Fast 100 Jahre alt

Historische Auto-Fähre „Konstanz“ bekommt modernen Elektroantrieb

Konstanz / Lesedauer: 5 min

Das aufwendige Projekt soll Technologien für eine klimafreundliche Schifffahrt vorantreiben. Bei der Planung kommen nicht nur ausgewiesene Experten zum Zug.
Veröffentlicht:15.04.2023, 17:00

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  • Author ImageHildegard Nagler
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Eine alte Dame als Pionierin: Die Fähre „Konstanz“, Baujahr 1928, soll als erstes Fahrgastschiff auf dem Bodensee mit einem Elektroantrieb ausgerüstet werden, der auf brennstoffzellenbasierter Technik mit Strom versorgt wird.

Andreas Ellegast, Vorsitzender des Vereins „Rettet die Meersburg ex Konstanz“, verspricht sich von dem Projekt Großes: „Diese Technologie sollte nach diesen Untersuchungen und Planungsgrundlagen für jedes Schiff ohne weitere Vorarbeiten möglich sein.“

Beinahe 100 Jahre Geschichte hat die alte Dame zu erzählen. Die Beschaffung der „Konstanz“, die „Mutter aller Fähren“, wurde am 27. Januar 1927 vom Konstanzer Stadtrat beschlossen. Sie sollte die erste Binnensee–Automobilfähre Europas werden.

28 Gemeinden des Linzgaus und einige andere Interessenten waren mit den Plänen der Konstanzer nicht einverstanden. In ihrem Einspruch beim Badischen Ministerium hieß es unter anderem, dass das Projekt Konstanz–Meersburg gleichbedeutend wäre mit einem wirtschaftlichen Ruin für den ganzen Überlinger See und seine Umgebung.

Hohe Nachfrage

Trotz großen Widerstands wurde das Fährschiff gebaut. Am 21. Juni 1928 fuhr die „Konstanz“ erstmals in den Konstanzer Hafen ein. Am 30. September 1928 nahm das Schiff den Fährverkehr auf, transportierte edle und nicht so edle Karossen über den See.

Die Nachfrage war so stark, dass bereits am 25. April 1930 eine zweite Fähre vom Stapel lief. Die erste, die unter dem Namen „Konstanz“ auf dem See unterwegs war, wurde in „Meersburg“ umgetauft, die neue zweite Fähre trug ab sofort den Namen „Konstanz“.

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Die alte Fähre „Konstanz‟ fährt momentan nur zu wenigen Ausfahrten auf den See hinaus. (Foto: Ellegast)

Als die erste Fähre am 21. Oktober 1963 nach 35 Jahren Fahrzeit aus dem Dienst entlassen wurde, hatte sie sechs Nachfolgeschiffe erlebt und eines der transportstärksten Fährunternehmen und größten Binnen–Fährunternehmen Europas begründet. Fortan arbeitete die ausgemusterte, jetzt „Lukas“ genannte Fähre als Bagger– und Rammschiff für verschiedene Eigentümer, bis sie an der Überlinger Mole abgestellt wurde.

Nachdem einem Zwischenstopp in der Kressbronner Mutterwerft schleppte ein Feuerlöschboot der Feuerwehr Konstanz die Fähre unter die neue Rheinbrücke. Dort wurde das Schiff von Grund auf restauriert. 1,85 Millionen Euro waren nötig, um es wieder auf Vordermann zu bringen — deutlich mehr als die ursprünglich veranschlagten 900.000 Euro. Trotzdem hielt der Verein dank der Unterstützung von Spendern und Sponsoren durch.

Modernisierung geht weiter

„Im Prinzip richten wir zwei Schiffe her“, hatte 2008 der damalige Baustellenleiter Joannes Gerlitzki gesagt. „Wir restaurieren das alte Schiff und bauen neue Techniken ein, wie es auf dem See vorgeschrieben ist. Das ist ein großer Aufwand.“ Gerlitzki, gelernter Schlosser und Schmiedemeister, stand seinerzeit auf dem beeindruckend großen Deck der alten Fähre.

Und jetzt also soll das alte Schiff, das wieder seinen ursprünglichen Namen „Konstanz“ trägt, mit moderner Technik ausgestattet werden. Die Idee dazu hatte Vereinsvorsitzender Andreas Ellegast, Sachverständiger für Schiffs– und Bootsbau und früher Leiter des Schifffahrtsamts des Landkreises Konstanz.

Er hält es für „spannend, mit ganz leisem Antrieb über den See zu fahren“. Bei Events mit Musik beispielsweise sei „nichts schlimmer als Dieselgestank und Lärm“.

Starke Partner

Warum nicht mit einem Elektroantrieb ausgerüstet, der auf brennstoffzellenbasierter Technik mit Strom versorgt wird, unterwegs sein? „Alle, denen ich von dieser Idee erzählt habe, sind begeistert“, sagt Ellegast.

Peter Stein, Professor an der Fakultät Maschinenbau der Hochschule Konstanz (HTWG Konstanz), freue sich über die Initiative des Vereins. Das Projekt biete neben allgemeinen Forschungsthemen auch Raum für die Ausbildung von Studierenden, insbesondere in Form von Abschlussarbeiten oder Studierendenprojekten.

Zudem soll das Schiff als schwimmendes Labor genutzt werden. Die Ergebnisse dieser Vorhaben müssen technische Regeln sein, die Einzug in die für den Schiffsverkehr genannten Vorschriften finden. Hierzu wird die Zusammenarbeit mit einer Klassifikationsgesellschaft gesucht.

„Der Verein hat sich mit sehr kompetenten Partnern zusammengetan“, betont Ellegast. „So ist die HTWG Konstanz, eine Fachhochschule in Konstanz, mit Peter Stein im Team. Vom „International Solar Energy Research Center Konstanz“ (ISC Konstanz) als eingetragener gemeinnütziger Verein sind Dr. Kristian Peter und Franz Reichenbach dabei und Eric Hueber, Ingenieurbüro Überlingen, ist ebenfalls im Boot.“

Mit Tempo vorwärts

Andreas Ellegast macht Dampf. Über das Bürgerbudget fördert die Stadt Konstanz die Planungsphase mit 19.000 Euro. Sie soll dieses Jahr abgeschlossen werden. Dann stehe Projektphase an: Nach erteilter Genehmigung sollen die entsprechenden Komponenten in die Fähre eingebaut und ausprobiert werden.

Noch sei es zu früh, etwas zu den Kosten zu sagen, meint der Fachmann. Er hoffe aber, dass das Projekt finanzierbar sei. Derzeit würden solche Antriebe vom Bund mit bis zu 80 Prozent gefördert.

Wesentliches Planungsziel sei die Lieferkette von grünem Wasserstoff beziehungsweise auf wasserstoffbasiertem Brennstoff wie beispielsweise Methanol. Außerdem müssten unter anderem die sichere Betankung des Schiffes und die Zulassungsfähigkeit dieser Technologie nach den Bauvorschriften der Binnenschiffs–Untersuchungsordnung in Verbindung mit der Bodensee–Schifffahrtsordnung geplant werden.

Diese zukunftsweisende Technologie für die Konstanz könnte für die gesamte gewerbliche Schifffahrt eine Alternative zu den Dieselmotoren sein.

Andreas Ellegast

„Unser Verein selbst wird aufgrund des derzeitigen geringen Treibstoffverbrauchs keinen positiven wirtschaftlichen Effekt erzielen“, sagt Ellegast. Für den Verein erhoffe er sich allerdings durch Abschlussarbeiten über die HTWG, junge Menschen zu gewinnen.

Er sieht, wie er selbst sagt, das Projekt als sehr guten Beitrag zum Klimaschutz, da diese Technologie nach diesen Untersuchungen und Planungsgrundlagen für jedes Schiff ohne weitere Vorarbeiten möglich sein sollte.

Die alte Fähre Konstanz eigne sich besonders gut für ein derartiges Projekt, da dieses Schiff keinen regelmäßigen Fahrplan einhalten müsse und es vergleichsweise wenig Ausfahrten gebe, heißt es vonseiten des Vereins.

„Diese zukunftsweisende Technologie für die Konstanz könnte für die gesamte gewerbliche Schifffahrt eine Alternative zu den Dieselmotoren sein“, meint Andreas Ellegast. Bis es so weit ist, geht aber noch Zeit ins Land: Frühestens 2024, eher 2025, schätzt der Experte, sei es so weit.