Wenn die Temperaturen steigen
„Eine wahnsinnige Belastung“: Hitze stresst am Bodensee Mensch und Tier
Bodenseekreis / Lesedauer: 9 min

Feuerwehrleute wechseln häufiger durch, Bauarbeiter fangen früher an, Tiere verkriechen sich: Der Sommer ist zurück, und zwar mit voller Wucht.
Temperaturen deutlich jenseits der 30–Grad–Marke sorgen regelrecht für Hitzestress. Gute Nachrichten: Die Polizei kann kein gesteigertes Aggressionspotenzial feststellen, und Abkühlung ist in Sicht.
Feuerwehr
Wenn der Piepser einen Alarm meldet, rückt die Feuerwehr aus. In voller Schutzkleidung — unabhängig davon, welche Außentemperatur herrscht. An Hitzetagen mit 30 Grad und mehr ist ein Einsatz für die Feuerwehrleute eine enorme körperliche Belastung. Unter der Schutzausrüstung mit Stiefeln, dreilagiger Schutzhose, Einsatzjacke, Handschuhen und Helm werde es schnell unheimlich heiß, sagt Konrad Wolf, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Tettnang.
Wenn noch ein Atemschutzgerät nötig wird, komme man allein durch die Ausrüstung auf ein Gewicht von rund 25 Kilogramm. „Und dann tragen die Einsatzkräfte ja teils noch Schläuche und andere schwere Dinge mit sich“, so Wolf. Daher laufe ein Einsatz bei sommerlicher Hitze, wie sie zurzeit vorherrscht, etwas anders ab als beispielsweise im Winter.
Konrad Wolf, KommandantDas haben wir mit acht Leuten gemacht — im Winter hätten zwei gereicht-.
Konrad Wolf erinnert sich an Einsätze, bei denen Feuerwehrleute wegen der Hitze und der enormen Belastung kollabiert sind. Um das zu verhindern, fahre man mehr auf Reserve und wechsle bei den Einsatzkräften deutlich häufiger durch als bei kühleren Temperaturen. Spätestens nach 15 Minuten ist Pause angesagt. „Außerdem schauen wir, dass die Leute danach direkt viel trinken und sich hinsetzen können, um abzukühlen“, so der Kommandant.
„Das ist schon eine wahnsinnige Belastung.“ Erst in der Nacht von Sonntag auf Montag habe es einen Einsatz mit Gefahrgut in Tettnang gegeben. Dabei musste ein Teil der Einsatzkräfte zusätzlich noch sogenannte Dichtschutzanzüge tragen. „Das haben wir mit acht Leuten gemacht — im Winter hätten zwei gereicht“, berichtet Konrad Wolf.
Bauarbeiter
Glücklich schätzen können sich bei den aktuellen Temperaturen diejenigen, die ihrer Arbeit im klimatisierten Büro nachgehen. Wer jedoch unter freiem Himmel arbeitet, hat zuweilen ordentlich mit der Hitze zu kämpfen. Das betrifft zum Beispiel Bauarbeiter: „Wir können die Baustellen leider nicht gänzlich einstellen wegen der Hitze“, sagt Max Zwisler vom Tettnanger Bauunternehmen Zwisler. Damit es den Mitarbeitern trotz hoher Temperaturen gut geht und niemand gesundheitliche Schäden davonträgt, sorge man so gut wie möglich vor.
Sonnenschutz in Form von Hüten sowie Sonnencreme und ausreichend Getränke seien eine Grundvoraussetzung, sagt Zwisler. „Wir geben unseren Leuten außerdem die Freiheit, morgens früher anzufangen, wenn es noch nicht so heiß ist, und dafür früher Schluss zu machen.“ So würde die Arbeitszeit auf der Baustelle teils an das Wetter angepasst.
Viele würden an heißen Tagen schon morgens um 6 Uhr starten. Auch würden einige Bauarbeiter über den Tag verteilt mehr kürzere Pausen machen. Bei manchen Gewerken lasse sich der Arbeitsplatz auch beschatten, etwa durch Sonnenschirme. „Aber im Tiefbau und im Landschafts– und Gartenbau ist das leider nicht möglich, weil die Baustellen dafür zu großflächig sind“, meint Max Zwisler.
Viele Pausen und das Meiden der Mittagshitze seien daher in seinem Unternehmen eine gute Strategie, um mit der Hitze umzugehen. Wer immer draußen arbeite, sei ein Stück weit auch an solche Temperaturen gewöhnt. Das große Los gezogen haben außerdem diejenigen Bauarbeiter, die eine Baumaschine führen — denn bei Maschinen mit geschlossener Kabine sei es inzwischen Standard, dass diese klimatisiert sind.
Tier– und Pflanzenwelt
Wer sich derzeit hinauswagt und durchs Eriskircher Ried spaziert, sieht sehr wahrscheinlich weniger Tiere als bei kühleren Temperaturen. „Wenn es extrem heiß ist, verziehen sich viele Arten“, berichtet Gerhard Kersting, Geschäftsführer des Naturschutzzentrums. Selbst Eidechsen, die bekanntlich Wärme und Sonneneinstrahlung mögen und brauchen, würden sich verkriechen. Einige Libellenarten, wie zum Beispiel die südliche Mosaikjungfrau, kämen mit der Hitze dagegen sehr gut zurecht.

Dass sich die Tier– und Pflanzenwelt verändert, ist dem Biologen zufolge aber kein aktuelles Phänomen, sondern eine Entwicklung, die er seit Jahren beobachtet — und die ihm durchaus Sorge bereitet, Stichwort: Klimawandel. Mehlprimeln beispielsweise, die früher im Eriskircher Naturschutzgebiet zu Hunderten blühten, „befinden auf dem absterbenden Ast“. In höheren Lagen kämen sie noch verbreitet vor. Auch die sibirische Schwertlilie, die im späteren Frühjahr viele Besucher ins Ried zieht, leide unter vermehrt auftretender Hitze und Trockenheit.

Ebenso betroffen sind Tierarten wie Frösche, die üblicherweise kleinere Tümpel besiedeln, und Fische, die in Bächen bei zu hohen Temperaturen nicht mehr genug Sauerstoff vorfinden, so Gerhard Kersting. Bachstelze und Hausrotschwanz seien dafür häufiger anzutreffen. Vor 30 Jahren waren die Vögel im Ried eher selten. Um Tieren bei extremer Hitze zu helfen, ist es laut Biologen sinnvoll im eigenen Garten Tränken aufzustellen: „Ich habe eine Wasserstelle, in der regelmäßig Vögel trinken und baden.“
Stadtgärtnerei
Seit Beginn der Trocken– und Hitzephasen ab Ende Mai, Anfang Juni 2023 wurden an rund 50 Tagen Gießeinsätze durch die Stadtgärtnerei Friedrichshafen vorgenommen. Im Schnitt seien dabei rund zehn Kuibikmeter Frischwasser pro Gießtag verbraucht. In der Spitze waren das aber auch bis zu 24 Kubikmeter Wasser, sagt Sprecherin Andrea Kreuzer.
„In Summe wurden dieses Jahr bis dato etwa 500.000 Liter Wasser auf die Beete gebracht“, so Andrea Kreuzer. Das Frischwasser stamme vom Hydrant auf dem Betriebshof der Städtischen Baubetriebe in der Rheinstraße; ergänzend durch Entnahme über Standrohr aus dem Leitungsnetz und die Beregner für die Wechselbepflanzungen in der Uferanlage.
Freibäder
Die Zahlen der Besucher in den städtischen Strand– und Freibädern unterscheiden sich laut der Stadtverwaltung Friedrichshafen nicht sonderlich von den Vorjahreszahlen.
In der vergangenen Woche habe sich die Zahl der Besucher deutlich vergrößert. „Zwischenzeitlich sind wir beim Strandbad und beim Freibad Fischbach schon nahe der 100.000er Marke“, so Andrea Kreuzer.
Hitzefalle Auto
Auch wenn es immer noch Menschen gibt, die es nicht für möglich halten: Autos können für Mensch und Tier zur Hitzefalle werden. Nicht umsonst warnte das Polizeipräsidium in Ravensburg Mitte Juli, „dass im Sommer bei entsprechender Witterung in Fahrzeugen in kürzester Zeit extrem hohe Innentemperaturen entstehen, die sowohl für Kinder als auch für Tiere innerhalb weniger Minuten lebensbedrohlich werden können“. Und weiter: Leicht geöffnete Fenster würden bei Weitem nicht ausreichen, um für eine Temperaturregulierung zu sorgen.
Anlass für die Mitteilung war ein tragischer Fall, der sich in Ostrach im Landkreis Sigmaringen ereignet hatte. Dort starb auf einem Parkplatz in einem völlig überhitzten Auto ein Hund, ein weiterer konnte in letzter Minute gerettet werden. Die Halter saßen in einem nahegelegenen Lokal. Der dringende Appell der Polizei: „Lassen Sie bei hohen Außentemperaturen und Sonne niemals Menschen oder Tiere unbeaufsichtigt in Fahrzeugen zurück, auch nicht nur für kurze Zeit.“
Polizei
Den Eindruck, dass mit höheren Temperaturen auch das Aggressionspotenzial einiger Mitmenschen wächst, kann die Polizei übrigens nicht bestätigen: „Alle leiden unter der Hitze und dem ein oder anderen steigt sie sicher zu Kopf, aber wir können keinen Zusammenhang zum Beispiel mit Schlägereien feststellen“, sagt Daniela Baier, Sprecherin des Polizeipräsidiums in Ravensburg. Bei Unfällen könne ebenfalls kaum geklärt werden, ob sie im Hitzestress oder aus Unachtsamkeit verursacht wurden.
Medizin Campus Bodensee
Susann Ganzert, Sprecherin des Medizin–Campus Bodensee (MCB), nennt keine auffällig höheren Zahlen von Patienten in der Notaufnahme. Das bewege sich alles im Bereich des Normalen im Sommer. Selbstverständlich würden die Patienten der Kliniken entsprechend betreut und mit Wasser versorgt. Eine Notlage aufgrund der Hitze sieht das MCB allerdings noch nicht.
Deutsches Rotes Kreuz
Das DRK Bodensee–Oberschwaben spricht an den Hitzetagen von einem erhöhten Einsatzaufkommen. Ob diese Einsätze jedoch auf die Hitze zurück zu führen seien, sei erst in den Kliniken feststellbar. Im Grunde hänge das erhöhte Einsatzaufkommen davon ab, dass bei diesem sommerlichen Wetter auch mehr Menschen in die Region kämen.
„Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DRK bei ihrer täglichen Arbeit an heißen Tagen bestmöglich zu unterstützen, sind sie mit moderner Dienstkleidung ausgestattet, die durch Material und Funktionalität die Erwärmung durch Sonneneinstrahlung möglichst gering hält und eine gute Luftzirkulation gewährleistet“, so das DRK. Außerdem stünden an allen Standorten Trinkwasserspender zur Verfügung.
Und um die Temperaturbelastung für Patientinnen und Patienten sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während der Behandlung im Fahrzeug und während des Transports gering zu halten, sind alle DRK–Fahrzeuge wie auch die der anderen Rettungsdienste mit leistungsstarken Klimaanlagen ausgestattet.
Malteser Hilfsdienst
Krankenschwestern und -pfleger vom ambulanten Pflegedienst sind der Hitze ausgesetzt, die kurzen Strecken von einem Haushalt zum nächsten reichen oft nicht dafür, dass die Klimaanlagen im Auto richtig heruntergekühlt werden. „So geht es auch den Kolleginnen vom Malteser Menüservice, dem Essen auf Rädern“, schreibt dazu die Sprecherin der Malteser Hilfsdienst gGmbH, Bezirksgeschäftsstelle Bodensee, Silvia Baumann.
Das Aufkommen an Fahrten mit dem Rettungswagen aber sei ähnlich hoch, wie sonst. Die Malteser stellen ausreichend Wasser für alle Mitarbeitenden zur Verfügung. „Trinken, trinken, trinken lautet die Devise in diesen Tagen“, so Silvia Baumann.
Wettervorhersage
Dass Abkühlung in Sicht ist, sollte erhitzte Gemüter besänftigen. Auf der Internetseite der Wetterwarte Süd heißt es: Bis Mittwoch würden sich Wetter und Temperaturen zwar kaum ändern.
Doch schon am Nachmittag sollen vermehrt Quellwolken aufziehen, Gewitter sind nicht ausgeschlossen. Ab Donnerstag steigt dann die Schauer– und Gewitterneigung, und zum Wochenende hin wird es voraussichtlich deutlich kühler.