Teststrecke

Das werden Menschen von der Auto-Teststrecke in Friedrichshafen bemerken

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Öffentliche Straßen in Friedrichshafen sollen zur Teststrecke für selbstfahrende Autos des ZF-Konzerns werden. Das sichtbarste Zeichen davon: kleine, graue Kästen.
Veröffentlicht:13.03.2018, 17:15
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Die Zukunft der Automobilität beginnt in Friedrichshafen mit dem Umbau einiger Ampelanlagen. Der ist nötig, um mitten in der Stadt eine Teststrecke für automatisiertes Fahren einzurichten. Am Montag beschäftigt sich der Gemeinderat mit dem Projekt, hinter dem die ZF und weitere Partner stecken.

„Innerstädtische Teststrecke mit intelligenter Infrastruktur“ – was in der Pressemitteilung ziemlich pompös klingt, wird der normale Häfler Auto- oder Fahrradfahrer gar nicht wahrnehmen. Denn die Route, auf der ZF und später auch andere Unternehmen automatisierte Funktionen von Autos ausprobieren wollen, führt mitten durch die Stadt und wird zunächst genauso aussehen wie bisher.

Grau sagt: rot oder grün

Mit einer Ausnahme: An allen neun Ampelanlagen entlang der Strecke werden sogenannte Road-Side-Units angebracht, kleine, graue Kästen, die den Autos der Zukunft nicht nur verraten können, ob das Licht gerade rot oder grün ist, sondern auch wann die Ampel umspringt und wie viel Verkehr sich gerade auf der fraglichen Kreuzung tummelt. Der Verlauf der Teststrecke dürfte ZF-Mitarbeitern bekannt vorkommen: Löwentaler Straße, Ailinger Straße, Eckenerstraße, Friedrich-, Riedlepark-, Colsmanstraße, B 31, Graf-von-Soden-Platz, Ehlersstraße.

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Online_Teststrecke_Automatisiertes-fahren_final (Foto: )

Auf dieser Route verbinden Firmenbusse das ZF-Forum mit den Werken 1 und 2 und dem Forschungs- und Entwicklungszentrum des Konzern. Später sollen möglicherweise eine Strecke in der Altstadt inklusive Fußgängerzone und Parkhäusern sowie eine Verbindung zum Fallenbrunnen dazukommen.

Der Anschluss des Wissenscampus kommt nicht von ungefähr. Denn hinter den Plänen für die Teststrecke steckt nicht nur ZF, sondern auch das Institut für Weiterbildung, Wissens- und Technologietransfer (IWT), das seinen Sitz im Fallenbrunnen hat. Das IWT geht auf die Duale Hochschule zurück, soll Studierende und Fachkräfte aus regionalen Unternehmen weiterbilden und wirtschaftliche wie wissenschaftliche Akteure in der Region vernetzen.

Konsortium geplant

Sie werde sich „besonders auf die Einbindung von kleinen und mittleren Unternehmen aus der Region konzentrieren, um diese an der Entwicklung von Zukunftstechnologien teilhaben zu lassen“, sagte IWT-Projektleiterin Sarah Kluger bei einem Pressegespräch am Dienstag. Eine weitere Aufgabe des Instituts: das Aufspüren und Anzapfen von staatlichen und anderen Fördertöpfen für die Weiterentwicklung der Teststrecke. Ziel sei die Bildung eines Konsortiums mit mehreren Firmen und anderen Partnern, vielleicht auch die Vernetzung mit einer vergleichbaren Initiative in Ulm.

Zunächst aber werden vor allem ZF-Ingenieure unterwegs sein. Es sei wichtig, direkt am Konzernsitz Erprobungsmöglichkeiten für das automatisierte Fahren zu haben, sagte Torsten Gollewski , Leiter der ZF-Vorentwicklung und Geschäftsführer der ZF-Tochterfirma „Zukunft Ventures GmbH“, in der der Konzern unter anderem seine Start-up-Beteiligungen im Segment des autonomen Fahrens bündelt. „Wir bauen hier in Friedrichshafen mit Hochdruck Entwicklerteams auf.“

Eine von 15 Strecken bundesweit

Die bräuchten die Möglichkeit, ihre Arbeit unter realen Bedingungen zu testen und Daten zu sammeln. „Stichwort: kurze Wege vom Labor auf die Straße“. Etwa 15 Teststrecken für das automatisierte Fahren im tatsächlichen Straßenverkehr gibt es in Deutschland. Die Route durch Friedrichshafen biet einige Besonderheiten, etwa einen Tunnel, Kreisverkehre, mehrspuriges Abbiegen und auch unmarkierte Straßenabschnitte.

Der Stadt biete die Teststrecke die Möglichkeit, ihre Infrastruktur den künftigen Erfordernissen anzupassen und ihre Bürger mit dem Verkehr der Zukunft vertraut zu machen. Gollewski nannte das eine „Win-Win-Situation“.

„Verkehrsgeschichte geschrieben“

So beurteilte das auch Baubürgermeister Stefan Köhler. Friedrichshafen habe schon mehrfach Verkehrsgeschichte geschrieben, sagte er und nannte als Schlagworte die Südbahn, Zeppelin und Dornier sowie die über 100-jährige Geschichte der ZF. Wichtig sei, dass im Testbetrieb keine personenbezogenen Daten gesammelt würden (also zum Beispiel Autokennzeichen gespeichert) und dass die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer immer an erster Stelle stehe. Man sei automatisiert, nicht autonom unterwegs.

Bei jeder Testfahrt sei ein geschulter Fahrer an Bord, der jederzeit eingreifen könne. Jedes Testfahrzeug muss von den zuständigen Behörden geprüft und genehmigt werden. Köhler: „Man darf nicht vergessen: Ziel all der Forschung ist es ja gerade, schlimme Unfälle zu verhindern und so den Straßenverkehr sicherer zu machen.“

Das sind die Kosten

Noch gibt es kein Kommunikationskonzept, doch Sarah Kluge vom IWT könnte sich gut einen öffentlich zugänglichen Showroom vorstellen, in dem ZF und die anderen Partner erklären, an welchen Projekten sie gerade arbeiten. Ziel sei es, die Akzeptanz der Bürger für das automatisierte und später das autonome Fahren zu steigern. Bei einer ersten Umfrage auf der Facebook-Seite der Schwäbischen Zeitung hat die große Mehrheit die Idee der Teststrecke positiv bewertet.

Was nun noch fehlt, ist das grüne Licht des Gemeinderats. Die Stadt soll die Kosten von rund 250 000 Euro für die Aufrüstung den zentralen Verkehrsrechners und der Ampelanlagen, die am Ende der Sommerferien erledigt sein soll, übernehmen. Die Zustimmung der Räte gilt als sehr wahrscheinlich. Der Finanz- und Verwaltungsausschuss jedenfalls hat dem Projekt in nichtöffentlicher Sitzung einstimmig zugestimmt.