Landgericht Ravensburg
Wegen Vergewaltigung: Prostituierte zieht gegen Freier vor Gericht
Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

- Stefanie Czuday
Wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung an einer Prostituierten muss sich ein sechsfacher Familienvater vor dem Landgericht Ravensburg verantworten. Der im Bodenseekreis lebende Mann soll die 32-jährige Frau aus Spanien in einer sogenannten Terminwohnung in Friedrichshafen überfallen haben. Während der Verhandlung verstrickte sich das mutmaßliche Opfer in Widersprüche. Verteidiger Uwe Rung zweifelte am Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen ‐ und äußerte scharfe Kritik am Vorgehen der Polizei.
Der Tatverdächtige soll an einem Abend im November 2022 an die Tür des Opfers geklopft haben. Als ihm die 32-Jährige die Tür öffnete, soll er sich in ihr Zimmer gedrängt, die Tür verriegelt, ihr einen 50 Euro-Schein in die Hand gedrückt und sie beschimpft haben. So stand es in der Anklageschrift, die Staatsanwältin Elisabeth Seemann zu Verhandlungsbeginn vorlas.
Schwere Vergewaltigung mit gefährlicher Körperverletzung
Während er sein Opfer gezwungen haben soll, sexuelle Handlungen an ihm vorzunehmen, soll er die junge Frau immer wieder gewürgt und mit dem Tode bedroht haben. Ein Messer habe er ebenfalls mit sich geführt. Als es der Frau schließlich gelang, sich zu befreien, sei der Mann ihr nachgelaufen, habe sie an den Haaren gepackt und ihr ein Wasserglas über den Kopf geschlagen.
Dennoch habe sich die Frau auf den Flur retten und nach Hilfe rufen können. Als daraufhin weitere Frauen aus ihren Wohnungen gerannt seien, habe der Angeklagte zu fliehen versucht. Zuvor aber soll er noch einer weiteren Frau mit der Faust ins Gesicht geschlagen haben.
Während die Staatsanwaltschaft den Tatverdächtigen der schweren Vergewaltigung mit gefährlicher Körperverletzung sowie der vorsätzlichen Körperverletzung beschuldigte, äußerte Verteidiger Uwe Rung Zweifel am Tathergang ‐ und kritisierte die Vorgehensweise der Polizei, die seit langem „sehr lax“ mit Übersetzungen umgehe.
Schlechter Umgang mit Übersetzungen
Er stufte die Angaben der Frau als „schwierig“ ein ‐ nicht nur wegen der Ungereimtheiten. Ihre Aussage habe wegen der sprachlichen Barriere zwischen Polizei und Opfer nicht überprüft werden können. Das Opfer, das seine Aussage in ein Diktiergerät gesprochen habe, sei nicht ordnungsgemäß vernommen worden.
Man habe sie, im Gegenteil, in ein Flugzeug gesetzt und nach Hause fliegen lassen. Verteidiger Rung fand klare Worte: „So geht es nicht. Es geht um Vergewaltigung, ein großer, schwerer Strafbestand. Der Mann sitzt in U-Haft. Und man lässt die Hauptzeugin einfach gehen.“
Der angeklagte Mann aus Somalia wurde in Handschellen an der Seite seines Dolmetschers in den Gerichtssaal geführt. Der 37-Jährige gab bereitwillig Auskunft zu seiner Person. Im Jahr 2015 sei er von Somalia nach Deutschland geflüchtet, nachdem Mitglieder der islamischen Terrormiliz Al Shabab seinen Bruder umgebracht haben sollen. Seine Frau sei ihm nach Deutschland gefolgt. Vier der insgesamt sechs Kinder leben noch immer in Somalia, übersetzte der Dolmetscher.
Unterschiedliche Angaben
Auf Nachfrage von Richterin Claudia Denfeld gab der Mann zu, seit seiner Ankunft in Deutschland Alkohol und Drogen zu konsumieren. Während er unter der Woche Zeit mit seiner Familie verbringe, träfe er sich freitags bis sonntags mit Freunden, um gemeinsam Wodka zu trinken und Marihuana zu rauchen.
Sobald er Alkohol trinke, werde er straffällig. Die Anklagepunkte bestreitet er jedoch, wie Verteidiger Rung sagte. Die Vergewaltigung habe so nicht stattgefunden. Genauere Angaben machte er nicht.
Die Aussage des mutmaßlichen Opfers, das selbst aus der Dominikanischen Republik stammt und in Madrid lebt, musste ebenfalls von einer Dolmetscherin übersetzt werden. Wie genau die Vergewaltigung stattgefunden haben soll, dazu machte die 32-Jährige unterschiedliche Angaben.
Dass sie selbst als Prostituierte arbeitet, gab sie erst nach mehrmaligem Nachhaken von Seiten des Gerichts zu. Die Scham darüber sei zu groß, übersetzte die Dolmetscherin. „Abgesehen davon, ob sich ein Mensch prostituiert oder nicht, sollte kein Mensch das erleben müssen, was ich erlebt habe“, sagte sie.
„Die gleiche Geschichte, nur anders herum“
Der Täter habe zu ihr gesagt, er sei kriminell und würde sie töten. Ein Messer habe er außerdem in der Tasche gehabt. Auf Nachfrage von Richterin Denfeld, wie sie das verstehen hätte können, da sie weder Englisch noch Deutsch verstünde und sie selbst auf Spanisch zu dem Täter gesprochen habe, gab die Frau zu, seine Aussagen lediglich aus der Handlung heraus interpretiert zu haben.
Staatsanwältin Elisabeth Seemann fragte die 32-Jährige, ob ihr nicht aufgefallen sei, „dass sie nun einen ganz anderen Tatablauf“ schilderte, als bei der Polizei in Madrid.
Daraufhin antwortete die junge Frau, ihr sei nicht bewusst gewesen, dass die Reihenfolge der Tathandlungen eine Rolle spielen würde. Schließlich sei es „die gleiche Geschichte, nur anders herum erzählt“. Sie habe bei der Befragung die Details zuerst erzählt, die ihr wegen der großen Aggression am deutlichsten vor Augen stünden.
Die Verhandlung wird am Donnerstag, 28. September, mit weiteren Zeugenaussagen fortgesetzt.