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Staatsleugner

Wie Reichsbürger die Behörden schikanieren

Friedrichshafen / Lesedauer: 4 min

Wie Reichsbürger die Behörden schikanieren
Veröffentlicht:26.12.2016, 16:09

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Dem Grundgesetz, Gerichten oder auch staatlichen Institutionen sprechen sie jegliche Legitimität ab: die so genannten Reichsbürger. Seit drei Jahren macht diese Bewegung auch am Bodensee von sich reden . Mit kruden Anliegen versuchen sie unter anderem, das Landratsamt zu traktieren. Derzeit schlagen sich die Kreisbehörden mit mehr als 50 Eingaben herum, die aus dem Spektrum der Staatsleugner, Verschwörungstheoretikern oder Systemverweigerer kommen.

„Ihnen wird zur Last gelegt, organisiert und vorsätzlich gegen gültiges Recht zu verstoßen und fahrlässig schädigend in die Grundordnung der Schöpfung einzugreifen. Für die Verfolgung unrechtmäßiger und unbegründeter Forderungen s... werden Ihnen die folgenden Gebühren in Rechnung gestellt.“ Dies sind die einleitenden Zeilen eines Schreibens, das Anfang Oktober das Landratsamt erreichte. Der krude Brief ist die Reaktion auf einen Bußgeldbescheid. Offenbar erscheint dem Absender Angriff als die beste Verteidigung, denn es folgt eine Aufzählung von Verfehlungen der Behörde – unter anderem das Betreiben eines „Sklavensystems gegen das Volk“ –, die der Verfasser geahndet haben möchte. Und zwar mit „18 500 Feinunzen aus 99,9 % reinem Silber“.

Mit Fällen wie diesen müssen sich Michael Bussek , der Leiter des Rechts- und Ordnungsamts des Bodenseekreises, und seine Mitarbeiter seit einigen Jahren immer öfters herumärgern. Gerade die Bußgeldstelle ist besonders betroffen von Auseinandersetzungen mit sogenannten Reichsbürgern. „Das ist teilweise ein sehr aggressives Klientel“, sagt Bussek. Eine beliebte Masche, um die Behörden einzuschüchtern, sei die Malta-Inkasso-Methode. Dabei werden Mitarbeiter mit erfundenen Geldforderungen unter Druck gesetzt. Diese Schulden trägt der „Gläubiger“ in das Onlinehandelsregister UCC in Chicago ein, ohne dass sie von einer offiziellen Stelle überprüft werden. Der sogenannte Reichsbürger tritt anschließend seine Forderungen an Inkassounternehmen auf Malta ab, die per maltesischem Gerichtsbeschluss versuchen, das Geld einzutreiben. Rechtlich hat dieser Erpressungsversuch keine Chance auf Erfolg, dennoch könnte eine Forderung über 10 000 Silberunzen – Euro und D-Mark werden übrigens nicht anerkannt – doch so manchen verunsichern, erklärt Bussek. Es gebe auch Leute, die höchstpersönlich im Landratsamt erscheinen, um über einen Bußgeldbescheid zu diskutieren – mit aberwitzigen Argumenten. Möglichen Drohgebärden versucht man zu begegnen, indem in den Büros die Türen zu Kollegen offen stehen. Das Landratsamt versucht seine Mitarbeiter auch dadurch zu schützen, dass ihre Namen unter behördlichen Schreiben nicht mehr auftauchen.

Manchmal dreist, manchmal irre

Teilweise sind die Anliegen der sogenannten Reichsbürger ziemlich dreist, manchmal aber auch sehr fantasievoll. Im Herbst dieses Jahres beantragte ein Mann Sozialhilfe nach der Haager Landkriegsordnung. „Er argumentierte, dass es keinen Friedenvertrag gebe, wir in Deutschland alle noch im Krieg seien und damit Kriegsgefangene“, berichtet Bussek. Der Antragsteller habe gefordert, dass die Sozialhilfe so hoch sein müsse wie die für einen normalen Soldaten – 1300 Euro. Gerne werden sogenannte Reichsbürger auch beim Staatsangehörigkeitswesen des Landratsamts vorstellig. „Wir hatten hier schon Leute, die wollten einen Ausweis, der nach dem deutschen Reichsstaatsangehörigkeitsgesetz ausgestellt ist“, sagt Bussek. „Manche legen dann noch Wert darauf, dass sie speziell Bürger des Herzogtums Baden oder des Königreichs Württembergs sind.“ Es sei eine regelrechte „Parallelwelt“, in der diese Menschen leben, findet der Amtsleiter. „Bis zu dem Vorfall in Georgensgmünd hätten wir weiterhin darüber geschmunzelt“, sagt Robert Schwarz, der Sprecher des Landratsamts. „Jetzt nehmen wird diese Dinge ernst.“

Wer sind diese Menschen, die das Landratsamt mit abstrusen Anliegen und Forderungen traktieren? Den Reichsbürger gibt es für Robert Schwarz nicht. Er verwendet den Begriff auch nicht so gerne, weil er ihn für überhöhend hält. Schwarz erkennt in den so genannten Reichsbürgern eher eine heterogene Gruppe, zu der Staatsleugner, Systemverweigerer oder auch Wichtigtuer gehören. Michael Bussek bezeichnet deren Verhalten als „eine Art von Protest“ und wundert sich, dass „bei relativ vielen Menschen eine Affinität zu solchem Gedankengut besteht“. Er stellt auch klar: „Die Konsequenz ihres Handelns erschüttert uns.“