt von der Wirtschaft angewendet wird. Hierfür müssen neue Werte für die Wirtschaft definiert werden.
Der Kern der Gemeinwohl-Ökonomie liegt in der Umpolung des Anreizsystems von Gewinnstreben und Konkurrenz auf Gemeinwohlstreben und Kooperation. Unternehmerischer Erfolg soll nicht länger am Finanzgewinn gemessen werden, sondern am größtmöglichen Beitrag zum Gemeinwohl. „Mensch vor Profit“, formuliert es attac Österreich .
„Voraussetzung hierfür ist die Definition von Gemeinwohl“, so Felber. Ein direkt gewählter Wirtschaftskonvent, zusammengesetzt aus allen betroffenen Gruppen der Gesellschaft, soll „Gemeinwohl“ so definieren, wie es von allen Unternehmen verbindlich angestrebt werden soll. Um das Gemeinwohl messen zu können, braucht das neue Erfolgsverständnis einen anderen Indikator als die Finanzbilanz. „Ein Bruttoinlandsprodukt sagt nichts über Umweltqualität, Verteilung, Mitbestimmung, Geschlechterverhältnis und somit Lebensqualität und -zufriedenheit aus“, weiß Felber. Über die Vergabe von Gemeinwohl-Punkten soll humanes und nachhaltiges Handeln eines Unternehmens im Mittelpunkt stehen. Auch die Schaffung eines neuen Finanzsystems spielt eine zentrale Rolle, denn gerade Banken können zum Gemeinwohl beitragen, indem sie soziale und ökologisch nachhaltige Investitionen fördern.
„643 Unternehmen aus 15 Staaten haben sich bereits dem neuen Wirtschaftsmodell angeschlossen und erstellen eine Gemeinwohl-Bilanz. Die Firma Vaude aus Tettnang ist seit Kurzem Mitglied“, berichtet Felber. Auch Unterstützergruppen im östlichen und westlichen Bodenseekreis fordern die politische Umsetzung des Modells der Gemeinwohl-Ökonomie. Private Verbraucher können durch Nachfrage nach der Deklarierung der Gemeinwohl-Punkte auf einem Produkt Firmen sensibilisieren. Zuversichtlich ist Felber, dass es sich bei den Interessierten und seiner Zuhörerschaft nicht um Randgruppen handelt, darf er doch in Bälde das Modell vor den 70 größten Wirtschaftseliten vorstellen.