Geflügelschlachtbetrieb
Schlachthof bei Biberach: Bio-Hühnchen falsch deklariert?
Riedlingen / Lesedauer: 4 min

Zwei Geflügelschlachtbetriebe aus Bayern und Baden-Württemberg stehen im Verdacht, jahrelang falsche Bio-Hähnchen in den Handel gebracht zu haben. Die Landshuter Staatsanwaltschaft hat bei einer großen Razzia in den beiden Bundesländern sowie auch in Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Unterlagen sichergestellt. Der betroffene Betrieb im Kreis Biberach wie die Vorwürfe zurück.
Verdacht auf gewerbsmäßigen Betrug
Es werde gegen sechs Personen, vier Männer und zwei Frauen, wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Betrugs und von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht ermittelt, sagte der Sprecher der Landshuter Staatsanwaltschaft, Alexander Ecker , am Donnerstag. Es handele sich um die Unternehmensverantwortlichen. Die beiden Betriebe sollen miteinander in geschäftlichen Verbindungen stehen. Der eine sitzt im niederbayerischen Landkreis Rottal-Inn. Der zweite in Ertingen im baden-württembergischen Landkreis Biberach.
Die Staatsanwaltschaft hatte Mitte des Jahres eine anonyme Anzeige erhalten und daraufhin Untersuchungen begonnen. Es gebe den Verdacht, dass die Beschuldigten seit Anfang 2018 konventionelles Hähnchenfleisch und Hähnchen insbesondere zu „Geprüfte Qualität Bayern-, Bio- und Naturland-Ware“ umdeklariert haben, um mit den Gütesiegeln höhere Preise zu erzielen. „Weiter besteht der Verdacht, dass aufgetaute Hähnchen fälschlicherweise als Frischware etikettiert veräußert worden sein sollen“, erläuterte Oberstaatsanwalt Ecker.
150 Einsatzkräfte bei Razzien
Außer den zwei Schlachthöfen wurden am Mittwoch auch Räume von Geschäftspartnern durchsucht, insgesamt waren 150 Einsatzkräfte an 24 Orten im Einsatz. Insbesondere Buchhaltungsunterlagen und Lieferscheine wurden beschlagnahmt. Die Auswertung werde nun einige Zeit in Anspruch nehmen, sagte Ecker. Bei der Kripo in Passau wurde dafür eine Ermittlungsgruppe gebildet.
Schlachtbetrieb weist Vorwürfe zurück
Der Ertinger Schlachtbetrieb bestätigt die Razzia, weist allerdings „die verlautbarten Vorwürfe vollumfänglich und mit Nachdruck zurück. Als „langjähriger, zertifizierter Familienbetrieb mit Tradition“ produziere man „tierschutzgerechtes, regionales und nachhaltiges Geflügelfleisch“. Das Geflügel zur Schlachtung beziehe man von „bäuerlichen Familienhöfen“ aus Bayern und Baden-Württemberg. „Wir stehen mit unserem Namen für Regionalität, Glaubwürdigkeit und Verantwortung“, heißt es weiter. Man werde „alles dafür tun“, die Vorwürfe gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft aus der Welt zu räumen.
Den Schlachtbetrieb hat das bayrische Unternehmen erst 2019 von der zum Schweizer Migros-Konzern gehörenden Micarna-Gruppe übernommen, die für den deutschen Markt produzierte, unter anderem auch Gelügelwurstspezialitäten am mittlerweile aufgegebenen Firmensitz im nahe gelegenen Betzenweiler. Statt des bisherigen Alpigal-Labels wurden deutsche Zertifikate wie Bioland und Demeter eingeführt.
Die Oberschwäbische Geflügel GmbH wirbt auf ihrer Homepage mit „regionaler, transparenter und schonender Verarbeitung von Bio- und konventionellem Hähnchen von Höfen in Baden-Württemberg und Bayern.“ Die Lieferanten von Hähnchen in Bio-Qualität im Umkreis von maximal 80 Kilometern dürfen eine Stallgröße von 24.000 Hähnchen nicht überschreiten, war vom Unternehmen zu erfahren, wobei ein Drittel der Stallfläche sich im Außenbereich befinden muss.
Opposition für mehr Kontrollen
„Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, geht es hier um Betrug im großen Stil: Betrug an den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Betrug an den vielen Betrieben, die ehrlich arbeiten“, teilt der agrarpolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion, Georg Heitlinger, mit. Verbraucherinnen und Verbraucher müssten sich beim Lebensmitteleinkauf darauf verlassen können, „dass drin ist, was drauf steht“. Lebensmittel müssten so gekennzeichnet sein, dass die Herkunft der Bestandteile zurückverfolgt werden kann. „Außerdem brauchen wir eine starke Veterinärverwaltung in Baden-Württemberg. Der Verbraucherschutz ist wichtig und darf nicht länger von der Landesregierung vernachlässigt werden“, so Heitlinger. Nur eine funktionierende Überwachung schütze auch „die redlichen Hersteller“
Der tierschutzpolitische Sprecher der SPD im Landtag von Baden-Württemberg, Jonas Weber, fordert ebenfalls eine Reaktion der Landespolitik: „Die Vorwürfe wiegen schwer und zeigen, wie wichtig Kontrollen sind. Es geht einfach nicht, dass ein Betrieb, der viele hundert Tiere hält, nur alle Jubeljahre mit einer Kontrolle rechnen muss!“
Immer wieder Verstöße in Schlachthöfen und Zuchtbetrieben
Zuletzt waren immer wieder Zuchtbetriebe in Baden-Württemberg mit mutmaßlichen Verstößen gegen Tierschutzgesetze aufgefallen – etwa durch Vernachlässigung von Rindern in einem Allgäuer Betrieb. Für Ermittlungen und große öffentliche Aufmerksamkeit sorgten zudem heimlich aufgenommene Videos aus Schweineställen, die schwer kranke und verendete Tiere in zeigten.