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Mooser Weg

Verzweifelt gesucht: Bauplätze für junge Familien in Langenargen

Langenargen / Lesedauer: 6 min

Die einen wollen die geschützte Streuobstwiese erhalten. Für die anderen führt an der Bebauung kein Weg vorbei. In mindestens einem Punkt herrscht jedoch Einigkeit.
Veröffentlicht:26.05.2023, 12:00

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„Wir haben es 1250 Jahre gut miteinander ausgehalten und sollten das auch künftig tun“: Die wahrscheinlich bedeutendste Aussage der Informationsveranstaltung am Mittwochabend stammt von Bürgermeister Ole Münder.

Thema war die geplante Bebauung der Streuobstwiese am Mooser Weg beziehungsweise der Bürgerentscheid dazu am 9. Juli. Die grundsätzliche Frage dabei lautet: Soll die Fläche bebaut werden oder nicht? Es gibt genau zwei Meinungen.

Sachliche Diskussion: Auf dem Podium stellen sich (von links) Peter Kraus, Moritz Ott, Bürgermeister Münder, Moderator Christian Baumgart, Rainer Terwart und Albrecht Hanser den Fragen aus dem Publikum.
Sachliche Diskussion: Auf dem Podium stellen sich (von links) Peter Kraus, Moritz Ott, Bürgermeister Münder, Moderator Christian Baumgart, Rainer Terwart und Albrecht Hanser den Fragen aus dem Publikum. (Foto: ah)

Der Hinweis des Bürgermeisters bezieht sich auf das 1250–jährige Bestehen, das die Gemeinde in diesem Jahr friedlich bei vielen Gelegenheiten feiert. Nicht ganz so friedlich, aber doch zum Großteil sehr sachlich lief die Diskussion im Münzhof ab, die etwa 200 Langenargener verfolgten. Eine Zusammenfassung.

Darum geht es

Reihenhäuser, Mehrfamilienhäuser, von der Gemeinde gebaut oder an junge Familien verkauft, Umwidmung der Streuobstwiese, Altlasten, Erschließung: Das alles steht erst einmal nicht zur Debatte. „Beim Bürgerentscheid geht es allein um die Frage, ob die Fläche bebaut werden soll oder nicht“, betonte Christian Baumgart mehrfach. Der Architekt und Städteplaner, der unter anderem Mitglied in den Gremien der Bundesstiftung Baukultur war, moderierte den Abend souverän.

Auch wenn die ein oder andere Frage aus dem Publikum unbeantwortet blieb, am Ende der Veranstaltung hatten Gegner und Befürworter einer Bebauung ihre Argumente vermittelt.

Außerdem wurde deutlich, dass sämtliche Fragen, die Umfang, Bauweise oder Eigentumsverhältnisse betreffen, erst im Bebauungsplanverfahren geklärt würden, sollte der Bürgerentscheid entsprechend ausgehen.

Die Argumente der Gegner

Warum seine Initiative dagegen ist, aus der Streuobstwiese Bauland zu machen, legte in einer Anfangsrunde zunächst Bernd Wahl dar, einer von drei Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens, das den Bürgerentscheid zur Folge hat.

Das Publikum hört aufmerksam zu, bei einigen Punkten wie Einheimischen-Modell oder Grundstückspreisen besteht jedoch Redebedarf.
Das Publikum hört aufmerksam zu, bei einigen Punkten wie Einheimischen-Modell oder Grundstückspreisen besteht jedoch Redebedarf. (Foto: ah)

Seine Kernaussage: Langenargen braucht Wohn– und Naturraum, beides dürfe jedoch nicht gegeneinander ausgespielt werden. Bernd Wahl griff unter anderem den Siedlungsdruck in den Gemeinden am See auf, betonte aber besonders, wie viele Tier– und Pflanzenarten schon verloren gegangen seien, weil sie keinen Lebensraum mehr hätten.

Eine seiner Forderungen: Die Entwicklung von Baugebieten auf die 8,6 Hektar zu beschränken, die der Flächennutzungsplan für Langenargen vorsieht — „und da sind der Mooser Weg und die geschützte Streuobstwiese nicht dabei“.

Peter Kraus, Gemeinderat der Offenen Grünen Liste (OGL), die gegen die Aufstellung eines Bebauungsplans für den Grünstreifen gestimmt hatte, brachte eine ganz andere Fläche ins Spiel: Das Grundstück am Strandbad, das Stiftungseigentum ist, biete sich aufgrund der Größe und Lage viel besser an. Voraussetzung: Dieses Areal wird nicht doch noch für den Neubau des Pflegeheims benötigt, das die Gemeinde dringend braucht und im Bereich des Auffangparkplatzes bauen will.

Die Punkte der Befürworter

Warum für sie an einer Bebauung kein Weg vorbeiführt, erläuterten Rainer Terwart, CDU–Fraktionsvorsitzender, und Albrecht Hanser, Gemeinderat der Freien Wählervereinigung (FWV). Beide Fraktionen hatten im vergangenen November mit ihren Stimmen die Entscheidung herbeigeführt, für die gemeindeeigenen Fläche einen Bebauungsplan im beschleunigten Verfahren aufzustellen.

Terwart und Hanser schlugen ein Kombi–Modell vor, in dem ein Teil der Fläche vor allem an junge Familien verkauft werden soll, die Reihen– oder Doppelhaushälften bauen könnten, und auf dem anderen Teil gemeindeeigene Wohnungen zu errichten.

Das schaffe dringend benötigten Wohnraum und bringe der Gemeinde Geld aus dem Verkauf von Grundstücken und Mieteinnahmen für neue Projekte. „Wir sehen die Bebauung als Startschuss für einen kommunalen Eigenbetrieb Bauen und Wohnen“, betonte Rainer Terwart.

Was den Naturschutz angeht, sollen die Streuobstbäume auf eine andere Streuobstwiese umgesetzt werden. Ausgleichsflächen für die Bebauung seien in Oberdorf beim Sportplatz vorhanden, berichtete Albrecht Hanser. Seine Feststellung: „Für uns hat die Fläche am Mooser Weg den Charakter einer Baulücke“, zumal in der Nachbarschaft bereits Häuser stehen würden.

Die Fragerunde

Auf dem Podium stellten sich schließlich Bürgermeister Münder und die beiden Gruppierungen den Fragen aus dem Publikum. Und davon gab es reichlich. Eine junge Frau begrüßte beispielsweise zunächst den offensichtlichen Konsens darüber, dass Wohnraum für junge Familien geschaffen werden müsse. Ihre konkrete Frage: „Was tut die Gemeinde aktiv, um die Entwicklung sinnvoller Flächen voranzutreiben?“

Die Antwort übernahm der Bürgermeister: Eine Entwicklung sei nur dann sinnvoll, wenn sich die Fläche im Eigentum der Gemeinde befinde. Was Gräbenen VI angeht, stehe er in Kontakt mit den Grundstückseigentümern. Die Verhandlungen würden sich jedoch schwierig gestalten, unter anderem würden die Preisvorstellungen weit auseinander gehen.

Fragen, die ebenfalls gestellt wurden: Ist es überhaupt möglich, die Grundstücke am Mooser Weg nach einem Einheimischen–Modell zu vergeben? Und: Wie realistisch ist es, dass sich junge Familien die Flächen überhaupt leisten können?

Einheimische zu bevorzugen sei nicht zulässig, bemerkte Moritz Ott, der als Vertrauensperson des Bürgerbegehrens auf dem Podium stand. Hintergrund: Das EU–Recht, das in der Bevorzugung Ortsansässiger eine Diskriminierung Auswärtiger sieht. „Der Mooser Weg wird unsere Probleme nicht lösen“, versicherte Moritz Ott. Er forderte, intensiv nach alternativen Arealen zu suchen, auf denen die Baupläne von CDU und FWV umgesetzt werden könnten.

Auf die Frage, was ein Grundstück in der seenahen Lage kosten würde, lautete die Antwort des CDU–Fraktionschefs Terwart: „Ich weiß es nicht.“ Seine Anspielung darauf, dass eine Bebauung der Fläche in einem Bürgerentscheid 2018 bereits einmal abgelehnt wurde: „Wenn wir vor vier Jahren die Pläne umgesetzt hätten, wäre es jedenfalls wesentlich billiger gewesen.“ Klar sei, dass ein Reihenhaus nicht für 300.000 Euro zu haben sei, das gebe es allerdings in ganz Langenargen nicht, „schon gar nicht, wenn wir die Grundstücke vorher kaufen müssen“.

Das Fazit

Moderator Baumgart empfand die Diskussion am Mittwochabend als sehr sachlich. Polemik erkannte er keine. Sein Appell: „Behalten Sie das so bei, Sie haben und sind eine tolle Gemeinde. 5500 Quadratmeter sind es nicht wert, dass es zu einem dauerhaften Riss in der Bevölkerung kommt.“

Eine gute Nachricht zum Schluss: Gegner und Befürworter einer Bebauung versicherten, das Ergebnis des Bürgerentscheids zu akzeptieren — und nicht gegen eine beschlossene Bebauung weiter vorzugehen beziehungsweise eine Bebauung nicht erneut zum Thema zu machen.