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Seenotrettung 

Immenstaaderin rettet auf dem Mittelmeer Menschen vor dem Ertrinken

Immenstaad / Lesedauer: 6 min

Immer wieder sterben Menschen auf der gefährlichen Fluchtroute. Laura König war auf einem Schiff dabei, das Leben rettet – und hat dabei Eindrückliches erlebt.
Veröffentlicht:29.01.2023, 08:00

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Zwei Wochen lang hat Laura König aus Immenstaad im Herbst an der sizilianischen Mittelmeerküste bei der Seenotrettung von Geflüchteten geholfen. Sie war Teil der Crew eines Segelschiffs, das der Organisation r42 gehört.

Ihr Ziel: Menschen, die auf der gefährlichen Fluchtroute übers Mittelmeer nach Europa kommen wollen, vor dem Ertrinken retten. Oft treffen sie dabei auf kleine Boote, auf denen sich mehrere Dutzend Geflüchtete drängen – und auch mit den örtlichen Behörden müssen sie sich herumschlagen.

Laura König ist in Immenstaad aufgewachsen, hat in Friedrichshafen ihr Abitur gemacht. Nach der Ausbildung zur Rettungssanitäterin studierte sie Medizin. Aber während ihres Studiums habe sie immer wieder gezweifelt, sagt die 29-Jährige.

Caroline Günther und zwei gerettete Geflüchtete auf der „Imara‟.
Caroline Günther und zwei gerettete Geflüchtete auf der „Imara‟. (Foto: r42)

„Mir ist es ein Bedürfnis, dass ich mit meinem Beruf sinnvolle Dinge tun kann – und zwar auch an Stellen, wo kein ausgeklügeltes Gesundheitssystem vorhanden ist.“ Deshalb habe sie sich mit der Seenotrettung auf dem Mittelmeer auseinandergesetzt und verschiedene Organisationen kontaktiert.

Viele sterben bei der Flucht übers Meer

So habe sie in Erfahrung gebracht, dass die Organisation r42 noch Helfer auf ihrem Segelschiff „Imara“ suchte. „Es ist immer ein Puzzlespiel, bis die Crew für eine Mission steht“, sagt Caroline Günther, die bei r42 für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.

Die Mannschaft müsse aus Personen mit medizinischem Knowhow, also Ärztinnen oder Sanitätern, bestehen. Außerdem müssten Schiffsmechanikerinnen und Menschen, die für die Kommunikation – zum Beispiel mit den Küstenwachen – zuständig sind, dabei sein, erklärt die 41-Jährige.

Die Routen der Fluchtboote sind zum Teil vorhersehbar. Daran kann man sich orientieren.

Caroline Günther von der Organisation r42

„Ich habe dann in die Crew für den Herbst gepasst“, sagt Laura König. Offizieller Beginn der Mission sei Ende September gewesen. „Wir haben uns auf Sizilien getroffen. Erst haben wir uns an Land vorbereitet“, so die Immenstaaderin. Anfang Oktober habe das Segelschiff dann aufbrechen können. Ihre Route führte sie meist in die maltesische Seezone, aber auch in italienische und libysche Gewässer.

Die Flucht über das Mittelmeer ist sehr gefährlich und fordert jedes Jahr zahlreiche Menschenleben. Allein im Jahr 2022 starben oder verschwanden laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen knapp 2000 Geflüchtete auf der Route.

So arbeiten die Seenotretter

Aber wie bekommen die Seenotretter überhaupt mit, dass jemand auf dem Meer Hilfe braucht? „Wir sind mit anderen Akteuren vernetzt, die auf dem Mittelmeer unterwegs sind“, berichtet Caroline Günther.

So gebe es etwa die Initiative Alarm-Phone, deren ehrenamtliche Mitarbeiter Anrufe von Geflüchteten, die in Seenot geraten sind, entgegennehmen. „Von ihnen bekommen wir Positionsdaten. Aber auch von anderen Organisationen, die mit Schiffen oder Flugzeugen unterwegs sind“, erläutert sie.

Auf den kleinen Booten drängen sich oft viele Geflüchtete, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren.
Auf den kleinen Booten drängen sich oft viele Geflüchtete, die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren. (Foto: r42)

Zudem stoße die Crew teils auch zufällig auf Boote, wenn sie Patrouille fährt. „Die Routen der Fluchtboote sind zum Teil vorhersehbar. Daran kann man sich orientieren“, sagt Caroline Günther.

Hauptaufgabe der „Imara“ sei die Ersthilfe: „Wenn wir auf Boote treffen, unterstützen wir medizinisch, versorgen die Menschen mit Trinkwasser und Lebensmitteln und koordinieren die Rettung“, so Laura König.

Außerdem kümmere sich r42 um sogenanntes Monitoring. „Dabei schauen wir, was auf dem Mittelmeer passiert. Was machen die Küstenwachen aus Libyen, Tunesien oder Malta?“, erklärt Caroline Günther.

Die Seenotretter hören Funksprüche ab und dokumentieren sie. Ziel sei es, einen Überblick zu bekommen über „nicht-rechtskonforme Handlungen“, so Günther. Zum Beispiel über sogenannte Pushbacks – also das, teils gewaltsame, Zurückdrängen von Migranten.

Das war der intensivste Einsatz der Crew

Insgesamt erlebte Laura König während ihrer Zeit an Bord fünf Einsätze, bei denen die Crew auf Flüchtlingsboote traf. Besonders drastisch sei der letzte davon gewesen, erzählt sie. „In diesem Boot waren 55 Menschen. Wir waren insgesamt 27 Stunden auf der Suche, bevor wir es fanden.“

Das Problem: Zunächst seien die GPS-Daten, die die Seenotretter bekamen, nicht eindeutig gewesen. Außerdem sei der Umgang mit den eigentlich zuständigen Autoritäten immer wieder schwierig.

Die maltesische Küstenwache habe nicht auf Rettungsrufe per Funk reagiert, sagt Caroline Günther. Also habe man die Italiener angefunkt, die zwar reagiert hätten – aber lediglich mitteilten, nicht zuständig zu sein.

Wir haben das Boot neun Stunden begleitet und immer wieder um Hilfe gerufen.

Laura König

„Das war ein ziemlich paradigmatischer Fall, der zeigt, wie es in der Seenotrettung läuft. Niemand fühlt sich zuständig“, berichtet sie. Die 55 Geflüchteten an Bord der „Imara“ aufzunehmen, hätte im Übrigen auch nicht funktioniert, da auf dem 14 Meter langen Schiff nicht so viele Menschen Platz haben.

Zwischenzeitlich sei auch ein großer Militärhubschrauber aus Malta über den beiden Booten gekreist – allerdings, ohne zu helfen. „Das war eindrücklich und beängstigend“, sagt Laura König.

Wie viele Menschen die Ehrenamtlichen gerettet haben

So zog sich der Einsatz über einen langen Zeitraum. „Wir haben das Boot neun Stunden begleitet und immer wieder um Hilfe gerufen“, erzählt die Immenstaaderin. Während dieser Zeit versorgten sie die Geflüchteten mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Medizin.

Unterstützung sei letztendlich überraschend von der italienischen Küstenwache gekommen. Die Beamten hätten die Geflüchteten abgeholt, obwohl sie nicht zuständig seien, so die 29-Jährige.

Die Küstenwache hilft – allerdings sind die Behörden oft nicht besonders kooperativ.
Die Küstenwache hilft – allerdings sind die Behörden oft nicht besonders kooperativ. (Foto: r42)

Zurück in Deutschland ist Laura König froh über ihren Einsatz am Mittelmeer. Doch gibt sie auch zu: „Das ist emotional und körperlich sehr anstrengend.“ Sie würde irgendwann gern wieder mitfahren, möchte sich in den nächsten Jahren aber erst einmal „an Land und im Hintergrund engagieren“.

Insgesamt haben die Seenotretter von r42 2022 bei sechs Missionen mehr als 450 Menschen vor dem Ertrinken gerettet. Aktuell befindet sich das Segelschiff „Imara“ in der Winterpause. „Wir müssen ein paar Dinge am Schiff instandsetzen und die neuen Missionen organisieren“, sagt Caroline Günther.

Die Arbeit der Seenotretter finanziert sich übrigens ausschließlich über Spenden. „Wir freuen uns über jede finanzielle Unterstützung“, so Günther.


Weitere Informationen zur Organisation r42 gibt es im Internet unter:

www.r42-sailtraining.org