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Laupheimer Carl-Laemmle-Produzentenpreis

Er will mit seinen Filmen Missstände ansprechen

Berlin / Lesedauer: 6 min

Thomas Kufus erhält in diesem Jahr in Laupheim den Carl–Laemmle–Produzentenpreis. Im Interview spricht er über neue Projekte, Arbeitsbedingungen am Set und Til Schweiger.
Veröffentlicht:23.05.2023, 11:50

Von:
  • Anna Berger
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Thomas Kufus erhält in diesem Jahr den Carl–Laemmle–Produzentenpreis. Die „Schwäbische Zeitung“ hat mit dem Produzenten über seine Arbeit, das Echtzeit–Format und die Zukunft der deutschen Filmindustrie gesprochen.

Sie erhalten den Carl Laemmle–Produzentenpreis für Ihr Lebenswerk. Was bedeutet Ihnen das?

Das mit dem Lebenswerk hört sich für mich immer etwas beängstigend an. Man meint dann immer: Das war’s dann. Aber mir wurde versichert, dass es so gemeint ist, dass ich weitermachen soll. Und das will ich auch.

Bei Regisseurinnen und Schauspielern haben die Menschen eine Vorstellung davon, wie der Berufsalltag aussieht. Produzenten agieren vor allem im Hintergrund. Können Sie uns einen Einblick in Ihre Arbeit geben?

Der Produzent ist derjenige, der ein Projekt von Anfang bis Ende begleitet: von der Idee über die Finanzierung, die Herstellung, den Schnittprozess bis zur Distribution und zur Abrechnung. Es ist vor allem eine riskante Tätigkeit, denn am Ende ist der Produzent derjenige, der verantwortlich ist, dass der wirtschaftliche Erfolg soweit ausreicht, dass man weiterarbeiten kann.

Mir hat es trotzdem immer sehr gefallen, dass dieser Job so umfassend ist. Man kann sich keine Scheuklappen leisten, sondern kann und muss den gesamten Prozess begleiten.

Wie wichtig ist es Ihnen, eine bestimmte Botschaft in den von Ihnen produzierten Filmen zu vermitteln?

Die Wirtschaftlichkeit ist notwendig, damit so ein Laden läuft. Aber ich fange Filme meistens nicht an, weil ich als erste Prämisse habe, dass sich etwas finanziell lohnt, sondern ich wähle ein Thema aus, das ich wichtig finde. Das Thema steht bei mir ganz vorne.

Können Sie dafür ein aktuelles Beispiel nennen?

Ja, der letzte Spielfilm, den wir produziert haben, „Der vermessene Mensch“ über den deutschen Genozid in Namibia. Das war so ein Unterfangen, von dem ich am Anfang nicht genau wusste, wie wir da rauskommen. Wir haben mit einem riesengroßen Team mit vielen afrikanischen Mitarbeitern in Namibia gedreht, fast ausschließlich in der Wüste.

Das war schon ein sehr großes finanzielles Abenteuer und sicherlich eine der größten Herausforderungen in meiner beruflichen Laufbahn. Ein anderes Projekt war „Berlin 1933 — Tagebuch einer Großstadt“, das im Januar dieses Jahres im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Das war ein 90–minütiger Film aus reinem Archivmaterial.

Wir sind das Thema angegangen, ohne zu wissen, ob wir genügend Material finden. Die Risikokategorien sind bei jedem Film unterschiedliche, aber kein Film, den ich in den vergangenen Jahren gemacht habe, ist ohne Risiko angefangen worden.

Ihr Schwerpunkt liegt auf Dokumentarfilmen. Was fasziniert Sie daran?

Der Dokumentarfilm ist nach meinem Verständnis gesellschaftspolitisch stärker verankert als der Spielfilm. Missstände ansprechen und unangenehme Wahrheiten erzählen, das hat mich immer interessiert. Nun ist dieses koloniale Thema in „Der vermessene Mensch“ auch eine verdrängte, unterschlagene Wahrheit, und zwar 120 Jahre lang.

In dem Fall mussten wir aber einen Spielfilm machen, weil wir ein möglichst großes Publikum erreichen wollten, damit das Thema endlich auf den Tisch kommt. Man muss aber auch sagen, dass es heute mehr und mehr Spielfilme gibt, die politische Wahrheiten vermitteln. Als ich mit meiner beruflichen Laufbahn begonnen habe, war das noch stärker getrennt.

Mit Produktionen wie „24 Stunden Berlin“ haben Sie in Deutschland das Echtzeit–Format mitgeprägt. Wie bereitet man einen solchen 24–Stunden–Dreh vor?

Es gibt kein dokumentarisches Projekt, das man aufwendiger vorbereiten muss wie einen 24–Stunden–Dreh. Uns ging es darum, das Porträt der Millionenmetropole Berlin an einem normalen Tag abzubilden, und zwar von morgens 6 Uhr bis zum nächsten Tag, 24 Stunden lang. An diesem Tag sind etwa 100 Film–Teams à vier Personen in der Stadt unterwegs gewesen, um den Alltag von Menschen aus den unterschiedlichen Milieus zu filmen und möglichst alles einzufangen, was in deren Alltag wichtig ist.

Das Ganze wurde dann auf den Tag genau ein Jahr später ausgestrahlt, 24 Stunden am Stück. Also keine Nachrichten, keine regionale Abendschau, keine Werbung. Beim rbb und bei Arte haben wir es hingekriegt, dass die beiden Sender ihr gesamtes Programm freigeräumt haben. Als die Sendung dann ein Jahr später lief, fühlte sich das fast wie eine Simulation des aktuellen Tages an.

Wir haben auch viele Zuschriften bekommen von Leuten, die ganz erstaunt waren, dass es nicht live ist. „24 Stunden Berlin“ hat für relativ viel Furore gesorgt, sodass wir noch drei weitere Projekte machen konnten, die das Label „24 Stunden“ tragen.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Als Nächstes machen wir einen Film über den Cum–Ex–Skandal, einen investigativen Dokumentarfilm für das ZDF. Fast fertig ist jetzt ein Film über den Erfinder und Moderator von „Aktenzeichen XY … ungelöst“, Eduard Zimmermann, eine Art kritische Würdigung. Als Spielfilm machen wir als nächstes einen biografischen Film über Christa Wolf.

Die Vorwürfe um Gewalt und Machtmissbrauch an den Filmsets von Til Schweiger haben einen Schatten auf die gesamte deutsche Filmindustrie geworfen. Zurecht?

Die betroffenen Filme und Produktionen sind von meiner Realität so weit weg, dass ich kaum etwas zu der Debatte beitragen kann. Ich habe das bei unseren Produktionen definitiv nicht erlebt und hoffe, das auch nie zu erleben. Wenn man aus der Welt des Dokumentarfilms kommt, wo die Teams oft nur aus drei bis fünf Leuten bestehen, dann ist das natürlich etwas anderes, als wenn ich 150 Leute am Set habe.

Bei uns gibt es immer Arbeit auf Augenhöhe. Ich kann mir aber vorstellen, dass es auch anders läuft. Mitverantwortlich dafür sind sicher die Arbeitsbedingungen, die immer schwieriger werden, weil der Kostendruck so hoch ist. Ich muss heute einen Spielfilm in immer weniger Drehtagen herstellen: Da ist die Anspannung bei entscheidenden Mitgliedern des Filmteams enorm. Trotzdem muss der Respekt innerhalb des Teams das oberste Gebot für die Zusammenarbeit sein.

Was muss sich ändern, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern?

Die Filmfinanzierung muss dringend überarbeitet werden, sowohl bei den öffentlich–rechtlichen Sendern als auch bei den Filmförderungsinstitutionen. Die vorhandenen Gelder in Deutschland sind nicht mehr ausreichend. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an Qualität und Honorare.

Darauf muss reagiert werden, damit wir im internationalen Vergleich wieder aufholen können. Glücklicherweise hat die Kulturstaatsministerin Claudia Roth jetzt Vorschläge für eine Reform der Filmförderung unterbreitet und ich hoffe sehr, dass die ohne Wenn und Aber umgesetzt werden.

Was ist der wichtigste Punkt Ihrer Meinung nach?

Die Stärkung der automatisierten Fördermechanismen neben der selektiven Förderung durch Gremien. In Österreich wird das schon erfolgreich praktiziert.

Zum Schluss noch eine Frage zum Namensgeber des Produzentenpreises Carl Laemmle. Was verbinden Sie mit dem gebürtigen Laupheimer?

Das ist ein Mann, der in einer ganz anderen Zeit gearbeitet hat, aus Deutschland emigriert ist und mit den Universal Studios in Hollywood ein riesiges Unternehmen gegründet hat. Das bin ich alles nicht. Er soll aber ein risikofreudiger Mann gewesen sein und da gibt es vielleicht dann doch ein paar Parallelen. Vergleichen kann ich mich sicherlich nicht mit ihm. Umso stolzer bin ich, dass dieser Preis mit dem Namen von Carl Laemmle verbunden ist.