Friedrichshafen
Dornröschen will eine offene Beziehung
Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Schwäbische.de
Als die Kimchi-Brot-Connection aus Köln am Dienstagabend im Kiesel im k42 in Friedrichshafen auftrat, erwartete die Zuschauer mit „Living Happily Ever After“ eine außerordentliche Darbietung über Beziehungen in unserer heutigen Zeit, in der der moderne Mensch vor lauter Wahlmöglichkeiten leicht den Überblick verlieren kann.
Der Titel ist aus dem Wortschatz der Märchen übernommen, wo im Englischen „And They Lived Happily Ever After“, also „und sie lebten glücklich für immer und ewig“ die Entsprechung des weit weniger romantischen „und wenn sie nicht gestorben sind...“ ist. Zu Beginn hört man auf der stockdunklen Bühne Interview-Aufnahmen verschiedener junger Menschen über ihre Vorstellungen und Erfahrungen was Paarbeziehungen angeht. Dann wird eine junge Frau in einem hellblauen Ballkleid sichtbar die mit mechanisch-kantigen Bewegungen ein eingespieltes Lied aus Disneys Dornröschen-Trickfilm singt. Bald eilt ein junger Mann zu ihr, in Galauniform und gleichsam mechanisch. In Zeitraffer erleben die beiden ihr glückliches Leben als Paar, einschließlich Kindergeburt bis zum eigenen Greisenalter.
Doch die Zeiten in denen dieses Bild von der glücklichen Beziehung das Leben bestimmte, sind vorbei, und daher kommt nun ein harter Bruch und die Musik wechselt zu Gymnastik-Pop mit Bewegungs-Anweisungen. Denen folgen die zwei Darsteller, werden in den Bewegungen menschlich und wechseln für den Rest der Aufführung in einer Art sportliche Unterkleidung.
Nun wird das Geschehen von Einspielungen aus zahlreichen Filmen beherrscht, in denen ein Mann und eine Frau miteinander über Partnerschaft sprechen. Alles auf Englisch, denn die Produzenten hatten sich überlegt, wovon Menschen heute in ihren Vorstellungen und Erwartungen an Partnerschaften geprägt werden. Das ist das, was man in Filmen vorgelebt bekommt, und da diese Streifen meist aus Hollywood stammen, ließ man die Einspielungen im Original laufen. Pech für jene, denen diese Fremdsprache nicht so liegt. Aber auch die konnten noch viel Freude aus dem ausdrucksstarken Schauspiel ziehen, mit dem dieses Playback auf der Bühne umgesetzt wurde.
Weiter geht es mit so vielen Interviews und Filmstückchen, dass man schon etwas überrascht ist, als etwa zur Hälfte des Stückes tatsächlich zu sprechen begonnen wird. Von nun an erscheinen Sophie Killer und Constantin Hochkeppel tatsächlich als ein Paar. Doch als Sophie eine offene Beziehung vorschlägt, erntet sie von Constantin alles andere als Begeisterung. Das führt so weit, dass er sich ins Publikum begibt, um dort mit den Leuten anzubandeln. Das tut er so freundlich und warmherzig, dass sich dabei niemand unangenehm berührt fühlt.
Die beiden Schauspieler sind körperlich immer wieder enorm aktiv. Schon die mechanische Szene am Anfang ist sehr exakt gespielt, wobei Killer in der Kantigkeit ihrer Bewegungen manchmal doch etwas zu weich ist, ganz im Gegensatz zu Hochkeppel. An anderer Stelle ziehen und stoßen die beiden einander minutenlang herum, während die Interviews laufen. Später wird der Inhalts eines Beziehungsvertrages synchron gestisch dargestellt, beinahe auf olympischen Synchronschwimmer-Niveau.
Entwickelt wurde das Stück von Laura Junghans, die auch für die Einspielungen zuständig war, Constantin Hochkeppel und Elisabeth Hofmann. Letztere hatte ursprünglich auch die Rolle von Sophie Killer inne, musste nun aber in die Babypause.
Das Stück endete nach einer knappen Stunde, aber es war durchgehend so dicht und energiereich, dass es auch gar nicht länger sein musste. Lang anhaltender Applaus lohnte dem Team seinen fordernden Einsatz.