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Der Streit um den Kampf gegen den Kormoran am Bodensee geht weiter

Region Bodensee / Lesedauer: 4 min

Unbestritten: Der Vogel frisst Fisch. Zu viel für das See-Gleichgewicht? Das Dialogforum „Kormoran und Fisch“ sollte sich kümmern. Mit Erfolg? Darüber wird gestritten.
Veröffentlicht:18.11.2023, 05:00

Von:
  • Ralf Schäfer
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Die Landes-Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt haben den Dialogprozess „Kormoran und Fisch“ im Sommer 2022 initiiert und im September 2023 beendet. Während beide das Verfahren als sehr erfolgreich darstellen, ist bei Natur- und Umweltverbänden sowie den Fischern ein ganz anderer Eindruck festzustellen. Hintergrund der Debatte ist auch der seit langem besorgniserregende Rückgang der Felchen-Fangquote.

Beteiligt an diesem Dialogprozess waren Vertreter und Vertreterinnen aller Bodenseeanrainerstaaten aus Berufs- und Angelfischerei, privatem und Verbandsnaturschutz, Jagd, Universitäten und Forschungseinrichtungen, der Internationalen Bodenseekonferenz IBK, der Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei IBKF und den zuständigen Verwaltungen rund um den See. Ziel: den Konflikt zwischen Kormoran, Fischen und Fischern zu versachlichen und Lösungen zu finden.

Von Schnelligkeit ist die Rede

Der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) sagt: „Der Dialogprozess ‚Kormoran und Fisch‘ hat dazu beigetragen, die Diskussion zu versachlichen und den Grundstein für ein internationales Kormoran-Management am Bodensee zu legen ‐ jetzt müssen wir schnell in die Umsetzung kommen.“

Hinter dem technischen Begriff „Kormoran-Management“ steckt die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen den Raubvogel jagen und seine Verbreitung einzudämmen zu können, auch wenn die Art eigentlich geschützt ist.

Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) sieht das Dialogforum als ersten Schritt, der nun gemacht sei. „Die diskutierten Belange rund um das Ökosystem Bodensee im Blick müssen wir im weiteren länderübergreifend abgestimmt vorgehen, um herauszufinden, welche konkreten Mittel auch auf lange Sicht wirken. So vermeiden wir, dass sich die Thematik einfach nur verlagert.“

Viel Zeit bleibt nicht

Die Initiatoren des Dialogprozesses empfehlen, ein länderübergreifendes Pilotprojekt zu starten. Wie genau das auszusehen hat, darüber scheint sich niemand im Klaren zu sein. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Anrainerstaaten und ihre Akteure gemeinsam in die Umsetzung kommen, damit die Felchen und die Berufsfischer am Bodensee eine Perspektive haben. Viel Zeit bleibt nicht“, sagte der Minister Hauk.

+++ HIER finden Sie das Arbeitspapier zum Thema „Kormoran, Naturschutz und Fischerei“ (PDF) +++

An eine schnelle Umsetzung glauben die Fischer allerdings nicht. „Die Felchen verhungern. Die Ministerien legen die Hände in den Schoß und lassen sich von den Naturschutzverbänden zum Nichtstun in Sachen Kormoran verleiten“, sagt Albert Deß, Präsident der bayerischen Berufsfischer.

Das Bild zeigt tote Fische nach einem Kormoranangriff. (Foto: SZ-Archiv)

Er hat jahrelang für die CSU im Bundestag und später im Europäischen Parlament gesessen und sich mit dem Kormoran befasst. Der Vogel sei geschützt worden, als er vom Aussterben bedroht gewesen sei. Das aber sei heute gar nicht mehr der Fall. „Wir wehren uns viel zu wenig“, sagt Deß. Auch der Schweizer Berufsfischer Gallus Baumgartner sagt, dass die Politik rede, aber nichts tue.

Viel geredet

Der Vertreter des Landesverbandes der Berufsfischerei, Roland Rösch, war auch beim Dialogforum „Kormoran und Fisch“ dabei. „Wir haben sehr viel diskutiert, aber die Vogelschutzverbände haben am Schluss der Veranstaltung ihr Veto eingelegt und allem, was jetzt folgen soll, widersprochen. Es passiert wieder nichts“, so Rösch. Man brauche jetzt Druck der Politiker rund um den See, wenn irgendetwas erreicht werden soll.

Die Blätter und Äste der Bäume im Naturschutzgebiet sind mit Vogelkot weiß überdeckt, die Kormorane breiten sich am Bodensee immer mehr aus. (Foto: Ralf Schäfer)

Bei der Jahresversammlung des Internationalen Bodensee-Fischereiverbandes (IFB) in Friedrichshafen wurde der Dialogprozess stark kritisiert. Jahrelang hätten die Fischer den Dialog und ein Kormoran-Management gefordert, mit dem die Zahl der brütenden Vögel durch Vergrämung oder Abschuss dezimiert werden könnte. Jetzt habe man miteinander geredet, stehe aber immer noch ganz am Anfang, weil die Naturschutzverbände sich jeder Lösung verweigern würden.

Absage an Kormoran-Management

Die Naturschutzverbände lehnen ein Kormoran-Management grundsätzlich ab. Eberhard Klein, Vertreter des Nabu aus Konstanz: „Wir haben eine tiefgreifende ökologische Veränderung am Bodensee, die dazu führt, dass sich die Fischbestände in einer Art und Weise entwickeln, wie wir es bisher nicht gekannt haben. Dazu kommt ein Stück weit der fischfressende Vogel.“

Klein sieht die eigentlichen Ursachen für die geringen Fangquoten und die zurückgehende Felchenpopulation in der Klimaerwärmung, in Veränderungen im Artengefüge und im geringen Nährstoffgehalt des Sees.

Der Nabu und andere Umweltschutzverbände bezeichnen laut Zeit-Online auch das Ergebnis des Dialogprozesses, ein Arbeitspapier (PDF) mit seinen 84 Punkten mit zentralen Fragestellungen rund um den Kormoran, seine Auswirkungen auf den Fischbestand, geschützte Fischarten und die Berufsfischerei, als „zu wenig ausgewogen“.

In diesem Papier wird das Verhältnis zwischen Naturschutz und Fischerei beschrieben und es werden konkrete Daten zum Kormoran und seinen Einflüssen auf Fische, Fischerei und Umwelt zusammengestellt.