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Zeitzeugenbericht: So war das erste Seehasenfest in Friedrichshafen

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Strenge Regeln, eingefärbte Morgenmäntel und ein verlockendes Angebot: Anneliese Schneider erinnert sich an das erste Seehasenfest in Friedrichshafen.
Veröffentlicht:13.07.2023, 19:00

Von:
  • Stefanie Czuday
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Jedes Kind in Friedrichshafen kennt die Geschichte vom Seehas, der auf dem Grund des Bodensees lebt und dort sein Tiefseemöhrenfeld bestellt. Doch wie lief das erste Seehasenfest im Jahr 1949 ab, als Friedrichshafen unter den Nachwehen des Krieges zu leiden hatte und es den Seehas noch nicht gegeben hat? Die damals 14–jährige Anneliese Schneider erinnert sich.

„Wir kannten nur Fliegeralarm, Bomben, kaputte Häuser, Hitlers Geburtstag am 20. April und den 1. Mai“, erzählt Anneliese Schneider.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im Jahr 1945, lag Friedrichshafen in Trümmern. Der damalige Stadtrat Konstantin Schmäh habe den Häfler Kindern wieder einen Anlass zur Freude bereiten und schöne Erinnerungen schaffen wollen.

Anneliese Schneider (im Vordergrund) und ihre Klassenkameradinnen überreichen Stadtrat Konstantin Schmäh (hinten rechts) und Bürgermeister Max Grünbeck (vorne) Tee auf dem Schiff. (Foto: Privat/ Anneliese Schneider)

Einen Unterstützer fand er im damaligen Bürgermeister Max Grünbeck. Damit war die Idee für das beliebte Bürgerfest geboren, das 1949 seine Premiere feierte — damals noch ohne Seehas.

Erster Seehas kam erst 1950

„Der kam erst ein Jahr später und war ein Schulkollege von mir“, sagt die Zeitzeugin. Den Namen Seehasenfest trug es aber von Anfang an. Dieser geht auf die Anreiner zurück, die als Seehasen bezeichnet wurden.

Anneliese Schneider war im Jahr 1949 gerade 14 Jahre alt und besuchte die achte Klasse in Fischbach. Bei der Wahl der Kostüme war Kreativität gefragt, erzählt die Zeitzeugin: „Man brauchte Material, und das war nach dem Krieg rar.“

Weil viele der Mädchen in Annelieses Klasse lange schwarze Haare hatten, verkleideten sie sich als Japanerinnen. Dafür wurden ihnen extra die Haare frisiert.

Wohlhabende Damen halfen bei den Kostümen aus

„Die Morgenmäntel haben wir von den betuchteren Damen aus Friedrichshafen bekommen“, erinnert sie sich. Anneliese und ihre Klassenkameradinnen durften auf dem Seehasenschiff mitfahren, wo sie Grünbeck und Schmäh Tee servierten.

Wir durften diesen Wagen nicht verlassen.

Anneliese Schneider

Für den anschließenden Festumzug durften die Mädchen auf einem Wagen mitfahren, während die jüngeren Schüler mit Blumen in den Händen hinter ihnen herliefen. „Wir durften diesen Wagen nicht verlassen“, sagt die Seniorin.

Der Festwagen sei von zwei Pferden gezogen worden, denn funktionsfähige Traktoren gab es nach dem Krieg kaum noch. „Heute dürfen die Wagen gar nicht mehr von Tieren gezogen werden“, sagt sie.

Plötzlich einsetzender Regen sorgte für Aufruhr

Um den Wagen herum hingen selbst bemalte Lampions. Als es zu regnen begann, sei die Farbe von diesen herunter und auf die eleganten Morgenmäntel gelaufen. „Eine Freundin von mir trug ein fast durchsichtiges Negligé. Das war dann auch voller Farbe“, erinnert sich die Seniorin lachend.

Während die jüngeren Kinder mit Blumen in den Händen hinter dem Wagen herlaufen, dürfen die älteren Schülerinnen mitfahren. (Foto: Privat/ Anneliese Schneider)

Wie die Damen auf ihre eingefärbten Morgenröcke reagierten, daran kann sich Anneliese Schneider nicht mehr erinnern. Dafür aber an die strengen Regeln, die nach dem Krieg herrschten.

1949 stand Friedrichshafen unter französischer Besatzung. „Die Franzosen wollten natürlich auch zum Fest. Das ist ihnen schließlich erlaubt worden“, sagt Anneliese Schneider.

Friedvoll musste es sein

Einzige Voraussetzung: Zwischen Deutschen und Franzosen durfte es zu keinen Streitigkeiten kommen. „Das Fest wäre sofort abgeblasen worden“, erklärt die Zeitzeugin. Das sei zum Glück nicht passiert.

Am Abend fand das große Festtheater statt. Obwohl sie dieses nicht besuchen durfte, erinnert sich Anneliese an den Titel: „’Iphigenie auf Tauris’. Ich weiß bis heute nicht, was das ist“, erzählt sie lachend, und fügt ernster hinzu: „Politisch durfte es damals nicht werden.“

Für die Kinder gab es einen Wecken und eine Wurst und am Samstagabend das Feuerwerk, das nach dem Krieg besonders schön gewesen sei.

Ein verlockendes Angebot

„Und dann war da noch die Sache mit dem Karussell“, sagt die Senioren. Ihre Oma hatte Anneliese und ihrer Cousine eine Fahrt mit dem Karussell spendiert.

Auf ihren Plätzen angekommen, packten sie Butterbrote aus. „Plötzlich stand das Mädchen neben uns, das die Fahrt abkassiert hat und schaute mit großen Augen auf unsere Brote“, erzählt Anneliese Schneider.

Dann erhielten sie von dem Schaustellermädchen ein verlockendes Angebot: Butterbrote gegen kostenlose Karussellfahrten. „Dafür haben wir unsere Brote natürlich gerne hergegeben“, sagt sie.

Ihre Oma allerdings habe von dem Tauschgeschäft nichts mitbekommen. „Mit jeder Fahrt, die wir machten, ist ihr schlechter geworden. Schließlich dachte sie, dass sie die unzähligen Fahrten zahlen muss“, erinnert sich Anneliese Schneider und lacht.

Das Missverständnis klärte sich aber schnell auf und Anneliese Schneider wird das erste Seehasenfest immer unvergessen bleiben.