StartseiteRegionalBodenseeFriedrichshafenDramatischer Appell der Berufsfischer: Düstere Aussichten für den Bodensee

Sofortiges Handeln gefordert

Dramatischer Appell der Berufsfischer: Düstere Aussichten für den Bodensee

Bodensee / Lesedauer: 5 min

Wenn nicht sofort gehandelt werde, wäre das sensible Ökosystem des gesamten Bodensees in Gefahr. Das Felchen wäre das prominenteste Opfer - aber eben nicht das einzige.
Veröffentlicht:11.11.2023, 10:00

Von:
  • Ralf Schäfer
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„Die Felchen verhungern“, sagen die Berufsfischer. Der Internationale Bodensee-Fischereiverband (IBF) hat im Graf-Zeppelin-Haus getagt und, wie zu erwarten war, die Situation der Felchen als düster, das Ökosystem Bodensee als gefährdet und ihre berufliche Lage als beinahe aussichtslos geschildert.

In seinem Jahresbericht betonte der Schweizer Berufsfischer Gallus Baumgartner, dass vor allem zum Problem der Kormoran-Überpopulation am See bislang seitens der Politik nur geredet und diskutiert, nichts aber getan werde. Vertreter aus Politik und Verwaltung aus Stuttgart waren nicht zu der Versammlung gekommen. Sie hatten im Vorfeld abgesagt, es gebe andere Termine.

Ursachen für Problematik nicht erkannt

Auch der Vorsitzende des Verbandes, Wolfgang Sigg, teilte die Einschätzung der Fischer. Er vertritt seit 31 Jahren die Fischerei. Das im Sommer 2023 beschlossene Felchenfangverbot für die kommenden drei Jahre werde das Problem nicht lösen können. Stattdessen seien Stichling und Quaggamuschel, die beide nicht in den See gehören, sowie der Kormoran als Ursachen des Problems, dass die Felchenbestände immer weiter schwinden, von den Behörden und der Landespolitik als solche nicht erkannt.

Die Felchen verhungern, und die Quaggamuschel wird noch den Rest des Nährstoffes aus dem See filtern.

Gallus Baumgartner

Baumgartner hatte es auf den Punkt gebracht: „Die Felchen verhungern, und die Quaggamuschel wird noch den Rest des Nährstoffes aus dem See filtern.“ Wolfgang Sigg erteilte dem Fangverbot ebenfalls eine Absage, das werde nicht viel bringen.

Um etwas gegen die Stichlinge zu tun, die die Jungfelchen fressen, wenn sie von den Fischbrutanstalten ausgesetzt werden, sollen diese Felchen erst als 35 bis 45 mm große Felchenbrut ausgebracht werden. Damit könnten 2,5 Millionen Felchen vorgezogen werden. „Felchen dieser Größe werden vom Stichling nicht gefressen werden. Wir hoffen, dass alle eingeleiteten Maßnahmen Wirkung zeigen“, so Sigg. Dass Stichlinge die Felchenbrut fressen, war bereits vor einigen Jahren nachgewiesen worden.

Vorstand und Vortragender: Der Vertreter der Fischereiforschungsstelle Lamgenargen, Jan Baer (rechts), sprach bei der Versammlung des IBF über den Aal. (Foto: Ralf Schäfer)

Der Stichling als Katzenfutter aus dem Bodensee

Die Schweiz versuche gerade, die Stichlinge zu verwerten. „Wenn durch die Katzenfutterproduktion wenigstens einige Betriebe überleben könnten, wäre das auch gut“, sagte Wolfgang Sigg sarkastisch. Mehr Nährstoffe im See zuzulassen, „das ist politisch tabuisiert“, so Sigg. Warum aber gebe es kein Kormoran-Management, fragt der Verbandsvorsitzende. Seit Jahrzehnten würden die Fischer bereits darauf hinweisen.

Für die Bodenseefischerei ist es fünf nach zwölf.

Wolfgang Sigg

„Hier muss etwas geschehen, und zwar schnell. Sonst verlieren der See, die Felchen und die Berufsfischerei und die Region ihr Aushängeschild“, sagt Wolfgang Sigg. Der Bodenseefelchen sei ein Alleinstellungsmerkmal und dessen Überleben brauche ein wirksames Kormoran-Management. Es habe einen Kormoran-Dialog mit den Baden-Württembergischen Landwirtschafts- und Umwelt-Miniserien gegeben, jetzt würden die Naturschutzverbände dem aber eine Absage erteilen. „Das kann nicht sein“, die Ministerien müssten etwas unternehmen und nicht in Schockstarre verfallen, sagen die Fischer. „Für die Bodenseefischerei ist es fünf nach zwölf“, meint Wolfgang Sigg.

Auch der Aal ist gefährdet

Während neben der Bühne ein Transparent steht „Ihr schützt nur den Kormoran“, hält Jan Baer von der Fischereiforschungsstelle in Langenargen einen Vortrag zu neusten Erkenntnissen über den Aal. Auch dieser Fisch ist ein regionaler und natürlich im Bodensee vorkommender Fisch, der seit Jahrtausenden bereits den Rheinfall überwinden konnte. Heute gehe aber auch dessen Bestand zurück. Der Aal habe heute einen Schutzstatus wie Elefant und Nashorn.

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Die Aale, die heute gefangen werden, seien rund 14 Jahre alt, stammen also vom Besatz aus den 90er-Jahren bis 2003. Damals wurde sehr viel Aal besetzt. Ab dem kommenden Jahr könnten dann Tiere gefangen werden, die zwischen 2004 und 2010 besetzt wurden und das seien viel weniger gewesen. Daher würden die Fangzahlen von Aalen im Bodensee in den kommenden Jahren erheblich zurück gehen, prognostiziert Jan Baer.

Politischer Druck nötig

Vom Landesverband der Berufsfischerei war Roland Rösch beim Dialogforum Kormoran der Minsiterien in Baden-Württemberg dabei. „Wir haben sehr viel diskutiert, aber die Vogelschutzverbände haben am Schluss der Veranstaltung das Veto eingelegt und es passiert nichts“, so Roland Rösch. Man brauche jetzt den politischen Druck rund um den See, um irgendetwas zu erreichen.

Aus Bayern war Albert Deß, Präsident der bayrischen Berufsfischer, gekommen. Er habe in Brüssel zehn Jahre an der Kormoran-Problematik gearbeitet, der dürfe in Bayern geschossen werden und das passiere auch sehr häufig. Der Vogel sei unter Schutz gestellt worden, als es nur noch 6000 Brutpaare in Deutschland gab. Heute gebe es mehr allein am Bodensee. „Wir wehren uns viel zu wenig“, sagte er.

Düstere Aussichten fürs Ökosystem des Bodensees

Das Votum der Versammlung war eindeutig. Der See habe zu wenig Nährstoffe und die, die da sind, würden von der Quaggamuschel vertilgt. Stichling und Kormoran würden ebenfalls dafür sorgen, dass die Felchenbestände schwinden, weil die Stichlinge die Brut fressen und die Kormorane die Fische jagen, die die Quaggamuschel fressen. Damit drohe das Ökosystem Bodensee umzukippen und die Behörden blieben untätig.