Rundschreiben
Stadt Ochsenhausen will kritisches Rundschreiben verbieten - und scheitert vor Gericht
Ochsenhausen / Lesedauer: 4 min

Die Stadt Ochsenhausen hat im Rechtsstreit gegen Franz Wohnhaas am Donnerstag vor dem Landgericht Ravensburg eine Niederlage einstecken müssen. Wie berichtet hatte die Stadt den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Nach Ansicht der Stadtverwaltung hatte Wohnhaas, der verantwortlich für die Seite www.mischdichein-ox.de ist, in einem Rundschreiben falsche Tatsachenbehauptungen verbreitet. Diese Auffassung teilte das Landgericht nicht. Begründung: Für das Gericht sind die beanstandeten Aussagen Meinungsäußerungen, die nach Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt sind.
Knapp 20 Zuhörer waren am Donnerstagnachmittag in den Saal zwei des Ravensburger Landgerichts gekommen, um die Verhandlung der vierten Zivilkammer zwischen der Stadt Ochsenhausen und Franz Wohnhaas zu verfolgen. Franz Wohnhaas saß neben seinem Rechtsanwalt Sven Tamer Forst, Bürgermeister Andreas Denzel und Hauptamtsleiterin Tanja Oelmaier erschienen mit einer Kiste voller Akten und Rechtsanwalt Andreas Staudacher im Gerichtssaal. Kurz darauf eröffnete Richter Matthias Schneider die Sitzung.
Schneider rekapitulierte nochmals, worum es im Kern geht: Seit Anfang 2018 verbreite die Bürgerinitiative „mischdichein-ox“ Flugblätter mit kritischen Äußerungen zu verschiedenen lokalpolitischen Themen. Verantwortlich zeichne dafür Franz Wohnhaas. Ein Flugblatt, verteilt im November 2018, enthalte Äußerungen zur Übernahme des Seniorenzentrums durch die St.-Elisabeth-Stiftung, zum Neubau des Feuerwehrgerätehauses und zum neuen Kreisverkehr. Die Stadt Ochsenhausen, führte der Richter weiter aus, sehe darin falsche Tatsachenbehauptungen und habe deshalb den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, um Wohnhaas diese Äußerungen und die Verwendung von Wappen und Logo der Stadt zu untersagen.
Keine gütliche Einigung
Auf eine weitere inhaltliche Betrachtung wollte der Richter verzichten: „Die beiden Parteien haben diese Fragen bereits ausführlich erörtert.“ Schneider hakte nach, ob es zwischenzeitlich „Ansatzpunkte“ für eine gütliche Einigung gebe, merkte aber auch an: „Ich bin nicht überrascht, wenn Sie nein sagen.“ Nachdem beide Parteien verneint hatten, war die mündliche Verhandlung nach zehn Minuten beendet.
Richter Matthias SchneiderWir haben es hier mit Äußerungen im politischen Meinungskampf zu tun.
Weitere zehn Minuten später verkündete Richter Schneider das Urteil und erklärte, dass die Klage der Stadt abgewiesen wird. „Wir haben es hier mit Äußerungen im politischen Meinungskampf zu tun“, sagte Schneider. Und auch in der Kommunalpolitik gelte die Meinungsfreiheit. Es gehe hier nicht um Tatsachenbehauptungen sondern Meinungsäußerungen, die nach Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt seien. Bei der Darstellung im Flugblatt, wonach das Pflegeheim an die St.-Elisabeth-Stiftung verschenkt und die mit der Stiftung ausgehandelten Zukunftsprojekte vertraglich nicht abgesichert worden seien, stehe der wertende Charakter deutlich im Vordergrund. Und diese politische Wertung sei zulässig, zumal in einer „sehr umfangreiche Gesamtbetrachtung“ erfolgt und nicht nur in „platten Behauptungen“.
Fehlende Dringlichkeit
Was laut dem Richter außerdem gegen den Erlass einer einstweiligen Verfügung sprach: die fehlende Dringlichkeit. Die von der Stadt beanstandeten Äußerungen zum Seniorenzentrum habe Wohnhaas im Kern bereits Anfang 2018 geäußert, ohne dass die Stadt seinerzeit dagegen vorgegangen wäre.
Auch bei den Äußerungen im Flugblatt zum Neubau des Feuerwehrhauses, die Stadt habe dieses „ohne Not“ geplant, obwohl das bisherige mit wesentlich geringerem Aufwand ertüchtigt werden könne, sei das „Element der Meinung und des Dafürhaltens“ prägend, so der Vorsitzende Richter. Und zum neuen Kreisverkehr gebe es „eigentlich gar nichts zu sagen“, die Angelegenheit sei „sonnenklar“. „Der eine hält ihn für völlig korrekt, der andere für eine Katastrophe“, so Schneider. Auch die Verwendung von Wappen und Logo der Stadt im Flugblatt verletze die Rechte der Stadt nicht. „Das brauchen wir überhaupt nicht vertiefen, das ist eine von der Meinungsfreiheit gedeckte satirische Verwertung“, sagte der Richter zur Abänderung des Spruchs „Hier ist Zug drin!“ zu „Hier ist der Wurm drin!“, versehen mit einem Wurm statt des Ochsenkopfes. Schneider schloss seine Ausführung mit den Worten: „Wenn so etwas nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt ist – ich bitte Sie.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Stadt Ochsenhausen kann gegen das Urteil Berufung zum Oberlandesgericht Stuttgart einlegen.