Tote Aale im Bodensee - Das steckt vermutlich hinter dem Fischsterben
Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

Seit Anfang August wurden zahlreiche tote Aale im Bodensee gesichte t. Nach Auskunft des Ministeriums für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist die Ursache dafür zwar noch nicht abschließend geklärt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass es sich "um hitzebedingtes Sterben" handelt.
Es gebe "keine Anzeichen", die auf konkrete menschliche Einflüsse - wie stoffliche Einträge - zurückgeführt werden könnten, teilt ein Sprecher des Ministeriums auf eine Anfrage der "Schwäbischen Zeitung" mit. Ein ähnliches Aalsterben im Bodensee sei bereits in den Hitzesommern 2003 und 2018 beobachtet worden.
Hitzestress schwächt das Immunsystem der Fische
"Fische sind wechselwarme Tiere und können daher ihre Körpertemperatur nicht regulieren. Eine Temperaturerhöhung des Umgebungswassers schlägt sich somit direkt auf die Körpertemperatur der Fische nieder und erhöht Stoffwechselprozesse und damit den Sauerstoffverbrauch der Fische", erklärt der Sprecher weiter. "Mit steigender Wassertemperatur löst sich aber immer weniger Sauerstoff im Wasser. Außerdem kann eine erhöhte Wassertemperatur zu Algenwachstum führen, welche nachts zusätzlich Sauerstoff zehren."
Der Hitzestress schwächt jedoch auch das Immunsystem, wodurch es zum Ausbruch von Erkrankungen kommen kann. Eine solche Sekundärinfektion habe "mit großer Wahrscheinlichkeit" zum Aalsterben im Bodensee geführt.
Inzwischen hat es jedoch einige Male geregnet, der Wasserstand im Bodensee ist wieder etwas angestiegen und es ist nicht mehr ganz so heiß. Davon profitieren auch Fische wie die Aale. Das Ministerium erwartet, dass sich der Bodensee wie im September üblich wieder abkühlt.
Was der Klimawandel für die Fische im Bodensee bedeutet
Die heißen Tage sind erst einmal vorbei. Doch Forscher erwarten, dass solche Hitzesommer wie in diesem Jahr in Zukunft keine Seltenheit sein werden. Können Aale und andere kälteliebende Fischarten trotz der Erderwärmung langfristig im Bodensee und dem Rhein überleben?
Die Erderwärmung ändert auch das Klima in der Region in vielfältiger Weise. Das bedroht insbesondere Tiere und Pflanzen, die in ihrem gesamten Lebenszyklus an das bisher vorherrschende Klima angepasst sind. Experten von der Fischereiforschungsstelle in Langenargen befürchten, dass der Klimawandel zu schnell voranschreitet, als dass sich manche Arten an die veränderten Umweltbedingungen anpassen können.
Viele Entwicklungen im Ökosystem See sind aufeinander abgestimmt. Wenn sich jedoch beispielsweise Fischeier durch die höheren Temperaturen schneller entwickeln, steht ihnen möglicherweise nicht mehr genug Nahrung zur Verfügung. Massive Bestandseinbußen könnten die Folge sein.
Insbesondere kälteangepasste Arten wie Forellen, Äschen und im Bodensee die Trüsche oder Quappe werden unter dem Klimawandel leiden.
Niedrigwasser im Sommer oder die Belastung des Wassers mit Fremdstoffen bei Starkregen setzen den heimischen Arten zu, ebenso wie neue Nahrungskonkurrenten und die Ausbreitung von invasiven Arten wie der Quaggamuschel . Auch länger andauernde Hitzewellen dürften in den nächsten Jahren in der Region zunehmen.
Das führt zu einer starken Erwärmung des Oberflächenwassers. Die Schichtung in stehenden Gewässern wie dem Bodensee im Sommer aufgrund der Dichteanomalie des Wassers wird deswegen stabiler.
"Diese stabile Schichtung erschwert eine Durchmischung durch die Herbststürme, die normalerweise dazu führen, dass Sauerstoff und Nährstoffe im See zirkulieren und somit in alle Wasserschichten gelangen können", erklärt ein Sprecher des baden-württembergischen Agrarministeriums.
Dann droht jedoch in den tieferen Stellen des Sees ein Sauerstoffmangel. Da jedoch manche Fischarten wie der Blaufelchen und Seesaiblinge dort laichen, könnte das die Eientwicklung dieser Arten gefährden.
"Insbesondere kälteangepasste Arten wie Forellen, Äschen und im Bodensee die Trüsche oder Quappe werden unter dem Klimawandel leiden", meint das Ministerium.
"Die Generalisten wie karpfenartige Fische oder Barsche kommen in der Regel mit höheren Wassertemperaturen gut zurecht oder können sogar von ihnen profitieren." Das Forschungsprojekt "SeeWandel" rechnet auch die Bodenseefelchen zu den Verlierern des Klimawandels.
Der Bodensee bietet durch seine Größe Schutz
Der Vorteil des Bodensees ist jedoch seine Größe. In den tiefen und damit kühlen Wasserbereichen finden viele Arten besseren Schutz als in kleineren Gewässern. Dort sind Arten bei Wassermangel besonders gefährdet und kleine Populationen seltener und gefährdeter Fische, Krebse und Muscheln könnten verloren gehen.
Einige Gegenmaßnahmen, um ein Fisch- und Artensterben zu verhindern, gibt es laut Ministerium zwar. So können beispielsweise Mündungsbereiche von kälteren Zuflüssen ausgebaggert werden, wenn sich die Situation in den Gewässern zuzuspitzen droht. Auch eine Beschattung durch Bäume und Pflanzen am Ufer bei kleineren Flüssen oder Seen sorgt für kühlere Temperaturen im Wasser.
Bei Sauerstoffmangel durch Algenblüten können Belüftungsmaßnahmen helfen. "Dies sind jedoch alles Maßnahmen, die nur sehr kleinräumig wirken und im Falle des Bodensees nicht praktikabel wären", so das Ministerium.
Da sich an aufgestauten Bereichen das Wasser schneller erwärmt, kann eine Revitalisierung von Gewässern dazu beitragen, ebenso weitere schädliche Nebeneffekte der Hitze, wie die Vermehrung von sogenannten Blaualgen zu verhindern. Algenblüten entstehen zudem häufig, wenn in Seen, Flüsse und Meeresküsten zu viele Abwässer und Düngemittel gelangen.
Im Bodensee ist der Phosphorgehalt jedoch niedrig. Das Projekt "SeeWandel " sieht die Wahrscheinlichkeit deswegen als eher gering an, dass sich die für Menschen und Tiere gefährliche Burgunderblutalge, die zu den Cyanobakterien gehört, dauerhaft im Bodensee etablieren kann. Unter bestimmten Voraussetzungen kann sich die Burgunderblutalge jedoch auch dort plötzlich massenhaft vermehren.