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Haschisch

Mit 0,63 Gramm Haschisch aufgegriffen und verurteilt

Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

60-Jähriger Epileptiker kann keine ärztliche Verordnung vorweisen – Vorstrafen werden ihm zum Verhängnis
Veröffentlicht:04.04.2019, 20:03

Von:
  • Schwäbische.de
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Zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen je 15 Euro hat das Amtsgericht Lindau am Mittwoch einen 60-jährigen Häfler verurteilt, bei dem die Lindauer Polizei im Verlauf einer Routine-Kontrolle im Bereich des Insel-Bahnhofs 0,63 Gramm Haschisch in einem gelben Überraschungsei gefunden hat. Der Mann nutzt das Betäubungsmittel eigenen Angaben zufolge seit 40 Jahren erfolgreich gegen seine epileptischen Anfälle, konnte aber keine ärztliche Erlaubnis vorweisen.

Der 60-Jährige wollte am Abend des 9. Januar aus Maierhöfen kommend auf dem Lindauer Bahnhof zum Besuch seiner Eltern nach Friedrichshafen umsteigen, als er der Polizei auffiel. Tatsächlich fanden sie in einem mitgeführten Überraschungsei in der Hosentasche des Angeklagten 0,63 Gramm Haschisch. Die Vermutung der Beamten: da könnten sich in der Wohnung des Kontrollierten in Maierhöfen noch mehr Drogen befinden. „Bei dichtem Schneefall“, so der kooperative Angeklagte vor der Verhandlung zur „Schwäbischen Zeitung“, ging es umgehend zurück ins Allgäu, um seine dortige Wohnung zu durchsuchen. Gefunden wurde nichts.

Angeklagter leidet an Epilepsie

Der zu 90 Prozent schwerbehinderte Angeklagte – der Mitglied in der internationalen Arbeitsgemeinschaft „Cannabis-Medizin“ ist – leidet nach einem schweren Verkehrsunfall vor 40 Jahren an epileptischen Anfällen. Der Konsum des Haschischs in sehr geringer Menge hilft ihm gegen die Schmerzen. Allerdings hat er die Betäubungsmittel nicht vom Arzt verschrieben bekommen. Und darauf stützte sich die Anklage mit ihrem Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln, ein Vergehen nach Paragraph 20 Betäubungsmittelgesetz.

Vergeblich hat Rechtsanwalt Alexander Greiner versucht, eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen. Er berief sich in seinem Plädoyer auf ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das aber nach Ansicht von Richter Klaus Harter im Fall seines Mandanten nicht greift. Ein Freispruch wäre nur möglich gewesen, wenn der Angeklagte ohne Vorstrafen vor Gericht erschienen wäre. Tatsächlich aber gibt es über ihn zwei Einträge wegen zweier banaler Verkehrsvergehen, was ausreichte, das Verfahren nicht einzustellen.

Geldstrafe zur Bewährung

Die Vertreterin der Anklage sah nach der Beweisaufnahme den Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln bestätigt und beantragte trotz der Minimalrente des Angeklagten in Höhe von 420 Euro eine Geldstrafe von insgesamt 1800 Euro.

Das sah das Gericht milder. Richter Klaus Harter befand den Angeklagten zwar ebenfalls für schuldig, reduzierte die Verwarnung jedoch auf 30 Tagessätze à 15 Euro und setzte sie für ein Jahr zur Bewährung aus. Wird der Verurteilte innerhalb eines Jahres nicht mehr mit Drogen angetroffen, gilt die Strafe als erlassen. Allerdings muss der 60-Jährige die Kosten des Verfahrens tragen.

Anwalt Alexander Greiner kritisiert die ungleichen Auslegungen beim Eigenkonsum von Betäubungsmitteln innerhalb Deutschlands. Während es in Norddeutschland noch erlaubt sei, mit 15 Gramm Betäubungsmitteln für den Eigenverbrauch unterwegs zu sein, führen in Bayern bereits 0,63 Gramm zu einem Strafverfahren. Und das gegenüber einem Kranken, der nicht dealt, sondern damit seine Schmerzen lindert. Nicht nachvollziehbar für ihn auch, dass selbst unbedeutende Vorstrafen ausreichen, die Einstellung eines späteren Verfahrens zu verhindern.