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Raumsonde auf 12-jähriger Mission: Ist Leben auf Jupiter–Monden möglich?

Immenstaad / Lesedauer: 5 min

1,6 Milliarden Euro lässt sich die ESA eine Mission zu den Jupiter–Monden kosten. Was man sich davon erhofft und warum die Reise zum Ziel über acht Jahre lang dauert.
Veröffentlicht:08.04.2023, 05:00

Von:
  • Alexander Tutschner
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Der italienische Astronom Galileo Galilei hat die großen Jupiter–Monde entdeckt und 1610 in der Schrift „Sidereus Nuncius“ erstmals beschrieben. Mit der von Airbus in Immenstaad gebauten Raumsonde Jupiter Icy Moons Explorer (Juice) unternimmt die Europäische Weltraumorganisation ESA jetzt eine Forschungsmission, um die drei Eismonde Europa, Ganymed und Callisto genauer zu untersuchen.

Zwölf Jahre dauert das 1,6 Milliarden Euro teure Unterfangen. Start ist am 13. April, dann soll Juice mit einer Ariane–5-Rakete vom Weltraumbahnhof Kourou (Französisch Guyana) ins All geschossen werden.

„Es geht darum, herauszufinden, ob es auf den Jupiter–Monden eine Umgebung gibt, die Leben ermöglichen würde“, sagt Rüdiger Hartwich, bei Airbus Leiter der Erdbeobachtungs– und Wissenschaftsprojekte. Bekannt sei bislang, dass es unter der harten Oberfläche der Monde Flüssigkeit gibt. Diese hat das Interesse der Wissenschaft vor allem geweckt.



Die beiden Jupiter–Monde Ganymed und Callisto sollen im Rahmen der Juice–Mission hauptsächlich untersucht werden. Auch über deren Atmosphäre will man Neues erfahren. Der dritte Mond Europa wird von einer speziellen NASA–Mission (Europa–Clipper), die kommendes Jahr startet, erforscht.

3,5 Tonnen Treibstoff

Bis die Untersuchungen beginnen, wird noch eine lange Zeit verstreichen: über acht Jahre ist Juice im All unterwegs, bis sie den Jupiter erreicht. Bei einem Leergewicht von rund zweieinhalb Tonnen hat die Raumsonde dazu noch 3,5 Tonnen Treibstoff an Bord.

Um zum Jupiter zu gelangen, unternimmt JUICE mehrere Flyby-Manöver. (Foto: Airbus)

Der würde jedoch mit der heutigen Raketentechnik niemals ausreichen, um direkt zum Jupiter zu fliegen. Möglich machen es sogenannte „Flyby–Manöver“.

„Man fliegt an den Planeten vorbei und nimmt ihnen ein bisschen der Bewegungsenergie“, sagt Markus Faust, der Chef der Juice–Mission bei Airbus in Immenstaad.

Sternenkonstellation muss passen

„Gravity Assist“ lautet der Fachbegriff für diese Methode, die Raumsonde holt also auf ihrer Reise mehrmals Schwung durch Schwerkraftumlenkung. Weil die Venus dafür besonders geeignet ist, fliegt JUICE (nach Umrundung von Mond und Erde) zunächst einmal in die „falsche“ Richtung weg vom Jupiter.

Nach dem Vorbeischwungmanöver an der Venus (2025) folgen zwei Runden um die Erde in verschiedenen Bahnen (2026 und 2029), bevor die Raumsonde die richtige Geschwindigkeit hat, um Kurs auf den Jupiter zu nehmen.



Um Juice auf diese Reise zu schicken, „muss die Sternenkonstellation genau passen“, sagt Faust. Das Startfenster reiche vom 13. noch bis zum 30. April.

Die Kontrolle der Mission haben die Wissenschaftler im Europäischen Satellitenkontrollzentrum in Darmstadt (ESOC). Wenn sich nach dem Start bis etwa zum Herbst alle Antennen ausgeklappt haben und die Instrumente startklar sind, ist der Job für die Airbusingenieure erledigt. Sie stehen aber bereit, falls es Probleme mit dem Satelliten gibt.

Antenne schaut Kilometer weit in die Erde

Die Juice–Raumsonde hat zehn hochmoderne wissenschaftliche Instrumente aus aller Welt an Bord. Darunter ist eine 16 Meter breite RIME–Antenne, die vom Immenstaader Unternehmen SpaceTech gebaut wurde.

Mit einem niederfrequenten Radar soll die Zusammensetzung der Oberflächen der Monde laut Airbus bis zu einer Tiefe von neun Kilometern untersucht werden. Die Daten, die Juice beim Umfliegen der Monde sammelt, erreichen das Kontrollzentrum in Darmstadt innerhalb von etwa 50 Minuten.

Die Raumsonde JUICE soll drei Jahre lang die drei Jupiter-Monde Ganymed, Callisto und Europa untersuchen. Der Satellit wurde im Reinraum von Airbus in Immenstaad integriert. (Foto: Airbus)

Insgesamt dauert die wissenschaftliche Phase von JUICE etwa drei Jahre, dann stürzt die Raumsonde kontrolliert auf den Ganymed–Mond ab.

Größtes Solarpanel

Eine besondere Herausforderung stellt bei der Mission die Energieversorgung dar. Am Jupiter hat es laut Airbus bis zu minus 230 Grad Celsius, die Sonnenintensität ist extrem niedrig und die Strahlenbelastung sehr hoch.

Die Juice–Raumsonde hat deshalb das größte Solarpanel an Bord, das jemals bei einer interplanetaren Mission im Einsatz war. Es hat ausgeklappt eine Spannweite von 27 Metern. Speziell entwickelte Solarzellen kommen von der Firma Azur bei Heilbronn. „Auf 85 Quadratmetern Fläche gewinnen wir nur 800 Watt Leistung“, sagt Faust.

Die JUICE-Raumsonde ist mit dem größten Solarpanel ausgestattet, das je für einen interplanetare Mission verwendet wurde. (Foto: JB Accariez/Airbus)

Damit könne man gerade mal einen Toaster betreiben. In Zusammenarbeit mit einer Batterie müssen damit die Sonde beheizt und die Instrumente betrieben werden.

100 Mitarbeiter im Einsatz

Seit 2014 arbeiteten bis zu 100 Ingenieure und Techniker in Immenstaad an Entwicklung und Bau von Juice. Etwa ein Jahr dauerte alleine die Integration, also das Zusammenbauen der Raumsonde im Integrated Technology Center (ITC), dem größten und modernsten Reinraum Europas.

Insgesamt rund 100 Ingenieure und Techniker haben an der JUICE-Raumsonde bei Airbus in Immenstaad geschraubt (Foto: Airbus)

Insgesamt 1,6 Milliarden Euro lässt sich die ESA die komplette rund 12–jährige Mission kosten, rund 600 Millionen Euro gehen laut Airbus an die Industriebetriebe, die Juice unter Federführung von Airbus Defence & Space hergestellt haben. Weitere 200 bis 300 Millionen Euro kosten die Instrumente.

Außerordentliche Teamleistung

Dass man trotz Corona und Problemen mit Lieferketten den Fertigstellungstermin nur um knapp ein Jahr verpasst hat, verdanke man einer „außerordentlichen Teamleistung“ sagt Hartwich, gerade bei der Komplexität der Mission.

Der Start war ursprünglich für August 2022 geplant. In Erinnerung an „Sidereus Nuncius“ wurde auf die Juice–Raumsonde eine Plakette mit dem lateinischen Originaldokument aufgelasert. Galileo Galilei wäre sicher begeistert von dieser Mission.