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Baumrodung

Baumrodung bringt Demonstranten auf die Palme

Langenargen / Lesedauer: 5 min

Nachdem im Bereich „Höhe“ etliche Bäume gefällt worden sind, protestieren die Gegner der Aktion
Veröffentlicht:19.02.2019, 18:52

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Sichtbarer Protest: Etwa 40 Menschen haben am Montagnachmittag vor dem Rathaus dagegen demonstriert, dass die Gemeinde vergangene Woche im Bereich „Höhe“ in der Unteren Seestraße etliche Bäume roden ließ – Stichwort: Verkehrssicherheit. Auch im Rathaus, wo der Gemeinderat tagte, war die Fällaktion Thema. Das Gremium hatte im Oktober einstimmig für die Rodung gestimmt, jetzt zeigten sich einige wenige Gemeinderäte vom Umfang überrascht.

Das Ausmaß der Rodung – der Naturschutzbund ( Nabu ) Langenargen spricht von etwa 170 Bäumen, die gerodet wurden –, sorgt in Langenargen für Diskussionen. Dazu kommt, dass im Strandbad drei große Pappeln gefällt wurden, die Bürgermeister Achim Krafft zufolge krank gewesen seien und deshalb im Sommer eine Gefahr für die Besucher dargestellt hätten. Unter den Kritikern, die sich am Montag zur Demonstration zusammenschlossen: Naturschützer, Nachbarn oder auch Eltern, deren Nachwuchs in den Waldkindergarten geht, der auf dem Gelände der „Höhe“ zu Hause ist. Gemeinsam sangen sie: „O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün war’n deine Blätter.“

Umweltschutzamt mit im Boot

Grün ist in dem Bereich in der Unteren Seestraße tatsächlich nicht mehr viel. Der Grund: Um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten, hat die Gemeinde wie berichtet eine ausgeschossene Buchenhecke und etliche Fichten roden lassen. Der Streifen war jahrelang immer weiter Richtung Untere Seestraße zugewuchert. „Wir wollen unserer Verantwortung gerecht werden und müssen reagieren, bevor etwas passiert“, sagte Bürgermeister Krafft . Bevor zum Beispiel Äste abbrechen und Menschen verletzen. An dem Prozess der Rodung seien das Umweltschutzamt des Bodenseekreises und Baumexperten aus Lindau beteiligt gewesen. „Die Maßnahme war mit dem Umweltschutzamt abgestimmt“, bestätigt Robert Schwarz, Pressesprecher des Landratsamtes Bodenseekreis.

Sofern Flächen im Landschaftsschutzgebiet liegen würden, was für einen kleinen Teil des gerodeten Streifens zutrifft, sei eine behördliche Erlaubnis nötig. In allen Fällen müsse der Auftraggeber, ob kommunal oder privat, sicherstellen, dass Natur- und Artenschutzrechte nicht verletzt würden. Wie der Sprecher mitteilt, gebe es kein Mitspracherecht von Umweltgruppen, der Nabu sei jedoch vergangene Woche im Rahmen eines Quartalsgespräches informiert worden.

SPD-Fraktionsvorsitzender Charlie Maier, der ebenfalls für die Rodung gestimmt hatte, bezweifelte in der aktuellen Gemeinderatssitzung unter dem Punkt „Verschiedenes“, dass der Umfang der Rodung allen Beteiligten wirklich bewusst war. Ein Zweifel, den CDU-Gemeinderat Andreas Vögele nicht nachvollziehen konnte: „Wir haben das hier einstimmig beschlossen. Mir war klar, wie der Streifen hinterher aussieht.“ Jahrzehntelang sei dort nichts gemacht worden, jetzt sei es höchste Zeit gewesen.

Stimmungsschwankungen

Silke Falchs Vorwurf: Die Kommunikation habe nicht gepasst, das Ausmaß sei keineswegs allen klar gewesen, die Stimmung in Langenargen sei nicht nur deshalb schlecht. Die massiven Baumfällungen hätten große Turbulenzen ausgelöst, was laut Grünen-Gemeinderätin „sinnbildlich für das ist, was in Langenargen oft passiert“. Sie selbst sei in der entscheidenden Sitzung nicht anwesend gewesen und frage sich, warum so viele Menschen einfach vor vollendete Tatsachen gestellt würden.

Von einer allgemeinen schlechten Stimmung wollte CDU-Gemeinderat Bernd Kleiser nichts wissen. Vielmehr würden bestimmte Themen von bestimmten Kreisen hochgekocht: „Ich erlebe Langenargen ganz anders.“ Dem pflichtete Harald Thierer von den Freien Wählern (FW) bei, dem die Verallgemeinerung „ungemein stinkt“. Es gebe sehr viele Langenargener, die sich in der Gemeinde wohlfühlen und engagieren, nur eine Handvoll verbreite lautstark schlechte Stimmung. Eine Stellungnahme, der die Mehrheit der Gemeinderäte klopfend zustimmte.

Apropos Engagement: Als nächstes soll im Bereich der „Höhe“ ökologisch wertvoller Ersatz in Form einer niedrigen Hecke und von Eichen oder Pappeln geschaffen werden, berichtete Achim Krafft. Auch wenn es nicht allen so vorkomme, die Rodung sei mit Augenmaß vollzogen worden. Der Bürgermeister: „Wenn ich abwägen muss zwischen Busch oder Baum und der Sicherheit der Menschen, entscheide ich mich immer für die Menschen – auch wenn draußen Leute demonstrieren.“

Das sagt der Nabu

Der Nabu Langenargen war an der Planung der Rodung nicht beteiligt – und musste es laut Landratsamt auch nicht sein. Wie die Naturschützer auf SZ-Anfrage mitteilen, seien sie im Vorfeld auch nicht informiert worden, weder von der Gemeinde noch vom Umweltamt. Der Hinweis im Amtsblatt „Montfort-Bote“, dass Ende Januar auf der „Höhe“ gerodet wird, sei jedoch Anlass gewesen, beim Umweltamt nach Umfang, Genehmigung und ökologischen Voruntersuchungen zu fragen. Die Rodung habe aber entgegen der Ankündigung bereits am 11. Februar begonnen, weshalb keine Einwände hätten geltend gemacht werden können. Dabei seien Abstimmungen zwischen Nabu und Gemeinde sinnvoll und früher in Form von Umweltgesprächen durchaus üblich gewesen.

Verkehrssicherung und Gehölzschnitte gehörten zur Landschaftspflege genauso wie die Sicherung von Naturräumen, Biotopen und geschützten Habitaten. Dies stelle per se keinen Widerspruch dar, erfordere aber ein Vorgehen, das die verschiedenen Aspekte aufeinander abstimmt. Die aktuelle Aktion, bei der laut Nabu etwa 170 Bäume gerodet wurden, bezeichnen die Naturschützer als „großen Eingriff in das Ökosystem des Schwediwaldes, der sich negativ auf dort lebende geschützte Arten auswirkt und zum Teil auch zum Verschwinden dieser Arten beitragen kann“. Wieweit die dort noch vorhandene, teils seltene Vogel- und Fledermausfauna oder die Insekten und Amphibien beeinträchtigt worden seien, erfordere ökologische Untersuchungen.

Die Forderung der Naturschützer: Um glaubwürdig den Schutz und die ökologische Entwicklung der „Höhe“ voranzubringen, sollten jetzt aber auch die Schutt- und Aushubablagerungen auf der Höhe entfernt und der Schutzstatus der „Höhe“ weiter erhöht werden. Hinsichtlich der neuen Bepflanzungen wünscht sich der Nabu, von der Gemeinde bei der Planung beteiligt zu werden.