Sorgenfalten bei Eigentümern?
Grundsteuerreform: Kommunen sind am Zug ‐ sonst wird's für die Bürger teuer
Friedrichshafen / Lesedauer: 5 min

Sandra Philipp
Die Grundsteuerreform weckt bereits Sorgen bei Immobilien-Eigentümern ‐ auch wenn sie erst 2025 greift. Denn passen Städte und Gemeinden bis dahin ihren Grundsteuerhebesatz nicht an, kann es teuer werden. Und das, obwohl die Politik ursprünglich versicherte, die Änderung bleibe „aufkommensneutral.“
Der Gemeinderat in Friedrichshafen wird sich mit dem Thema noch genauer auseinandersetzen. Vorausgeschickt sei schon einmal: Bliebe der aktuelle Hebesatz von 340 Prozent in Friedrichshafen bestehen, kann es für Eigenheimbesitzer ab 2025 mehr als doppelt so teuer werden.
Wer ein Grundstück oder eine Immobilie besitzt, muss jährlich Grundsteuer bezahlen. Weil aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die alte Regelung gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandelt, kommt es nun zu dieser Riesen-Reform. Um die Berechnung der Grundsteuer, die auf Jahrzehnte alten Grundstückswerten basierte, nun an die tatsächlichen Werte anzupassen, werden seit dem 1. Januar 2022 alle Grundstücke in Deutschland neu bewertet. Damit die Behörden die notwendigen Daten zusammenbekommen, mussten alle Eigentümer eine sogenannte Grundsteuerfeststellungserklärung beim Finanzamt einreichen.
Wie viele Immobilien-Besitzer haben ihre Daten bereits ans Finanzamt gemeldet?
Im Einzugsbereich der Finanzämter Friedrichshafen und Überlingen haben der Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe zufolge zwischenzeitlich 90 Prozent der Grundstückseigentümer die erforderlichen Daten übermittelt. Ob die verbliebenen Grundstücksbesitzer, die bislang keine Angaben gemacht haben, Verspätungszuschläge oder Zwangsgelder entrichten müssen, liegt im Ermessen der Finanzämter. Für die verbliebenen zehn Prozent werden im nächsten Schritt Schätzungsankündigungen versendet. Wird dann immer noch keine Erklärung eingereicht, wird das Finanzamt schätzen, erklärt ein OFD-Sprecher.
Wie wird die neue Grundsteuer dann berechnet?
In Baden-Württemberg gilt das sogenannte „modifizierte Bodenwertmodell“. Das heißt, die Bewertung für die Grundsteuer B ergibt sich laut Finanzministerium Baden-Württemberg ausschließlich aus dem Bodenwert. Der wird aus der Grundstücksfläche und dem sogenannten Bodenrichtwert berechnet. Wie hoch die Bodenrichtwerte sind, lässt sich auf einer Internetseite des Landesamts für Geoinformation ablesen. Hier geht’s direkt zu der Seite namens Boris-BW. Grundstücksfläche und Bodenrichtwert werden miteinander multipliziert. Das ergibt den Grundsteuerwert. Der wiederum wird mit der Steuermesszahl multipliziert und ergibt den Grundsteuermessbetrag. Dieser ist denjenigen bereits zugegangen, die ihre Daten fristgerecht an die Finanzämter gemeldet haben. Im dritten Schritt wird auf diesen nun der Hebesatz der Kommunen angewendet. Das Ergebnis ist dann die konkrete Grundsteuer, die ab 2025 gelten soll.
Müssen sich die Menschen sorgen, ab 2025 deutlich mehr zahlen zu müssen?
Laut Eike Möller vom Bund der Steuerzahler in Baden-Württemberg müssen „nicht alle, aber doch viele Bürger mit Mehrbelastungen rechnen.“ Das sei abhängig vom Hebesatz, der im Jahr 2025 gilt: „Es wird Gewinner und Verlierer geben.“ Zwar hätten die Kommunen im Vorfeld zugesagt, dass sie durch die Grundsteuerreform nicht mehr Steuern einnehmen wollen, das bedeute aber nicht, dass keiner in einer Kommune mehr zahlen wird. „Es steht zu befürchten, dass es für Eigentümer aber auch für Mieter von Ein- und Zweifamilienhäusern zu deutlichen Mehrbelastungen kommen wird“, sagt Möller.
Es sind also die Kommunen am Zug, die Hebesätze anzupassen?
„Die Kommunen sind in jedem Fall am Zug, ihr Versprechen einzulösen, durch die Grundsteuerreform die Grundsteuer nicht heimlich zu erhöhen“, schreibt der Bund der Steuerzahler. Sie legen einen Hebesatz fest, der für alle Grundstücke der Grundsteuer B gilt. Damit könnten allerdings Mehr- und Wenigerbelastungen, die durch eine Veränderung der Bemessungsgrundlage entstehen, nicht ausgeglichen werden.
Was plant die Stadt Friedrichshafen?
Über die Höhe des Grundsteuerhebesatzes entscheidet der Gemeinderat, schreibt Pressesprecherin Monika Blank auf Anfrage. Und die müsse erst noch beraten werden. Die CDU-Fraktion hat jüngst in diesem Zusammenhang einen Antrag gestellt hat (wir berichteten). Deshalb werde es zeitnah eine „erste Information“ geben. Weitere Beratungen und die Beschlussfassung erfolgen dann, laut Blank, im Laufe des Jahres 2024. „Wir können diesen Beratungen nicht vorgreifen.“
An welcher Stellschraube lässt sich derzeit noch drehen?
Der Bund der Steuerzahler hat mit drei weiteren Verbänden zwei Musterklagen vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg eingereicht. „Leider sind Klageverfahren hinsichtlich der Verfassungswidrigkeit einer Norm in der Regel eine sehr langwierige Sache“, schreibt Eike Möller. Es sei nicht damit zu rechnen, dass eine höchstrichterliche Entscheidung bereits bis zum Jahr 2025 vorliegt.
Hilft es, Einspruch gegen den Grundsteuerwertbescheid einzulegen?
Ein Einspruch schützt nicht vor der Zahlung. Bis die richterliche Entscheidung gefällt ist, müssen Grundstücks- und Immobilienbesitzer die neue Grundsteuer begleichen. „Ob es am Ende dann Geld für die Bürger zurück gibt, hängt wiederum von der Entscheidung des Gerichts ab“, schreibt der Bund der Steuerzahler. „Das Gericht kann das neue Grundsteuergesetz als verfassungsgemäß oder als verfassungswidrig einstufen. Falls die Verfassungswidrigkeit festgestellt wird, kann das rückwirkend oder erst für die Zukunft erfolgen.“ Wie viele Menschen im Bodenseekreis ihrem bereits zugegangenen Grundsteuerwert-Bescheid widersprochen haben, kann die zuständige Oberfinanzdirektion nicht sagen. „Für uns hat die Bearbeitung der Grundsteuererklärungen und von Fragen zur Grundsteuer höchste Priorität“, schreibt der Sprecher. Da sich Einsprüche auf die Verfassungsmäßigkeit beziehen, hätten sie für die OFD keine hohe Priorität.
Eine kleine Beispielrechnung zum Schluss
Derzeit bezahlt man für ein Grundstück mit fast 570 Quadratmetern, Einfamilienhaus mit überwiegender Wohnnutzung, in einem Häfler Ortsteil knapp 300 Euro Grundsteuer im Jahr. Bei einem Bodenrichtwert von 370 Euro je Quadratmeter und einer Steuermesszahl von 0,91 Promill ergibt dies ein Grundsteuermessbetrag von 191,19 Euro. Damit würde, bei unverändertem Hebesatz von 340 Prozent, ab 2025 eine jährliche Grundsteuer von 650,05 Euro fällig.