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Nothaushalt

Fraktionen fordern „Nothaushalt“

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

CDU, SPD/Linke, Freie Wähler, FDP, ÖPD/parteilos wollen 103 Haushaltsanträge zurückstellen
Veröffentlicht:01.05.2020, 19:00

Von:
  • Schwäbische.de
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Die Gemeinderatsfraktionen CDU, SPD /Linke, Freie Wähler, FDP, ÖPD/parteilos schlagen in einem gemeinsamen Schreiben vor, alle 103 Haushaltsanträge aller Fraktionen bis zum Jahr 2021 zurückzustellen. „Wir müssen den Haushalt ab 2020 ganz neu denken“, heißt es in der Presseerklärung. Bereits in der vergangenen Woche zog das Netzwerk Friedrichshafen seine Anträge zurück. Auch die Grünen schieben ihre Haushaltsanträge auf.

Nie zuvor, auch nicht während der Finanzkrise von 2008 bis 2010, seien die Herausforderungen größer gewesen. Dauer, Umfang und finanzielle Auswirkungen der Corona-Krise sind noch völlig unklar. „Daher muss ein Nothaushalt für das Jahr 2020 aufgestellt werden“, sind sich die antragstellenden fünf Fraktionen, die mit 28 Mitgliedern die Mehrheit im Gemeinderat stellen, sicher. Im Schreiben wird vorgeschlagen, alle 103 Haushaltsanträge der Fraktionen, die für den bisherigen Doppelhaushalt 2020/21 geplant waren, zurückzustellen. Zusammenhalt und Solidarität seien das Gebot der Stunde, in der Krise seien parteipolitische Abgrenzungen und Diskussionen nicht zielführend.

Aufgrund der Corona-Krise seien höhere Ausgaben vorprogrammiert. Wesentliche Teile der städtischen Einnahmen werden weit unter der bisherigen Planung liegen, heißt es weiter. Bei Gewerbe- und Einkommensteuer stünden massive Einbrüche bevor. Einnahmen aus öffentlichen Einrichtungen, wie unter anderem Kindergärten, Musikschule, VHS und städtischen Bädern, fielen aus oder müssten zurückerstattet werden. Die Folge: Der Abmangel aller städtischen Einrichtungen werde deutlich ansteigen.

Beteiligungsunternehmen der Stadt, wie beispielsweise der Flughafen, die Messe oder der Stadtbusverkehr, leiden ebenfalls unter fehlenden Einnahmen. Die Dividenden der Stiftungsbetriebe erreichen zukünftig voraussichtlich in keinster Weise die gewohnten Höhen der vergangenen Jahre. Somit seien der städtische und der Stiftungshaushalt von der Corana-Krise betroffen. In dieser Ausnahmesituation müsse die bisherige Haushaltsplanung völlig neu justiert werden.

CDU, SPD/Linke, Freie Wähler, FDP und ÖPD/parteilos sind sich vor diesem Hintergrund einig: Um den erforderlichen „Nothaushalt“ für 2020 zu entlasten, sollten ausnahmslos alle Haushaltsanträge alle Fraktionen komplett zurückgestellt werden.

Auch beim Personalaufbau sei größte Zurückhaltung geboten. Die fünf Fraktionen erwarten von der Verwaltung, dass sich die gebotene Zurückhaltung auch auf von dieser neu eingebrachte Themen und Finanzpositionen erstreckt.

„Die Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Krise für die Bürger und Betriebe vor Ort muss bei der Verwendung der unabwendbar knapperen Haushaltsmittel die oberste Priorität haben“, heißt es im Schreiben weiter. Wichtig sei die Unterstützung gefährdeter Betriebe, der Erhalt der Arbeitsplätze und die Unterstützung der sozial Bedürftigen in der Stadt. Im Haushaltsjahr 2020 werde somit nur Pflicht vor Kür möglich sein.

Auch Bündnis 90/Die Grünen schieben Haushaltsanträge auf

Auch die Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie beschlossen, einen Teil ihrer Haushaltsanträge zum Doppelhaushalt 2020/21 vorerst zurückzuziehen. Wie die Fraktionsvorsitzende Anna Hochmuth im Presseschreiben erklärt, habe man der Kämmerei mitgeteilt, neun Anträge aus diesen Haushaltsberatungen zurückzuziehen und bei zwei Anträgen die Forderungen stark zu reduzieren, so Hochmuth weiter. Die sechs fraktionsübergreifenden Anträge sollen nach Meinung der Grünen ebenfalls zurückgestellt werden.

Insgesamt hatte die Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen 19 eigene und sechs gemeinsame Anträge zum nächsten Haushalt gestellt. Man wolle die Anliegen zu einem späteren Zeitpunkt wieder einbringen. Davon betroffen seien die Themen Fußverkehrs-Check, stationsbasiertes Fahrradverleihsystem, zusätzliche Fahrradboxen und der zweite Abschnitt des Bike-Parcours. Außerdem betreffe es Personalstellen beziehungsweise Stellenanteile in der Jugendbeteiligung, der Abteilung Stadtgrün, bei der Kontrolle für Grünplanfestsetzungen sowie der Gleichstellungsbeauftragten.

Aufrechterhalten wollen die Grünen ein Konzept zur Versorgung von Wohnungslosen und davon bedrohten Menschen, den Bau des Fahrradstreifens auf der Paulinenstraße, eine Personalstelle für einen Klimamanager, die Umwandlung von Parkplätzen in Grünflächen, die Nachrüstung von städtischen Fahrzeugen mit Abbiegeassistenten, Booking-Fonds für Kulturschaffende, Berücksichtigung von Tagespflegeplätzen für die Altenhilfe beim Bau von Kindertagesstätten sowie Personalstellen für die offene Kinder- und Jugendarbeit.

Beim Antrag, mehr Personal für die Fachstelle für Wohnungsnotfälle einzustellen, reduzieren die Grünen von zwei Personalstellen auf eine. Beim Antrag, Photovoltaikanlagen auf öffentlichen Gebäuden zu errichten, möchten sie den Betrag von 500000 Euro auf 167000 Euro für 2020 reduzieren.

Netzwerk zieht zurück

Wie bereits berichtet, zog auch das Netzwerk für Friedrichshafen mehrere gestellte Anträge zunächst zurück. Davon ausgenommen sind drei Anträge zum Klimaschutz. „Durch die Folgen der andauernden Corona-Krise ist der bisherige Haushaltsplan 2020/2021 aus unserer Sicht so nicht mehr zu halten“, wurde Jürgen Holeksa, Fraktionsvorsitzender Netzwerk für Friedrichshafen, zitiert. Das Netzwerk für Friedrichshafen zog neun von insgesamt zwölf gestellten Anträgen zunächst zurück. Nicht zurückgezogen würden drei Anträge, deren Umsetzung aus Sicht des Netzwerks einen Beitrag zum Klimaschutz leiste.