Internationale Projekte
Airbus schafft 130 neue Jobs am Bodensee - neuer Standortleiter benannt
Immenstaad / Lesedauer: 5 min

Alexander Tutschner
Die 2000 Airbus–Mitarbeiter am Standort Immenstaad bekommen einen neuen Chef: Der 60–jährige Andreas Lindenthal folgt als Standortleiter auf Dietmar Pilz, der Airbus im Mai verlässt und ins Direktorium der Europäischen Weltraumorganisation ESA wechselt. Pilz übergibt ein gut bestelltes Haus, das wurde am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz deutlich.
„Das Airbus–Team hat sich intensiv auf die Zukunft vorbereitet“, sagte Dietmar Pilz, der vor 36 Jahren seinen ersten Ferienjob auf dem Betriebsgelände in Immenstaad antrat. 22 Jahre war Pilz schließlich bei Airbus festangestellt, sechs Jahre lang Standortleiter. „Ich bleibe der Raumfahrtbranche erhalten“, sagte Pilz. Er übernimmt ab Mai die Aufgabe als Technischer Direktor bei der ESA.
Coronakrise gemeistert
In den vergangenen Jahren sei er auch als Krisenmanager gefragt gewesen. „Wir waren jederzeit voll handlungsfähig, mussten den Standort nie schließen und haben geliefert“, bilanzierte Pilz die Coronazeit. Allein zur Pandemie habe er an 250 Online–Meetings teilgenommen.
Auch in der Energiekrise habe man schnell handeln müssen. „Wir haben es geschafft, den ganzen Standort vom Gas unabhängig zu machen“, sagt Pilz. Inklusive Reinraum seien alle wichtigen Bereiche so aufgestellt, dass man kurzfristig auf Öl umstellen kann.

Künftig will Airbus in Immenstaad aber verstärkt auf Nachhaltigkeit setzen. Pilz nannte zum Beispiel Solarzellen für alle Dachflächen oder 50 neue E–Ladestationen.
Auch in die Gebäudeinfrastruktur will man investieren und zum Beispiel das Bodenseewasser als Wärmequelle nutzen. „Wir versuchen, die lokale Politik hier auf unsere Seite zu ziehen“, sagte Pilz. Es gehe um riesige Energieeinsparung und CO2–Verminderung.
Arbeitsplatz der Zukunft
Investieren will man in Immenstaad auch in die Büroinfrastruktur. Man wolle moderne Working–Areas schaffen, „die dem genügen, was die Mitarbeiter heute im Bereich Hochtechnologie erwarten“. Der Arbeitsplatz der Zukunft soll laut Pilz außerdem eine Outdoor–Working–Area beinhalten.
Auch eine eigene Kindertagesstätte gehöre dazu. Einen zweistelligen Millionenbetrag investiert Airbus am Standort aktuell, um den alten Reinraum für die Anforderungen von heute fit zu machen, sagte Pilz.

Wichtig sei für ihn immer der Zusammenhalt der Mitarbeiter am Standort gewesen, sagte Pilz. Gerade das Zusammenführen der beiden früher eigenständigen Geschäftsbereiche Raumfahrt und Verteidigung habe ihm immer am Herzen gelegen.
„Austausch, Offenheit und Diversität waren fundamental bei der Integration“, sagte Pilz. Am Standort sei ein schlagkräftiges, internationales Team zusammengewachsen.

Ein weiter Schwerpunkt sei gewesen, Airbus in der Region als verlässlichen Partner und attraktiven, modernen Arbeitgeber zu verankern. Er nannte die Zusammenarbeit mit Hochschulen, Kommunen und den anderen großen Firmen.
Der Fokus müsse dabei immer auf die Zukunft ausgerichtet sein. „Wir wollen der führende deutsche Standort für die Realisierung komplexer Kundensysteme bleiben.“
Zentrum von Verteidigungsprojekt
130 neue hochqualifizierte Arbeitsplätze sollen jetzt entstehen am Bodensee–Airbus–Standort. Das liegt unter anderem daran, dass Airbus im Dezember den Auftrag zur Entwicklung des europäischen Luftverteidigungssystem Future Combat Air System (FCAS) bekommen hat. Deutschland, Frankreich und Spanien arbeiten hier zusammen.

Die Zentrale des wegweisenden Verteidigungsprojekts, bei dem verschiedene Teile der Streitkräfte digital über eine Cloud vernetzt werden, ist in Immenstaad. Dafür soll am Standort ein eigens Defence–Center eingerichtet werden.
Mögliche ISS–Nachfolge
Für die „Eurodrone“, die von Airbus federführend entwickelt und gebaut wird, kommen laut Pilz wichtige Komponenten vom Bodensee. Auch die Beteiligung von Airbus an der von dem amerikanischen Unternehmen Voyager Space privat finanzierten Raumstation Starlab als mögliche Nachfolge der ISS ist für den Standort wichtig. Genauso wie die Erdbeobachtungssatelliten aus dem europäischen Copernicus–Programm.

Europas größter und modernster Reinraum in Immenstaad wird demnach auch in Zukunft gut ausgelastet sein. Mit den Erdbeobachtungssatelliten Sentinel 2C, 2D und 6B werden hier gerade drei komplett fertiggestellte Copernicus–Satelliten eingelagert. Sie sind sozusagen im Winterschlaf und warten auf ihren Einsatz im Weltall. Dass die ESA ihr Raumfahrtbudget erhöht hat, lässt laut Pilz auf weitere Aufträge hoffen.
Airbus–Urgestein leitet Standort
Auch Andreas Lindenthal kann auf eine lange Airbus–Tradition verweisen. Der Ingenieur aus dem Bereich Luft– und Raumfahrttechnik begann 1987 in Immenstaad, arbeitete in verschiedenen Funktionen an verschiedenen Airbus–Standorten in Jena, Toulouse und Ottobrunn.

Rund fünf Jahre war Lindenthal dann in der Geschäftsführung von OHB und leitete das operative Geschäft bei dem Luft– und Raumfahrtkonzern. Im Dezember 2019 kehrte er zurück zu Airbus als Head of Space Systems Business Operations & Products und Head of Space Systems Gemany.
Europaweit ist er dabei schon jetzt für rund 2500 Mitarbeiter an zehn Standorten in fünf Ländern verantwortlich. Er übernimmt die Standortleitung in Immenstaad zusätzlich und berichtet weiter direkt an den Spacesystem–Chef Jean–Marc Nasr.
Lindenthal hat sein Büro in Immenstaad, lebt aber privat am Wörthsee. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter. Neben Beruf und Familie sind für ihn Reisen und Golfspielen wichtig.
„Ich bin zu 100 Prozent Raumfahrer“, sagte Lindenthal. In die militärischen Bereiche muss er sich einarbeiten. Helfen werde ihm hier die Tatsache, dass auch in der Verteidigung die Raumfahrt eine immer größere Rolle spiele. Egal um welchen Bereich es geht, „ich glaube, der Standort und seine Mitarbeiter sind hervorragend gewappnet.“