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Gastro-Sterben

Pächter werfen hin und schließen „schweren Herzens“ den Seehof 

Friedrichshafen / Lesedauer: 6 min

Schon der Start war schwer. Kurz nach der Eröffnung musste das Häfler Lokal wegen Corona wieder zumachen. Was folgte, war ein Auf und Ab. Jetzt läuft die Suche nach neuen Pächtern.
Veröffentlicht:07.11.2023, 12:05

Von:
  • Tanja Poimer
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Man nehme ein Restaurant mit inneren Werten und einer der wohl schönsten Außenterrassen am Bodensee, bereite unter anderem fangfrischen Fisch zu und verwöhne die Gäste mit unaufdringlicher Aufmerksamkeit. So hatten es sich Matthias Lehser und Christopher Schmidt vorgestellt, als sie den Seehof in Friedrichshafen übernahmen und im März 2020 eröffneten.

Offenbar funktionierte die Umsetzung zwischenzeitlich auch. Doch die Corona-Pandemie und die Preissteigerungen infolge des Ukraine-Kriegs machten dem motivierten Team, zu dem auch Matthias Lehsers Frau Stephanie gehörte, einen Strich durch die Rechnung. Jetzt haben die Pächter die Reißleine gezogen ‐ und ihr Lokal Anfang November endgültig geschlossen.

Viele Einschränkungen

Ein großes Problem: Schon der Start war schwierig. Gerade einmal zehn Tage nach der verheißungsvollen Eröffnung musste der Seehof wieder zumachen. Grund war der erste Lockdown, der zwei Monate dauerte. Unter anderem sollte ein zweiter Lockdown von Dezember bis Mai 2021 folgen. Nicht zu vergessen die Einschränkungen in den Phasen, in denen Gastronomiebetriebe öffnen durften.

80 Plätze im Innen- und 60 im Außenbereich: Die Suche nach einem neuen Pächter läuft. (Foto: sh)

„Es gab Maskenpflicht, Abstandsregeln, Kontaktnachverfolgung, die Zahl der Gäste und Haushalte, die an einem Tisch sitzen durften, und die Öffnungszeiten waren begrenzt“, erinnert sich Stephanie Lehser.

Trotzdem sei der Sommer 2020 gut gelaufen, genau wie in den darauffolgenden zwei Jahren. Viele Menschen hätten ihren Urlaub in Deutschland verbracht ‐ und nicht nur den Bodensee, sondern auch den Seehof für sich entdeckt, der neben Schlosssteg und gleich um die Ecke von Graf-Zeppelin-Haus und Uferpromenade zu finden ist.

Arbeit verbindet

Apropos finden: Die Pächter lernten sich am Arbeitsplatz kennen. Christopher Schmidt stammt ursprünglich aus dem Emsland im hohen Norden und ist gelernter Koch. 2013 nahm der 35-Jährige nicht zuletzt „wegen der schönen und touristisch geprägten Region“ eine Stelle im Hotel Maier in Fischbach an. Restaurantfachmann Matthias Lehser arbeitete seit 2012 in dem Haus. Geboren ist der 39-Jährige in Dresden, aufgewachsen in Biberach.

Neue Herausforderung: Matthias Lehser will weiterhin in der Gastronomie arbeiten. (Foto: sh)
Zurück im Dienst: Stephanie Lehser arbeitet wieder im Pflegebereich. (Foto: sh)

Stephanie Lehser, 40 Jahre alt, kommt aus Thüringen und ist Restaurantfachfrau. Gefunkt hat es bei ihr und ihrem späteren Mann während der gemeinsamen Ausbildung in Ostdeutschland.

Der Weg nach Süddeutschland führte über das Ausland: „Wir haben in einem Familienhotel am Achensee in Tirol gearbeitet, hatten Jobs auf Mallorca und in St. Anton am Arlberg. Irgendwann wollten wir sesshaft werden und sind in Friedrichshafen gelandet“, erzählt Matthias Lehser.

Liebe auf den ersten Blick

Von 2015 an kochte Christopher Schmidt drei Jahre jeweils im Sommer im Beach-Club und im Winter im Restaurant Zum Klosterwirt, in dem er 2019 ganzjährig den Posten des Küchenchefs übernahm. Dort kümmerte sich Matthias Lehser bereits seit einem Jahr um die Gäste. Seine Frau half in dem Gastronomiebetrieb eine Weile lang aus.

Abschied vom See: Christopher Schmidt zieht es wieder nach Hause ins Emsland. (Foto: sh)

Dann kam das Angebot, den Seehof zu übernehmen. „Wir hatten schon mal darüber geredet, wie es wäre, zusammen ein Restaurant zu führen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir aber nichts gesucht und auch nichts Konkretes geplant“, sagt der 39-Jährige.

Ein Besichtigungstermin in dem Lokal mit 80 Sitzplätzen im Innen- und 60 im Außenbereich erleichterte ihm zufolge die Entscheidung: „Allein der Blick über den See von Terrasse und Wintergarten aus hat uns schwer beeindruckt. Wir waren direkt verliebt und sind es eigentlich immer noch.“

Keine Mittel mehr

Nicht nur die Aussicht wird dem Team in Zukunft fehlen: „Der Kontakt mit den Gästen, von denen einige zu Freunden geworden sind, Hochzeiten und andere Feiern planen oder die Dekoration passend zur Jahreszeit gestalten ‐ das werde ich auf jeden Fall vermissen“, betont Stephanie Lehser, die vor allem das Gesicht im Service war.

Im Moment überwiege der traurige Eindruck des Abschieds, jedoch würden mit Sicherheit viele schöne Erinnerungen bleiben. Auch wenn es am Ende nicht geklappt hat.

Wenn sich bei bis zu 80 Stunden pro Woche der Einsatz am Ende nicht lohnt, musst du allerdings die Bremse reinhauen.

Matthias Lehser

Der ausschlaggebende Punkt dafür sei Corona gewesen. „Wir haben zwar unsere Umsätze gesteigert, hatten aber nach der Pandemie keine finanziellen Mittel mehr. Dabei standen wir am Anfang und hätten zum Beispiel in unser Marketing investieren müssen“, erklärt Christopher Schmidt.

Weiterer Dämpfer

Ein weiterer Dämpfer seien Inflation und Energiekrise infolge des Ukraine-Kriegs gewesen, berichtet sein Kompagnon: „Nicht nur Mehl und Eier kosteten auf einmal das Doppelte. Wir haben einen anderen Wareneinsatz als beispielsweise eine Pizzeria, können deshalb aber nicht 8 Euro für eine Halbe Bier und 45 Euro für ein Rumpsteak verlangen.“

Was für eine Aussicht: Das Seehof-Team war direkt verliebt - und vermisst den Blick über den Bodensee und seine Gäste jetzt schon. (Foto: sh)
80 Plätze im Innen- und 60 im Außenbereich: Die Suche nach einem neuen Pächter läuft. (Foto: sh)

Dazu kam, dass in der Gastronomie Aushilfen im Service durchaus, jedoch Mitarbeiter für die Küche kaum zu finden sind: „Es hat sich irgendwann abgezeichnet, dass es so nicht weiter geht. Wir konnten Rechnungen und Löhne gerade eben bezahlen, aber nichts auf die Seite legen. Wir scheuen keine harte Arbeit. Wenn sich bei bis zu 80 Stunden pro Woche der Einsatz am Ende nicht lohnt, musst du allerdings die Bremse reinhauen“, stellt Matthias Lehser fest.

Wie die drei fortfahren, steht fest: Aktuell läuft die Suche nach einem neuen Pächter für den Seehof. Stephanie Lehser ist in die Pflege zurückgekehrt, in dem Bereich war sie schon tätig. Ihr Mann Matthias schaut sich nach einer Stelle in der Gastronomie um. Und Christopher Schmidt zieht es zurück ins Emsland.

Die Entscheidung, den Seehof zu schließen, sei relativ kurzfristig und „sehr schweren Herzens“ gefallen, sind sich die Pächter einig. Zumal, wie Christopher Schmidt sagt, „das Potenzial klar vorhanden ist“. Stephanie Lehser ergänzt: „Am Ende hatte unser kleines Team keine Kraft mehr.“