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Zeitlicher Ablauf 

Tödliche Schüsse in Markdorf: So lang dauerte es, bis die Polizei da war

Markdorf / Lesedauer: 4 min

Quälend lange hat es sich für einen Mann vor Ort angefühlt, bis die Einsatzkräfte eintrafen. Die Polizei erklärt, warum ein direktes „Hereinstürmen“ nicht möglich war.
Veröffentlicht:27.01.2023, 19:00

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Es ist eine Extremsituation – nicht nur für Augenzeugen, sondern auch für Einsatz- und Rettungskräfte: Ein Mann erschießt am Samstag im Geschäft Megamix in Markdorf eine Frau und flüchtet danach aus dem Laden.

Laut Polizei hat er einen albanischen Pass und war zur Tatzeit betrunken. Wann ging der Alarm ein? Und wie lange dauerte es, bis die Polizei da war? Die „Schwäbische Zeitung“ rekonstruiert den zeitlichen Ablauf der Ereignisse.

Samstagabend, gegen 17 Uhr: Seitdem in dem Geschäft in der Markdorfer Hauptstraße ein 47-Jähriger seine getrennt lebende Ehefrau – eine Angestellte des Ladens – erschossen hat, sind erst wenige Stunden vergangen.

Michael (Name von der Redaktion geändert) kommt noch mal zu dem Ort zurück, an dem er am Mittag Dinge gesehen hat, die er wohl sein Leben lang nicht vergessen wird. „Eigentlich wollte ich nur ein Kehrblech kaufen“, sagt er. Vor Ort aber, es sei kurz nach 13 Uhr gewesen, hätten Anwesende gesagt, dass hier auf eine Mitarbeiterin geschossen wurde.

Der Mann ruft mehrmals bei der Polizei an

Er habe viel Blut gesehen – und schockiert bei der Polizei angerufen. „Mir wurde gesagt, dass sie schon verständigt worden seien“, berichtet er. Dann verging Zeit. Michael sei auf den Parkplatz vor den Laden gegangen und habe versucht, sich um die schockierten Mitarbeiterinnen zu kümmern.

Schließlich habe er einen zweiten Anruf an die Polizei abgesetzt – denn er und die anderen Anwesenden hätten sich gewundert, wie lange es dauerte, bis endlich Einsatzkräfte am Tatort eintrafen.

Auf Anfrage erklärt die Polizei ihre Sicht der Dinge. Die Zeiträume zwischen Alarmierung und Eintreffen vor Ort hätten sich im – für einen so gefährlichen Einsatz – gewöhnlichen Rahmen bewegt.

„Vorwegzuschicken ist, dass gerade in Extremsituationen die Wahrnehmung von Zeugen oft stark unter dem Eindruck des aktuellen Geschehens steht und somit nicht immer verlässlich ist“, sagt Oliver Weißflog, Sprecher des Polizeipräsidiums Ravensburg.

Um 13.05 Uhr geht der erste Notruf ein

Die Polizei habe ihre Aufzeichnungen ausgewertet. Demnach ging der erste Notruf bei der Polizei um 13.05 Uhr ein. „Kurz danach wurden mehrere Streifenbesatzungen nach Markdorf alarmiert“, berichtet Weißflog.

Es habe sich dabei um Polizisten der Reviere Überlingen und Friedrichshafen gehandelt, die gegen 13.20 Uhr in Markdorf eintrafen. Sie stoppten in der Nähe des Ladens kurz, um sich „mit zusätzlicher Schutzausstattung für Einsätze mit Schusswaffengebrauch auszurüsten und das Vorgehen abzusprechen“, so der Polizeisprecher.

„Die Lage war als bestätigter Schusswaffeneinsatz hochgefährlich, so war ein unbedachtes ’Hereinstürmen’ in die Situation ohne Koordination nicht angezeigt“, betont der Polizist. Man habe das Risiko einer Eskalation – bis hin zu einer möglichen Geiselnahme – minimieren müssen.

Nach 24 Minuten sind Polizisten im Laden

Zudem sei das Anlegen von „ballistischer Zusatzausstattung“ nötig, um die Polizisten bei drohendem Beschuss nicht in ihrer „Handlungsfähigkeit zu gefährden“. Zwar habe die Polizei von Zeugen erfahren, dass der Schütze den Laden bereits verlassen hat – was auch in die Bewertung der Situation miteinbezogen worden sei.

„Es konnte dadurch aber nicht mit der notwendigen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich noch weitere Bewaffnete in dem Objekt befinden“, sagt Weißflog.

Im Einsatzprotokoll sei vermerkt, dass die Polizisten das Gebäude um 13.29 Uhr „stark bewaffnet“ betreten haben. Zuerst hätten sie dann „die für einen Einsatz von Rettungskräften unabdingbare Sicherheit hergestellt“, berichtet der Polizeisprecher.

„Aus diesen Gründen des Eigenschutzes wurden die Rettungskräfte – wie in solchen Situationen so vorgesehen und unter den Blaulichtorganisationen abgestimmt – erst nachgeführt, nachdem die Polizei die Lage nach eigener Überprüfung als sicher eingestuft hatte“, sagt er. Dadurch könne zwar zusätzlicher zeitlicher Verzug entstehen, dieser müsse aber zum Schutz der Hilfskräfte in Kauf genommen werden.

Frau ist nicht mehr zu retten

Die Mitarbeiter des Rettungsdienst haben laut Protokoll der Polizei den Laden fünf Minuten später, um 13.34 Uhr, betreten.

Aber selbst, wenn Sanitäter und Co. noch deutlich früher im Geschäft gewesen wären – für die 44-jährige Frau kam jede Hilfe zu spät: „Dem vorläufigen Obduktionsergebnis zufolge wäre die Frau selbst dann nicht mehr zu retten gewesen, wenn sie unmittelbar nach den Schüssen eine medizinische Maximalversorgung erhalten hätte. Die inneren Verletzungen waren irreversibel“, sagt Oliver Weißflog.