Am Klinikum Friedrichshafen startet ein neues Pilotprojekt zur Brustkrebsvorsorge in Kooperation mit Rolls-Royce Power Systems (RRPS) und der gemeinnützigen Organisation Discovering Hands. RRPS will dadurch die Taktilographie, eine Abtastmethode, die von sehbehinderten Frauen vorgenommen wird, in der Bodenseeregion einführen.
In Deutschland erkranken jährlich 70.000 Frauen an Brustkrebs, 18.000 von ihnen sterben. Die so genannten medizinisch-taktilen Untersuchungen der Organisation Discovering Hands sollen helfen, Erkrankungen früher zu erkennen. Bei diesem speziellen Vorsorgeangebot tasten Sehbehinderte die Brüste von Frauen und Männern Stück für Stück ab. Durch ihren ausgeprägten Tastsinn können sie bereits kleinste Auffälligkeiten entdecken.
Neuheit am Bodensee
In der Bodenseeregion ist diese Zusatzleistung allerdings bisher nicht verfügbar. Die von Friedrichshafen aus gesehen nächste Praxis mit medizinisch-taktiler Untersucherin (MTU) befindet sich bis dato im 100 Kilometer entfernten Empfingen. Rolls-Royce Power Systems will das ändern. „Uns ist wichtig, dass wir das Thema in die Region holen“, erklärt die Personalchefin des Unternehmens, Thelse Godewerth, beim Pressegespräch zum Start des Projekts am Mittwoch, 22. November.

RRPS hat dafür in Kooperation mit dem Klinikum Friedrichshafen und Discovering Hands 136 Untersuchungstermine für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen. „Innerhalb von 24 Stunden waren alle ausgebucht“, so Godewerth. Es sollen aber weitere Termine für die Angestellten geschaffen werden. „Alle Mitarbeiter bekommen einen Termin, die einen möchten“; ergänzt der Leiter des Werksärztlichen Dienstes bei RRPS, Samuel Schmidt. Die Kosten von etwa 55 Euro pro Untersuchung trage das Unternehmen.
Klinikum hat Zukunftspläne
Wenn es nach dem Leiter des Brustzentrums Bodensee , Hans-Walter Vollert, und dem Geschäftsführer von Discovering Hands ,Arndt Helf, geht, ist das Pilotprojekt allerdings erst der Anfang. „Wir wollen unser Angebot hier in Kooperation mit dem Brustzentrum Bodensee aufrechterhalten“, sagt Helf zu den künftigen Plänen. Und auch Vollert erklärt: „Wir würden hier gerne dauerhaft eine MTU unterbringen.“ Dann sei die Untersuchung auch für mehr Menschen denkbar.
Dies setzte allerdings voraus, dass sich eine sehbehinderte oder blinde Person findet, die dauerhaft in der Bodenseeregion arbeiten und die neunmonatige Ausbildung auf sich nehmen möchte. Um so jemanden zu finden, habe Hans-Walter Vollert in der Vergangenheit bereits Kontakt mit der Stadt und Vereinen aufgenommen - allerdings ohne Erfolg.
Für mehr „Brustbewusstsein“
Für die Untersuchungen der Mitarbeiter von RRPS reisen die MTUs Pia Hemmerling und Daniela Mettvett extra aus Berlin und der Region Böblingen an. Beide haben schon mehrere Jahre Erfahrung in der Taktilographie und konnten schon einige Auffälligkeiten frühzeitig entdecken. „Ich habe kürzlich etwas ertastet, das nur drei Millimeter groß war“, erzählt Daniela Mettvett.
Ärzte und Betroffene selbst seien nicht in der Lage, bereits solch kleine Veränderungen durch Abtasten zu erkennen. „Mein Tumor hatte 2,7 Zentimeter als ich ihn entdeckte“, gibt die ehemalige Anästhesieschwester Nadja Will zu bedenken, die das Pilotprojekt mit ins Rollen brachte. „Die Taktilographie hätte ich mir selbst gewünscht.“ Auch deshalb setze sie sich nach ihrer Brustkrebserkrankung bei Discovering Hands für mehr „Brustbewusstsein“ ein.