Kulturufer Friedrichshafen
A–Cappella–Nacht: Der Headliner ist nur halb so groß
Friedrichshafen / Lesedauer: 3 min

Harald Ruppert
Dass die beim Kulturufer zuverlässig wiederkehrende A–Cappella–Nacht ausverkauft ist, ist inzwischen Ehrensache. Auch diesmal hat die Agentur Magenta wieder drei Bands zusammengestellt. Allerdings hätten zwei ausgereicht, um diesen Abend zum Erfolg zu machen: Man hätte es bei den sympathischen Auftritten von Magpie Alley aus Augsburg und „ANDERS“ bewenden lassen und ihnen mehr Bühnenzeit zugestehen können.
Stattdessen folgte das britische Trio „We3“ als Abschluss und vermeintlicher Höhepunkt. Verglichen mit den beiden vorangegangenen sechs– und fünfköpfigen Ensembes wirken „We3“ als Trio unvermeidlicherweise in ihren Möglichkeiten limitiert. Das arg selbstbewusste und routinierte Showman–Gehabe von Frontmann Steve sammelt nach der natürlichen Ausstrahlung der vorangegangenen Bands zudem eher Minuspunkte.
Magpie Alley vereinen die schönsten Stimmen der A–Cappella–Nacht
Aber der Reihe nach. Magpie Alley haben erst während Corona zusammengefunden, und doch vereinigen sich in diesem Sextett die klarsten, schönsten und ausdrucksvollsten Stimmen dieser A–Cappella–Nacht — allen voran Alexandrina Simeon, der von der souligen Phrasierung bis zum Operngesang keine Grenzen gesetzt sind. Simeon ist in der Region keine Unbekannte, denn sie zählt auch zur Jazzformation des Pianisten Peter Vogel.
Alle sechs Mitglieder — drei Sängerinnen, drei Sänger -, treten als Solisten hervor, und jeder erzeugt Gänsehaut. Etwa Thomas Metschl im Coversong „Tanzen“ von Clueso als leidend Verliebter. Oder Mona Sonntag, die in „Leiser“ von Lea die untergebutterte Freundin eines selbstverliebten Egoisten gibt. Und wenn Naomi Nlomé sich in Michael Jacksons „Liberian Girl“ vertieft, ist es, als spräche ihre Seidenstimme einen Bann aus, der alles andere vergessen lässt.

Im großen Medley am Schluss wird auch klar, dass Magpie Alley Cometytalent haben: Sie verknüpfen in fliegenden Wechseln mit viel Witz knapp ein Dutzend Popsongs, von denen jeder mit dem Wörtchen „don’t“ beginnt — vom herrischen „Don’t go“ (Yazoo) bis zum pathetischen „Don’t cry for me, Argenina“.
„ANDERS“ vertonen sogar grausliche Hororfilme
Auf die Newcomer aus Augsburg folgen die fünf Jungs von „ANDERS“ aus Freiburg, denen man nicht ansieht, dass sie schon 2013 ihr erstes Album mit eigenen Liedern herausgebracht haben. Auch hier passt einfach alles, von der frech–gewitzten Ausstrahlung über die Choreographien bis zur Hauptsache: den Stücken und dem Gesang.

Der lässige Rap „Schau mir in die Augen“ hat die Klasse von Fanta 4, „Nie gesagt“ zündet im Gedenken an eine ungeschickt verspielte Liebe ein kleines Lichtlein an, und „Unangenehm“ ist ein Hip–Hop–Burner, bei dem das Publikum nach Leibeskräften mitsingt. Die Geräusch–Kunststücke, die der Beatboxer der Band mit dem Mund vollführt, dürften kaum zu toppen sein.
Oder doch: Wenn „ANDERS“ sich durchs imaginäre Fernsehprogramm zappen und querbeet die Sendungen imitieren: vom grauslichen Horrorfilm über die Miss Marple–Filmmelodie bis zur Fußballreportage.
„We3“ kommen ein wenig großspurig daher
Dass sich „We3“ danach als „Headliner“ der A–Cappella–Nacht bezeichnen, klingt angesichts der schon erwähnten Einschränkungen ein wenig großspurig. Aber wie Leadsänger Steve sich in die Stimmen von Peter Gabriel („Sledgehammer“) und Sting („Seven days“) hineinversetzt, ohne seine eigene zu verleugnen, hat trotzdem Klasse.