Ochsenhausen
Dreimal 50 – närrische Jubiläen in Ochsenhausen
Ochsenhausen / Lesedauer: 4 min

Karen Annemaier
Nicht weniger als drei Jubiläen haben sich über die Coronapause bei der Karnelvalsgesellschaft Ochsenhausen (KGO) angehäuft. Vor rund 50 Jahren entstanden die närrischen Rankenweible und Roale. Damit hielt die schwäbisch-alemannische Fasnet Einzug an der Rottum. Bis heute gedeiht sie in Koexistenz mit dem rheinischen Karneval, der in Ochsenhausen eine viel längere Tradition hat. Beim 50. Nachtumzug am Freitag, 17. Februar, kommen die Zuschauer wieder in den Genuss beider Spielarten.
Der erste Nachtumzug rollte schon Ende der 1960er-Jahre durch Ochsenhausen. Mehrmals musste er ausfallen, heuer steigt das nächtliche Spektakel nun zum 50. Mal.
Um 19.31 Uhr startet am Rußigen Freitag am Busbahnhof unter dem Kloster der Tross aus 84 Gruppen, davon 43 Spielmannszüge oder Guggenbands – alles in allem etwa 5000 Mitwirkende. Durch die Innenstadt geht es dann bis zum Öchsle-Bahnhof. Aus einem Umkreis von 50 Kilometern Entfernung, teils aber auch vom Bodensee oder aus dem Allgäu, reisen die Teilnehmer an, weiß KGO-Präsident Stefan Müller.
In dem bunten Zug werden die Ochsenhauser Rankenweible auf sich aufmerksam machen. Die Narrenfigur hatten 1971 ihren ersten offiziellen Auftritt im Nachtumzug. Der damalige Präsident Gustl Bärtle hatte einer Frauengruppe vorgeschlagen, sich ein einheitliches Häs anzulegen und den Ochsenhausern die alemannische Fasnacht näher bringen. Diese war im Süddeutschland nach dem Krieg immer beliebter geworden.
Der Sage nach ist das Rankenweible eine etwas listige, verschmitzte Person mit einem lieblichen Gesicht gewesen. Auf keinen Fall aber durfte die Figur eine Hexe darstellen, steht in den Annalen der KGO. Bei vielen Sitzungsgesprächen in der Weinstube Baumann hatten die Teilnehmer das dort hängende Gemälde einer Kartenspielerin vor Augen. Persönlich fertigte Bärtle eine Maske nach dem Bild an. Da beanstandet wurde, das Gesicht sei zu streng, kürzte Gustl Bärtle mit einem Gipsermesser die Nase der Maske so lange bis das „Gesicht lächelte“. Von einem andernorts geliehenes Häs ließen sich die Näherinnen inspirieren, so entstanden Kostüm und Kopftuch des Rankenweibles. 1971 waren es nur elf, heuer gehen an die 150 Rankenweible beim Umzug mit, schätzt Müller.
Die eigentliche Geschichte vom Rankweible liegt viel weiter zurück als die 1970er-Jahre. Sie beruht auf einer mündlich überlieferten Sage. Die Erwachsenen sagten ihren Kindern, wenn sie beim „Abendläuten“ (18 Uhr) noch nicht im Bett waren, dass dann das Rankenweible kommen und sie mitnehmen würde. Ihre legendäre Wirkungsstätte war der Wald an der Kurve (Ranken) der Rottumer Straße. Hier soll das Rankenweible Wanderern oder Fuhrleuten oftmals böse Streiche gespielt haben. So sprang sie einem Mann auf den Rücken und drückte ihn zu Boden, während sich sein Begleiter nicht von der Stelle rühren konnte. Oder sie stieß Fuhrleute höhnisch lachend vom Kutschbock. Wobei anzunehmen ist, dass manch nicht so ganz nüchterner Bierkutscher das Rankenweible als Ausrede für kleinere Unfälle oder Verspätungen genutzt hat.
Der zottelige grüne Roala mag schaurig aussehen. Der Sage nach ist er aber eine Schutzfigur. Er soll vier Geistliche im Ochsenhauser Kloster vor wilden, schwedischen Eindringlingen im 30-Jährigen Krieg beschützt haben. Eine Schnitzerei an der Decke der Prälatur des Klosters stand Pate für diese zweite Ochsenhauser Maske, die kurz nach dem Rankenweible etabliert wurde. Heute bereichern ebenfalls 150 Roales die Umzüge in und um Ochsenhausen.
Anlässlich dieser Jubiläen gab es unter besagter Holzdecke in der heutigen Landesmusikakademie vor wenigen Tagen einen kleinen Empfang, berichtet Stefan Müller. Für KGO-Mitglieder wurde ein Anstecker mit Roale und Rankenweible geschaffen, der auch auf dem Nachtumzug erworben werden kann.
Die Ochsenhauser Gruppen, die mehr den rheinischen Karneval - mit Elferrat, Prinzenpaar und Garde - verkörpern, werden dort ebenso zu sehen sein. 850 Mitglieder hat die KGO und das Zusammenspiel von Karneval und Fasnet ist ganz selbstverständlich, sagt Stefan Müller, „beides hat ja den gleichen Ursprung“.
Den Verein gibt es seit 1928, schon aus dem Jahr 1905 sind Kappenabende überliefert. Dass die närrische Zeit hier tief verwurzelt ist, „das macht es in Ochsenhause aus“, sagt Müller.
Mehr zur KGO und der Saison 2023 unter www.kg-nzochsenhausen.de