Identitäre
Neue Rechte werden am Bodensee stärker
Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Auf eine kleine Anfrage des FDP-Landtagsabgeordneten Jürgen Keck hat das Innenministerium die Aktivitäten der „Identitären Bewegung“, einer neuartigen rechtsextremen Bewegung, im Bodenseekreis und im Kreis Konstanz zusammengefasst. Das Ergebnis ist noch nicht alarmierend, aber mahnt zur Vorsicht: Die Bewegung ist am Bodensee klein – doch sie wächst und drängt an die Öffentlichkeit.
Am deutlichsten wurde das in der Nacht vom 14. auf den 15. Oktober 2017. Da verhüllten Mitglieder der „Identitären Bewegung Schwaben“ (IB Schwaben) die Konstanzer Imperia, um ein Zeichen gegen eine angebliche „Islamisierung Europas“ zu setzen.
Vermarktung via Twitter
Die Aktion mit der Imperia im Burka-Look sorgte für erhebliches Aufsehen. Der Staatsschutz machte alsbald die „IB Schwaben“ als Täter aus – was nicht schwierig gewesen sein dürfte: Die Rechtsextremen vermarkteten die Aktion offen als Erfolg im sozialen Netzwerk Twitter .
Die Antwort auf die kleine Anfrage im Landtag zeigt nun, dass die Verhüllung der Imperia nicht die einzige öffentliche Aktion der „Identitären Bewegung“ im Bodenseekreis und im Kreis Konstanz war. Mitglieder sind vielmehr vor Ort und europaweit an Aktionen der rechtsextremen Szene beteiligt.
Vier Regionalgruppen im Land
Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ (IBD) ist laut dem Bericht in Regionalgruppen unterteilt, die wiederum in Ortsgruppen untergliedert sind. In Baden-Württemberg bestehen vier Regionalgruppen, darunter die IB Schwaben, die auch Teile von Bayern umfassen soll. In der Bodensee-Region und damit auch im Landkreis Konstanz ist offenbar die IB-Ortsgruppe „Bodensee“ (auch IB-Ortsgruppe „Konstanz“ genannt) aktiv: „Die Aktivitäten der IB Bodensee erstrecken sich einerseits auf das Internet: So verfügt die Ortsgruppe über eigene Twitter- und Instagram-Accounts, auf denen regelmäßig über Aktionen berichtet wird, Beiträge geteilt sowie Bilder, Videos und Stellungnahmen veröffentlicht werden. Außerdem wird auf der Facebook-Seite der IB Schwaben über Aktionen der IB Bodensee berichtet und zu deren Stammtischen eingeladen“, heißt es weiter aus dem Innenministerium.
Verstärkt vor Ort aktiv
Andererseits sei die IB Bodensee mittlerweile auch verstärkt vor Ort aktiv: So werde zu monatlichen Stammtischen eingeladen, es würden Plakat-, Banner- und Aufkleberaktionen, Flugblattverteilungen, Mahnwachen, Informationsstände und andere Aktionen durchgeführt.
Von 2016 bis 2017 listet der Bericht schließlich neun explizite Aktionen auf, die der „Identitären Bewegung“ zugerechnet werden. Die Liste beginnt unter anderem mit einer „Teilnahme an einer Demonstration unter dem Motto „Merkel muss weg“ am 7. März 2016 in Singen und zählt dann rechte Sprühkreide- und Plakataktionen oder das Aufstellen von „Grabkerzen“ in Konstanz auf.
Im September 2017 sollen zwei Aktivisten der Bewegung vom Bodensee in Wien an einem identitären Zug teilgenommen haben. In Konstanz werden Stammtische, in Baienfurt ein Überkleben von SPD-Wahlplakaten gemeldet. Höhepunkt der Sammlung ist die bereits genannte Verhüllung der Imperia.
Wenige Mitglieder, viel Wirkung
Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Gruppe wächst: „Seit Sommer 2017 ist eine Zunahme der Aktivitäten der IB Bodensee in der Realwelt festzustellen, insbesondere im Landkreis Konstanz und im Bodenseekreis. Die verstärkten Aktivitäten dürften auf einen Anstieg der Mitgliederzahlen in der Ortsgruppe zurückzuführen sein.“
Allerdings bewegen sich diese Zahlen derzeit noch auf sehr geringem Niveau: Nach Schätzung des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) liegt die Mitgliederzahl der IB Bodensee derzeit im einstelligen Bereich. Umso erstaunlicher ist allerdings, mit welch geringem Personaleinsatz die rechte Bewegung öffentlich sichtbar wird.
Vorgeschichte in der NPD
Wer die Mitglieder der hiesigen „Identitären Bewegung“ sind und was sie geprägt hat, ist dem Verfassungsschutz auch bekannt – zumindest teilweise. „Dem LfV sind Einzelfälle bekannt, in denen Aktivisten der IB in Baden-Württemberg einen Vorlauf in der NPD beziehungsweise ihrer Jugendorganisation ,Junge Nationaldemokraten’ haben.“ „Über Verbindungen der IB, insbesondere der IB Bodensee, zu Burschenschaften liegen Polizei und Verfassungsschutz keine Erkenntnisse vor“, heißt es allerdings auch.
Die „Identitäre Bewegung“ gilt als neue Erscheinungsform des Rechtsextremismus und beruft sich oft auf vermeintlich gemeinsame völkische Wurzeln, für deren „Reinhaltung“ gekämpft wird. Die Bewegung ist migrationsfeindlich eingestellt, gilt als gut vernetzt in der rechten Szene. In der Öffentlichkeit tritt sie durch politische Aktionen in Erscheinung, es soll auch zu Gewalt gekommen sein.